Das glaube ich jetzt nicht

Meist können wir recht entspannt über Gott und die Welt diskutieren. Außer es geht plötzlich um Kernüberzeugungen. Dann kocht das Blut hoch.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Anton Weste

Das mit den Fakten und der Meinung ist nicht immer so einfach. Im Idealfall sammeln wir verfügbare Fakten, ersetzen mit ihnen vorher vorhandenes Unwissen und Fehlinformationen und bauen auf dem neuen Gerüst möglichst objektiv unser Weltbild auf. Und ändern dann auch eine zuvor gefasste Meinung.

Leider läuft es nur selten ideal ab. Kollege Wolfgang Stieler hat letzte Woche darüber geschrieben, dass Menschen erstaunlich spezialisiert sind, wenn es um Faktenresistenz geht. Sprich: Jeder hat seine persönliche Batterie an Reizthemen und darin eine tief verwurzelte Meinung. Und wird diese mit widersprechenden Fakten konfrontiert, ist es schnell vorbei mit der Sachlichkeit. Stattdessen greifen emotionale Abwehrreaktionen: "Das will ich nicht wissen.", "Das kann ich nicht glauben."

Zum Trost: Das geht auch großen Geistern so. Obwohl Max Planck wichtige Quantengesetze selbst entdeckt und errechnet hatte, befand er einige ihrer Ausprägungen als zu widersprüchlich zur klassischen Physik. Er weigerte sich jahrelang, sie voll zu akzeptieren und hoffte, dass seine eigenen Modelle nur eine Krücke seien, die bald von anderen Ansätzen überholt würden.

Die Forschung scherte sich nicht um Plancks eigenen Unglauben und bewies die Korrektheit seines Werks. Später resümierte Planck: „Eine neue wissenschaftliche Wahrheit pflegt sich nicht in der Weise durchzusetzen, dass ihre Gegner überzeugt werden und sich als belehrt erklären, sondern dadurch, dass die Gegner allmählich aussterben und dass die heranwachsende Generation von vornherein mit der Wahrheit vertraut gemacht ist.“

Woher kommt das? Die Kognitionspsychologie macht hierfür den Bestätigungsfehler verantwortlich: Wir tendieren dazu, Informationen so auszuwählen, zu ermitteln und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen erfüllen. Widersprechende Informationen sind unkomfortabel. Sie haben eine geringere Chance, aufgenommen und verarbeitet zu werden. Dies kann so weit gehen, dass die widersprechende Informationen mit Händen und Füßen abgewehrt wird, sie sogar dazu beiträgt, die alte Überzeugung nur noch zu verstärken. Heißt: Fakten können sogar schaden, statt zu helfen.

Dieses als backfire effect bekannte Phänomen hat Cartoonist Matthew Inman ("The Oatmeal") in einem Comic anschaulich erläutert. Scrollen Sie sich durch. Es lohnt sich.

Ich fand diese Erklärung ziemlich schlüssig. Endlich hatte ich ein Modell, das mir gut erklärte, warum Menschen in Diskussionen emotional werden, ihre Position unsachlich verteidigen. Ich finde es gut.

Vor einiger Zeit erwähnte ein Freund, dass die Existenz des backfire effect mittlerweile zweifelhaft sei. Hm. Ich habe, das nicht weiter recherchiert, denn es klingt für mich unglaubwürdig. Und überhaupt, was weiß der schon?

(anwe)