Asteroideneinschläge: "Die einzigen Naturkatastrophen die wir verhindern können"

Zum Abschluss des Internationalen Raumfahrtkongresses ging es um Asteroiden und wie Forscher die Erde künftig vor katastrophalen Einschlägen schützen wollen.

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Asteroideneinschläge: "Die einzigen Naturkatastrophen, die wir verhindern können"

Forscher wollen eine Kollision mit einem Asteroiden auslösen und untersuchen.

(Bild: ESA - ScienceOffice.org)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Der Asteroid Ryugu sei kein "freundliches Ziel", sagt Masaki Fujimoto, Vize-Direktor der japanischen Weltraumagentur JAXA. Als die ersten aus der Nähe aufgenommenen Bilder der Sonde Hayabusa2 auf der Erde eintrafen, seien die Wissenschaftler zunächst besorgt gewesen wegen der großen Zahl von Felsen mit Durchmessern von über acht Meter, die über die Oberfläche verstreut sind. Der größte Brocken sei am Südpol gesichtet worden und etwa 130 Meter groß. Bei einem Durchmesser des gesamten Asteroiden von 950 Metern ist das schon eine beachtliche Ausbuchtung.

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Umso erfreuter zeigten sich Beteiligte der Hayabusa2-Mission am letzten Tag des International Astronautical Congress (IAC) in Bremen, als es in einer Podiumsdiskussion noch einmal um die guten Nachrichten von Mascot ging. Alle äußerten sich sehr positiv über die ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen Japan, Frankreich und Deutschland, die trotz der Unfreundlichkeit des Asteroiden die sicheren Landungen von zwei kleinen japanischen und dem größeren deutsch-französischen Lander ermöglicht habe. Diese internationale Kollaboration sei "von Vertrauen, Respekt und Mut getragen" gewesen, sagte Mascot-Projektmanagerin Tra-Mi Ho.

Aurelie Moussi von der französischen Raumfahrtagentur CNES war verblüfft, wie schnell die ersten Daten von Mascot auf der Erde eintrafen. Eigentlich war erst in einigen Tagen damit gerechnet worden, da der Lander nicht direkt mit der Bodenstation kommunizieren konnte, sondern die Daten zunächst auf der Muttersonde gespeichert werden mussten. Für Moussi war das nicht nur ein Beleg für die technische Präzision, mit der die Mission durchgeführt wurde. Sie betonte, dass die Kommunikation zwischen den verschiedenen Forschungsteams ebenfalls hervorragend funktioniert habe, obwohl Japan zur gleichen Zeit mit schweren Taifunen zu kämpfen hatte.

Zum ersten Mal liegen nun detaillierte Daten über einen dunklen, kohlenstoffhaltigen Asteroiden vor, die jetzt nach und nach zur Erde übertragen werden. Asteroiden seien Überbleibsel der Bausteine, aus denen sich die Planeten geformt haben, erklärte Patrick Michel (Observatoire de la Côte d‘Azur) in einer weiteren Diskussionsrunde. Ihre nähere Untersuchung könne daher das Verständnis unseres Sonnensystems und seiner Entwicklung vertiefen. Die durch Raumsonden gewonnenen Informationen würden aber auch helfen, zukünftig die auf Asteroiden vorhandenen Ressourcen zu nutzen und mögliche Kollisionen mit der Erde zu vermeiden.

Ian Carnelli von der Europäischen Weltraumorganisation ESA sieht in solchen Missionen daher eine Versicherung für die Erde. "Asteroideneinschläge sind die einzige Naturkatastrophe, die wir verhindern können", sagte er. Die größte Gefahr ginge dabei nicht von Asteroiden wie Ryugu aus, obwohl dieser sich auf seiner Umlaufbahn der Erde bis auf etwa ein Viertel des Abstands zum Mond nähern kann. 90 Prozent der Asteroiden mit einem Kilometer Durchmesser und mehr seien bekannt und stellten keine Bedrohung dar, versicherte Carnelli. Problematisch sei die Größenklasse zwischen 100 und 1000 Metern.

Bei einer Vorwarnzeit von wenigen Jahren genüge eine geringe Geschwindigkeitsänderung in der Größenordnung von einem halben Millimeter pro Sekunde, um so ein Objekt an der Erde vorbei zu lenken. Die dafür erforderliche Technik müsse dann aber schon bereit sein. Deren Entwicklung soll durch die Mission AIDA (Asteroid Impact & Deflection Assessment) vorangebracht werden, die die ESA gemeinsam mit der US-Raumfahrtagentur NASA durchführen will.

Dafür startet die NASA zuerst im Juni 2021 die Sonde Dart (Double Asteroid Redirect Test) zum Asteroiden Didymos, einem 780 Meter großen Brocken, der von einem 160 Meter großen Mond umkreist wird. Dart zielt auf den kleinen Begleiter. Die Sonde von der Größe eines Kühlschranks soll mit etwa 6 km/s am 7. Oktober 2022 auf dem allgemein "Didymoon" genannten Himmelskörper einschlagen. "Merken Sie sich das Datum", empfahl Carnelli. "Der Einschlag wird von der Erde aus sichtbar sein."

Viele Teleskope werden von diesem Tag an für mehrere Monate auf Didymos gerichtet sein, um die Kollision und ihre Auswirkungen zu beobachten. Möglicherweise setzt Dart auch kurz davor Nanosatelliten aus, um detailliertere Daten zu sammeln. Die langfristigen Folgen des Einschlags soll dann die europäische Sonde Hera untersuchen, die im Jahr 2023 starten und das Didymos-System 2026 erreichen könnte – wenn die Mission von den europäischen Raumfahrtministern genehmigt wird. Die Kosten von 360 Millionen Euro entsprächen etwa denen für den Bau einer Formel-1-Rennstrecke, sagte Carnelli. Für eine Versicherungsprämie zur Verhinderung eines potenziell verheerenden Asteroideneinschlags sei das nicht allzu viel.

Generell waren die Diskussionen über zukünftige Weltraummissionen auf dem IAC von großem Optimismus getragen. Gerade bei Asteroidenmissionen mag dabei die Begeisterung über die erfolgreichen Landungen auf Ryugu eine große Rolle gespielt haben. Aber ob die in einem Jahr noch spürbar ist? Eine weitere Aussage, die hier mehrfach zu hören war, ist die, dass die technischen Herausforderungen auf dem Weg ins All nicht das zentrale Problem seien: Viel schwieriger sei es, politische Hürden zu überwinden. (mho)