Elektronik neu erfinden

Das Moore'sche Gesetz kommt in die Jahre, und der Großteil der IT-Innovationen spielte sich zuletzt bei Software ab. Die US-Agentur DARPA will gegensteuern: Mit einem Milliarden-Programm für bessere Chip-Technologie.

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Elektronik neu erfinden

(Bild: MS TECH)

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Von
  • Martin Giles

Im vergangenen Jahr hat die US-Forschungsagentur Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), die ambitionierte Projekte mit Relevanz für das US-Militär finanziert, ein über fünf Jahre laufendes Programm mit einem Volumen von 1,5 Milliarden Dollar gestartet. Die Electronics Resurgence Initiative (ERI) soll Fortschritte im Bereich der Chip-Technologie unterstützen. Jetzt stellte die Agentur die ersten Forschungsteams vor, die ausgewählt wurden, um noch unerprobte, aber potenziell leistungsfähige Ansätze zu erkunden. Letztlich geht es dabei darum, Chip-Entwicklung und Fertigung in den USA zu revolutionieren.

In den letzten Jahren sind Hardware-Innovationen gegenüber der Software-Entwicklung etwas in den Hintergrund gerückt. Dem US-Militär bereitet das aus unterschiedlichen Gründen Sorgen.

Ende einer Ära

Ganz oben auf der Liste steht die Tatsache, dass das Moore'sche Gesetz, laut dem sich die Zahl der Transistoren auf einem Chip rund alle zwei Jahre verdoppelt, an seine Grenzen stößt. Dies könnte zukünftige Fortschritte in der Elektronik ausbremsen, auf die das Militär angewiesen ist. Also will es neue Architekturen und Designs, die eine Fortsetzung des Fortschritts bei der Chip-Leistung ermöglichen.

Außerdem gibt es Bedenken wegen der steigenden Kosten für die Konstruktion integrierter Schaltkreise und wegen zunehmender ausländischer – zu verstehen als chinesischer – Investitionen im Bereich Halbleiter-Design und -Fertigung.

Das Budget für die ERI entspricht ungefähr dem Vierfachen der sonst üblichen Ausgaben der DARPA für Hardware-Forschung. Die anfänglichen Projekte zeigen die drei allgemeinen Schwerpunkte der Initiative: Chip-Design und -Architektur sowie Materialien und Integration.

Eines der Projekte zielt darauf ab, den Zeitaufwand für die Entwicklung eines neuen Chip-Design zu verringern. Durch die Automatisierung des Prozesses mit Hilfe von Maschinenlernen und anderen Werkzeugen soll der Prozess statt Jahre oder Monate nur noch einen Tag in Anspruch nehmen, sodass selbst relativ unerfahrene Nutzer hochwertige Designs erstellen können.

„Noch weiß niemand, wie sich ein neues Chip-Design innerhalb von 24 Stunden ohne menschliche Intervention sicher vollenden lässt“, sagt Andrew Kahng von der University of California in San Diego, Leiter eines der beteiligten Teams. „Wir entwickeln hier einen grundlegend neuen Ansatz.“

„Wir versuchen, bei Elektronik eine Revolution wie beim Brauen von Craft-Bieren herbeizuführen“, erklärt William Chappell, Leiter des für das ERI-Programms zuständigen DARPA-Büros. Nach der Hoffnung der Agentur sollen die automatisierten Design-Werkzeuge kleinere Unternehmen inspirieren, die über weniger Ressourcen verfügen als riesige Chip-Hersteller – genau wie spezialisierte Brauer in den USA neben den Größen der Bier-Branche eigene Innovationen geschaffen haben.

Neue Materialien und intelligente Designs

Wenn das Moore'sche Gesetz weiter gelten soll, werden wahrscheinlich radikal neue Materialien und neue Methoden für die Integration von Rechenleistung und Speicher gebraucht. Das Verschieben von Daten zwischen Speicher-Komponenten und den Prozessoren für ihre Verarbeitung kostet Energie und ist eine der größten Hürden für die Realisierung von mehr Rechenleistung.

Ein weiteres ERI-Projekt beschäftigt sich mit Möglichkeiten, mit neuartiger Schaltkreis-Integration den Bedarf an Daten-Transport deutlich zu verringern oder sogar ganz verschwinden zu lassen. Das letztliche Ziel ist, Rechenleistung effektiv in Speicher einzubetten, was dramatische Performance-Steigerungen möglich machen könnte.

Bezüglich Chip-Architektur wünscht sich die DARPA Hardware und Software, die in Echtzeit umkonfiguriert werden kann, um entweder allgemeinere Aufgaben oder sehr spezielle wie Anwendungen der künstlichen Intelligenz zu erledigen. Heute werden dafür unterschiedliche Chips benötigt, was Komplexität und Kosten nach oben treibt.

Bei einem Teil der DARPA-Projekte gibt es Überschneidungen mit Bereichen, an denen in der Branche bereits intensiv gearbeitet wird. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung von Technologie für Chip-Systeme in 3D, um dem Moore'schen Gesetz mit neuen Materialien wie Kohlenstoff-Nanoröhrchen sowie intelligenteren Methoden für das Stapeln und Partitionieren von Schaltkreisen neues Leben einzuhauchen. Chappell räumt die Überschneidungen ein. Die Arbeit seiner Agentur sei aber „wahrscheinlich das umfangreichste Vorhaben zur Realisierung dieses Ansatzes“.

Nicht annähernd genug

Manche Beobachter sind der Meinung, dass die DARPA und andere Bereiche der US-Regierung noch mehr Geld ausgeben sollten, um Elektronik-Innovationen zu fördern. Erica Fuchs etwa, Professorin an der Carnegie Mellon University und Expertin für Politik im Bereich neuer Technologien: Nach ihren Worten hat sich die Chip-Entwicklung zuletzt auf konkretere Anwendungen konzentriert. Dadurch hätten die großen Unternehmen ausgerechnet zu einer Zeit, in der das Moore'sche Gesetz in Frage steht, das Interesse an gemeinschaftlicher Forschung verloren.

Fuchs ist voller Lob für die ERI. Allerdings liege das Engagement der US-Regierung bei der Unterstützung von Elektronik-Innovation insgesamt „locker eine Größenordnung“ unter dem, was gebraucht werde, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern. Hoffen wir, dass zumindest die von der DARPA geförderte Entwicklung von Chip-Designs von der Basis aus dazu beiträgt, diese Lücke zu schließen.

(sma)