Vermenschlichte Roboter

Doch keine kalten, berechnenden Maschinen: Aktuelle Studien zeigen, dass wir Roboter als soziale Wesen wahrnehmen. Also Bahn frei für die Pflegeroboter?

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Vermenschlichte Roboter

(Bild: Softbank)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Gregor Heppel
Inhaltsverzeichnis

Pepper, Rollin‘ Justin oder August der Smarte: So heißen die Pioniere der robotischen Altenpflege. Die Politik verspricht sich viel von ihnen, der überlastete Pflegesektor könnte dringend Hilfe gebrauchen. Für erste Aufgaben sind sie bereits qualifiziert: Der 1,20 Meter große Pepper kann Patienten in Krankenhäusern einweisen und über medizinische Eingriffe informieren. In den USA dient er bereits als Museumsführer. Rollin‘ Justin und die auf einen Roboterarm reduzierte Variante Edan vom DLR servieren Getränke und schlagen Bettdecken zurück. Und August der Smarte von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden soll herumirrende Demenzpatienten wieder auf ihre Zimmer bringen und an ihren Betten wachen.

Aber werden Roboter auch von Menschen akzeptiert? Entscheidend dafür ist offenbar, ob sie soziale Fähigkeiten haben. Das ist das Ergebnis einer Studie von 2008, welche die Akzeptanz von Pflegerobotern bei älteren Menschen untersuchte. Was ist nötig, damit wir einen Roboter als sozial empfinden?

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Nicht viel, schreiben die Autoren einer aktuellen Studie der Universität Duisburg-Essen im Fachmagazin PLOS One. Die Media-Equation-Theorie von Reeves und Nass, ein wichtiger Grundstein der Mensch-Computer-Interaktion-Forschung, besage, dass Menschen im Umgang mit Computern und anderen elektronischen Medien soziale Umgangsformen pflegten, die sie auch im Gespräch mit Menschen verwendeten. Erkenne ein Mensch bei einem Roboter Hinweise auf soziales Verhalten, hielte er ihn unbewusst ebenfalls für menschlich. Menschen behandelten etwas lieber fälschlicherweise menschlich, als fälschlicherweise nicht-menschlich.

In mehreren Studien zur Media-Equation-Theorie fanden verschiedene Forscher tatsächlich Hinweise für solches Verhalten. Sie stellten fest, dass Menschen Geschlechter-basierte Stereotypen auch auf Computer übertrugen, dass sie Roboter körperlosen Computerstimmen vorzogen und dass sie Robotern menschliche Persönlichkeiten zuordneten und lieber mit denjenigen redeten, die komplementär zu ihrer eigenen Persönlichkeit waren.

Erkennen Menschen also Roboter als soziale Wesen an, wie beeinflusst das ihr Verhalten? Damit beschäftigten sich drei kürzlich veröffentlichte Studien.

In der Duisburger Studie um Nicole Krämer und Aike Horstmann wurde untersucht, ob Probanden einen kleinen humanoiden Roboter vom Typ Nao ausschalteten, nachdem er darum gebettelt hatte, aktiviert bleiben zu dürfen. Von 43 Teilnehmern ließen 14 den Strom an, die übrigen brauchten deutlich länger dafür, eine Entscheidung zu fällen.

Hatte sich der knapp 60 Zentimeter große Roboter außerdem vorher besonders nett und sozial verhalten, hatten sie hinterher ein schlechtes Gewissen. Kam die Bitte besonders überraschend, weil sich Nao vorher strikt funktional verhalten und keine Hinweise auf soziales Verhalten gezeigt hatte, brauchten die Teilnehmer noch einmal deutlich länger. Als häufigste Gründe gaben die Probanden an, sie hätten Mitleid mit dem Androiden gehabt oder nicht gegen seinen Willen handeln wollen.

Eine Studie an der Universität Bielefeld fand heraus, dass sich Kinder in ihrer Entscheidungsfindung von einer Gruppe von Robotern beeinflussen lassen. Kinder und Erwachsene sollten die Länge eines Striches mit drei weiteren Strichen vergleichen. Hatten sie sich entschieden, versuchten drei Nao-Roboter, sie umzustimmen. Kinder waren tatsächlich anfällig und änderten ihre Meinung, Erwachsene nicht.

Und in einer Studie der Universität Clermont Auvergne wurde der Einfluss robotischer Anwesenheit auf die Konzentrationsfähigkeit getestet. Die Teilnehmer mussten einen Test absolvieren, während entweder ein freundlicher oder ein unfreundlicher Androide zuschaute. Der Unfreundliche erzeugte Stress und steigerte das Resultat der Testpersonen, der Freundliche nicht.

Auch wenn Roboter noch weit von künstlicher Intelligenz entfernt sind; um das menschliche Unterbewusstsein auszutricksen, genügt wohl schon viel weniger. Die so bezeichneten sozialen Fähigkeiten in den Experimenten waren allesamt vorprogrammiert, keine der Maschinen konnte wirklich Emotionen verstehen. Dennoch zeigten sich in allen Studien Hinweise darauf, dass Menschen Roboter ernst nehmen. Sie ließen sich beeinflussen, unter Stress setzen und zu Mitleid rühren. Auch robotische Anwesenheit könnte also etwas Wert sein, Patienten Trost spenden und helfen. Und August der Smarte hat bereits die erste Einladung zu einer Skatrunde bekommen.

(ghep)