Handys und Armbanduhren abgeben: Digital-Alltag an NRW-Schulen

In Frankreich sollen Handys generell aus dem Schulalltag verschwinden. In Deutschland setzt man auf individuelle Regeln, wie der Alltag an NRW-Schulen zeigt.

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Handys und Armbanduhren abgeben: Digital-Alltag an NRW-Schulen
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Von
  • Christoph Driessen
  • dpa
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Neulich an einer Schule in Köln: Während der Latein-Arbeit muss einer der Schüler mal zur Toilette. Draußen warten ein paar Freunde von ihm, die gerade keinen Unterricht haben. Ihnen sagt er die Aufgabenstellung. Anschließend googeln diese auf ihren Smartphones die Lösung und schicken sie auf die Smartwatch des Schülers und mehrerer seiner Klassenkameraden.

Die Pfuschaktion fliegt nur deshalb auf, weil anschließend eine verdächtig hohe Zahl von Texten komplett identisch ist. Mittlerweile müssen an dem ganzen Gymnasium alle Smartwatches vor Arbeiten und Klausuren abgegeben werden – aber nicht nur die: Da manche Lehrer den Unterschied nicht erkennen können, werden generell alle Armbanduhren eingesammelt.

Das Kölner Gymnasium ist damit ein typisches Beispiel dafür, wie an NRW-Schulen mit Handys, Tablets und anderen Multimedia-Geräten umgegangen wird. Ein allgemeines Handyverbot, wie es jetzt in Frankreich beschlossen wurde, gibt es nicht, die Schulen entscheiden vielmehr selbst. Dabei bildet sich ihre jeweilige "Handy-Politik" im Alltag nach und nach heraus und wird einem ständigen Praxis-Test unterzogen.

An manchen Schulen dürfen Handys in den Pausen benutzt werden, an anderen sind sie im gesamten Gebäude verboten. Natürlich stecken die Schüler sie trotzdem ein – auch auf die Gefahr hin, dass sie damit erwischt und das Smartphone bis Schulschluss beschlagnahmt wird. Ilka Hoffmann, Schulexpertin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), warnt allerdings vor zu strengen Regeln: "Man kann sowieso nicht mit den Augen überall sein, und gerade im Pubertätsalter ist das ein wichtiger Bestandteil im Leben der jungen Menschen. Und dann ist man nur noch mit Einkassieren beschäftigt – das ist der falsche Weg." Besser sei es, gemeinsam mit den Schülern Regeln für den Handy-Gebrauch zu entwickeln.

In der Oberstufe kommen Smartphones mitunter durchaus zu Recherchezwecken auf den Tisch. Das elektronische Arbeiten ist mittlerweile so selbstverständlich geworden, dass Lehrer Hausaufgaben oder andere Arbeitsaufträge per E-Mail oder über Whatsapp verschicken.

In Einzelfällen wird auch schon auf dem Tablet statt im Schulheft gearbeitet – zur Freude auch der Lehrer: Denn so gerade Linien wie der Computer kann auch der ordentlichste Schüler nicht ziehen. Meist hapert es allerdings an der Ausstattung, denn die wenigsten Schulen sind technisch schon im Digitalzeitalter angekommen. Das typische NRW-Klassenzimmer sieht noch genauso aus wie vor 20, 30, 40 Jahren: Vorn eine Tafel und davor Tische und Stühle, ziemlich abgewrackt. Der Verband Bildung und Erziehung (VEB) beklagt großenteils "steinzeitliche Ausstattungen" an deutschen Schulen.

Der Bundeselternrat ist zwar gegen ein generelles Verbot, meint aber schon, dass Smartphones den Unterricht stören. Die Kölner Gymnasiastin Marilena (14) bestätigt das indirekt, wenn sie sagt: "Ohne Handy wäre es schlimm. Man könnte keine Vokabeln nachgucken und vor allem keine lustigen Fotos oder Videos machen oder sich mit Freundinnen schreiben." Was daran schlimm sein soll, leuchtet ihr nicht ein: Schließlich vertrieben sich die Lehrer bei Klassenarbeiten manchmal selbst die Zeit mit Computerspielen.

Der 16 Jahre alte Joshua ist ebenfalls gegen ein Verbot. "Handys sind oft sehr nützlich", meint er. "Zum Beispiel, wenn man beim Abschreiben von der Tafel nicht mitkommt. Dann kann man es einfach abfotografieren. Oder wenn der Lehrer etwas nicht weiß." Das komme nämlich auch vor. Und "dann kann man es einfach eben googeln". (olb)