Wie eng wird es für Radfahrer?

Wenn Autos Radfahrer überholen, ist der Mindestabstand oft das erste Opfer. Ein Berliner Projekt ermittelt nun mit Fahrradsensoren die Gefahrenstellen im Straßennetz.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Anton Weste

Das passt schon! Einige Autofahrer lassen sich ungerne ausbremsen, wenn sich die vermeintliche Gelegenheit bietet, einen Fahrradfahrer zu überholen. Der vorgeschriebene Mindestabstand von 1,5 bis 2 Metern, im Zweifel mehr, ist graue Theorie. Kollege Drahtesel sieht doch ganz stabil aus, da kann man mal eben in 1,20 Metern oder 80 Zentimetern Abstand vorbeiziehen. Dabei ist die Gesetzeslage eindeutig: Ist kein ausreichender Abstand aufgrund der Verkehrssituation einzuhalten, muss das Überholen unterbleiben. Ja, auch wenn es "nur" ein Radfahrer ist.

Für bedrängte Radfahrer stellt sich die Situation naturgemäß weniger entspannt dar. Der Abstand beim Überholen ist Teil der ewigen emotional geführten Fehde zwischen Kfz-Nutzern und Pedaltretern. Aber wie oft und in welchen Situationen kommt es wirklich zu Unterschreitungen des Mindestabstands? Das will die Langzeituntersuchung Radmesser des Tagesspiegels für den Raum Berlin herausfinden.

Dafür statten die Initiatoren Fahrräder mit einem Arduino-Board und Radarsensoren aus, die die Abstände nach rechts (etwa zu parkenden Autos) und links (zu überholenden Fahrzeugen) messen. Unterschreitet ein überholendes Fahrzeug die 2-Meter-Marke, macht ein gekoppeltes Smartphone ein Foto von der Situation. GPS hält die Route und den Ort jedes Ereignisses fest.

Eine 10 Kilometer lange Testfahrt in dieser Versuchsanordnung ergab: 123 Kfz überholten den Fahrradfahrer. Davon 50 in einem Abstand von weniger als 2 Metern, 31 unter 1,5 Meter, 4 unter 1 Meter. Der kleinste Überholabstand betrug 58 cm.

Kommen genügend Testfahrten zu unterschiedlichen Tageszeiten für die untersuchten Routen zusammen, hat man ein ausreichendes Datenbild, um zu verstehen, welche Stellen für Radfahrer besonders brenzlig sind. Das soll dem Berliner Senat und den Bezirksverwaltungen bei der Planung der Verkehrswege Beine machen. Der Tagesspiegel sucht dafür 100 Freiwillige aus allen Teilen Berlins, die ihr Rad mit den Abstandssensoren ausstatten lassen. Außerdem kann man in einer Umfrage angeben, welche Situationen man als Berliner Radfahrer besonders bedrohlich empfindet und wo die Stadt dringenden Nachholbedarf hat.

(anwe)