US-Gericht: Keine Rasterfahndung in Smart-Meter-Daten

Die Datensammlung vernetzter Zähler kann in den USA zulässig sein, solange die Daten nicht weitergegeben werden. Insbesondere die Polizei soll nicht zugreifen.

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Stromzähler

(Bild: US Navy/Kiona Miller)

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Wenn die Stadtwerke den Stromverbrauch eines Haushalts viertelstündlich notieren, ist das mit einer Durchsuchung im Sinne der US-Verfassung vergleichbar. Die Stadt Naperville darf ihre Bürger trotzdem mit vernetzten Stromzählern ("Smart Meter") zwangsbeglücken und die von diesen erzeugten Daten speichern, sofern die erhobenen Daten nicht für andere Zwecke ausgewertet oder weitergegeben werden.

Naperville, Illinois, ist ein Vorort Chicagos mit knapp 150.000 Einwohnern. Der Bahnhof (Bild) wurde 1910 errichtet.

(Bild: Adam Moss CC-BY-SA 2.0 )

Das hat das US-Bundesberufungsgericht für den Siebten Bundesgerichtsbezirk erstmals entschieden. Die vernetzten Stromzähler greifen demnach in die Privatsphäre der Bürger ein, für Belange des Stromversorgers sei das aber verhältnismäßig ("reasonable"). Datenschützer feiern ihre Niederlage dennoch, weil das Gericht die Datenauswertung in enge Schranken weist.

Geklagt hatte eine Gruppe datenschutzbewegter Bürger, die sich Naperville Smart Meter Awareness nennt. Die Gruppe stört, in Naperville keine Wahl zwischen herkömmlichen Stromzählern und den sogenannten "Smart Metern" zu haben. Letztere erstellen ein Stromverbrauchsprofil, aus dem sich viel ablesen lässt, etwa welche Geräte wann in Betrieb sind und wann niemand zu Hause ist. Auch der für Cannabis-Plantagen typische intensive Einsatz starker Lampen sticht hervor, was von besonderem Interesse für Strafverfolger wäre.

Doch gerade Strafverfolger dürfen die Daten nun nicht einsehen – es sei denn, sie haben einen gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss. Für diesen müssen sie aber bereits einen begründeten Verdacht haben. Polizei, Finanzamt & Co dürfen also nicht die Stromzählerdaten aller Bürger nach auffälligen Mustern durchkämmen. Diese Art der Datennutzung wäre nicht mehr verhältnismäßig und verstieße dann gegen den Vierten Zusatzartikel der US-Verfassung.

"Entscheidend ist, dass (die Stadtwerke) keine Strafverfolgungsabsicht haben", halten die drei Berufungsrichter einstimmig fest, "Mitarbeiter des Stromversorgers – nicht Strafverfolger – sammeln und werten die Daten aus. (…) Soweit das Gericht weiß, ist es noch keine Straftat, in Naperville zu viel Strom zu verbrauchen."

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Das Berufungsgericht betont, dass sich seine Einschätzung ändern könnte. "Wir weisen darauf hin, dass unsere Entscheidung von den konkreten Umständen dieses Falles abhängt. Würden (die Stadtwerke) die Daten in kürzeren Intervallen erheben, könnte sich unsere Schlussfolgerung ändern. Ebenso könnte sich unsere Schlussfolgerung ändern, wenn die Daten für Strafverfolger oder andere Stadtbedienstete außerhalb der Stadtwerke leichter zugänglich wären."

Umgekehrt könnte umfassendere Datenauswertung zulässig werden, sollten sich vernetzte Zähler so weit verbreiten, dass sie routinemäßig im "allgemeinen öffentlichen Gebrauch" stehen. Das Gericht vergleicht das mit der Zulässigkeit von Beobachtungen von Flugzeugen aus in Zeiten privater Luftfahrt. Ein Rechtsmittel kann theoretisch an den US Supreme Court gerichtet werden; doch ist unwahrscheinlich, dass dieser den Fall annehmen würde.

Formal betrachtet ist die Gerichtsentscheidung eine Niederlage für die Datenschützer, weil die Stadtwerken die Smart Meter installieren und die Daten ernten dürfen. Inhaltlich ist es aber ein "Sieg!", wie es die Electronic Frontier Foundation (EFF) formuliert. "Dieser Fall, 'Naperville Smart Meter Awareness v. City of Naperville', ist der erste Fall, der sich damit befasst, ob der Vierte Zusatzartikel (zur US-Verfassung) Smart-Meter-Daten schützt. Gerichte hatten in der Vergangenheit entschieden, dass der Vierte Zusatzartikel Ablesungen von traditionellen, analogen Zählern (…) nicht schützt."

Solche Präzedenzfälle hatte das untergeordnete Gericht auch in diesem Fall angewandt. Daraufhin hatten sich EFF und Privacy International in das Berufungsverfahren eingebracht. "Der Siebte Bundesgerichtsbezirk hat weise erkannt, dass vernetzte und analoge Zähler unterschiedlich sind", freut sich die EFF.

Die Stadt Naperville, ein Vorort Chicagos, wollte die Daten unbeschränkt auswerten dürfen. Sie argumentierte, die Bürger würden ihre Stromverbrauchsdaten freiwillig Dritten, nämlich den Stadtwerken, überlassen. Mit dieser Argumentation machte das Berufungsgericht kurzen Prozess: Erstens seien die Stadtwerke in öffentlichem Eigentum und damit keine Dritten; und zweitens sei die Wahl, elektrischen Strom zu beziehen, keine freiwillige, so wie die Verwendung eines Mobiltelefons keine freiwillige Preisgabe des Aufenthaltsortes im Sinne des Vierten Zusatzartikels ist.

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(ds)