Dem Himmel so nah: La Palma – das Mekka für Astronomen und Sterngucker

Kaum irgendwo in Europa ist der Nachthimmel so dunkel wie auf den Kanaren. La Palma schützt ihn per Gesetz – Astronomen forschen mit riesigen Teleskopen.

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Dem Himmel so nah: La Palma – das Mekka für Astronomen und Sterngucker

(Bild: ORM)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Carola Frentzen
  • dpa
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Die Luft ist kristallklar, der Himmel leuchtet in tiefem Dunkelblau. "Wie eine Exkursion zum Mond", schwärmt eine deutsche Urlauberin, die eine Besichtigung des weltberühmten Observatoriums gebucht hat. Kaum ein anderer Ort in Europa ist bei Astronomen und Hobby-Sternguckern so beliebt wie die zu Spanien gehörende Inselgruppe im Atlantik, und hier speziell Teneriffa sowie die kleinere Schwester La Palma.

Aber warum ist der Himmel über der vor der Nordwestküste Afrikas gelegenen Insel so extrem klar? "Die Wolkenschicht wird hier in 700 bis 1500 Metern Höhe geformt, was mit den aus Nord-Ost wehenden Passatwinden zu tun hat", erklärt die Astronomin Elena Nordio, die seit acht Jahren auf La Palma lebt und Gästen aus aller Welt Sterne, Planeten und Galaxien näherbringt. Die Wolken schaffen es meist nicht, den massiven Gebirgszug der Cumbres, der das herzförmige Eiland längs durchzieht, zu überwinden. Die Folge: Regen auf der Ostseite und strahlende Sonne im Westen.

Roque-de-los-Muchachos-Observatorium auf La Palma (14 Bilder)

Überblick über das Roque-de-los-Muchachos-Observatorium (Bild: ORM)

Der höchste Punkt des Gebirges, der Roque de los Muchachos, ist mit seinen 2426 Metern Höhe sowieso immun gegen die Wolken. Wie ein riesiges Schneefeld liegen sie tief unten über der Ostseite, während ihre Ausläufer ungestüm versuchen, die Felsenlandschaft zu überwinden. Chancenlos, sie lösen sich auf, bevor sie ihr Ziel erreichen.

Von Luftunruhen ungetrübt ist der Himmel hier so sauber und rein, dass er nur an weit entfernten Orten wie Chile oder Hawaii ein Pendant findet. Das Maß der Bildunschärfe durch Luftunruhe, das so genannte "Seeing" (Sehen), gehört zu den besten der Welt. Von gutem Seeing spricht man bei Werten unter 1. "Auf La Palma wird häufig ein noch viel niedrigerer Wert erzielt, die Sicht ist dann fast so klar wie im Weltraum", sagt Nordio.

Zudem gibt es kaum nennenswerte Industrie und auch keine Großstadt – und somit wenig Lichtverschmutzung. Kein Wunder also, dass der Roque de los Muchachos als Standort für "eine der umfangreichsten Teleskopflotten der ganzen Welt" ausgewählt wurde, wie auf der Webseite der Sternwarte zu lesen ist.

Imposante Teleskope reihen sich auf den Hügelketten aneinander, jedes anders, jedes einzigartig. Erschaffen und betrieben von Experten aus vielen Ländern, die ferne Planeten, Schwarze Löcher, Supernovae und sonstige Himmelsphänomene erforschen. Dazu gehören mehrere Gammastrahlen-Teleskope, die aussehen wie kolossale Satellitenschüsseln, deren zahlreiche Einzelspiegel die karge Landschaft reflektieren.

Der Prototyp einer neuen Generation dieser sogenannten Tscherenkow-Teleskope wird gerade gebaut und soll im Herbst eingeweiht werden. Er ist Teil des geplanten CTA-Observatoriums, dessen zweiter Standort die Paranal-Anlage in Chile ist. Sein Durchmesser beträgt 23 Meter, die gesamte Spiegelfläche umfasst etwa 390 Quadratmeter. Mittels großer Baugerüste und Kräne werden derzeit die letzten Spiegel montiert.

Sie sollen die sogenannte Tscherenkow-Strahlung auffangen und bündeln, die erzeugt wird, wenn hochenergetische Gammastrahlen aus dem All auf die Atmosphäre treffen. Mit dieser Methode lassen sich energiereiche Objekte im Universum untersuchen. Forscher erhoffen sich Einblicke in Phänomene wie gewaltige Explosionen und Kollisionen von Sternen und anderen Himmelskörpern.

Wie Raumkapseln wirken dagegen das Nordic Optical Telescope mit einem Spiegeldurchmesser von 2,6 Metern, das italienische Telescopio Nazionale Galileo mit einem 3,6-Meter-Spiegel und das William Herschel Teleskop – mit einem Primärspiegel von 4,2 Metern das zweitgrößte des Observatoriums. Hauptattraktion ist das Gran Telescopio Canarias (GTC). Mit 10,4 Metern Durchmesser handelt es sich um das größte optische Infrarot-Spiegelteleskop der Welt. Der Primärspiegel besteht aus 36 sechseckigen Segmenten aus Zerodur, einer Glaskeramik des deutschen Herstellers Schott in Mainz.

Demnächst wird das GTC seinen Status verlieren, denn in der Atacama-Wüste von Chile wird es einen neuen Superlativ geben, ein geradezu gigantisches Auge zum Himmel: Das Extremely Large Telescope (ELT) mit einem Hauptspiegel von spektakulären 39 Metern wird aber voraussichtlich erst 2024 eingeweiht. So lange hält La Palma wohl seinen Rekord.