#dominoforever: IBM Notes & Domino V10 Weltpremiere in Frankfurt

Wer hätte das gedacht? Das indische Unternehmen HCL haucht dem alten Schlachtross Notes neues Leben ein.

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#dominoforever: IBM Notes & Domino V10 Weltpremiere in Frankfurt

(Bild: IBM)

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Inhaltsverzeichnis

Lotus Notes wird seit gefühlt zwanzig Jahren für tot erklärt. Letztes Jahr gab IBM Entwicklung und Support an das indische Unternehmen HCL ab. Das Ende schien nah. Zu viele ehemalige Lotus-Produkte wie Smartsuite oder Quickplace waren gen Osten zum Sterben gegangen. Und dann passierte genau das Gegenteil.

Domino V10 Premiere im Kap Europa

Als erstes Ergebnis der Partnerschaft präsentiert IBM heute das von HCL entwickelte Notes V10, Domino V10, Verse on Premises 1.0.5 und Verse Mobile 9.5.1. Der weltweite Launch in Frankfurt wird von IBM ab 10:15 Uhr live übertragen.

HCL kauft sich sukzessive immer mehr IBM-Softwareprodukte ein, um daraus ein eigenes Portfolio zu schnüren. Und sie orientieren sich an Kundenbedürfnissen, wo IBM vorher eigene strategische Initiativen verfolgte. Bei Notes ist der Fokus ganz klar auf den vielen selbst entwickelten Anwendungen, welche die verbliebenen Kunden haben. Der Server wird robuster, die Softwareentwicklung wird massiv modernisiert und trotzdem gibt es auch für den Notes-Client Verbesserungen. Vor allem aber gibt es wieder eine Zukunft, eine klare Strategie und ein Bekenntnis, das nicht nach den üblichen IBM-Worthülsen klingt. Und nicht zuletzt eine Leidenschaft für das Produkt, die so lange gefehlt hat.

Fünf lange Jahre reihte sich bei Notes & Domino ein Fix Pack ans andere Feature Pack, die Versionsnummern wurde immer länger und abstruser. Und irgendwie schien IBM die Lust auf Erneuerung zu fehlen. Selbst das Release 9 vor fünf Jahren war mehr einer Anstrengung des Produktmanagers zuzuschreiben, der nicht das vierte Subrelease von 8.5 auf den Markt bringen wollte, sondern etwas frisches Neues. "Social Edition" hieß Notes auf einmal, ganz im Sinne des Hype-Themas Social Software.

An Ideen fehlte es nicht, auch nicht an Entwicklern. Es fehlte IBM aber der Wille, das Richtige zu tun. Einer Welle von Kostensenkungen folgte die nächste. "Resource Action" nennt IBM das kostensparende Entlassen von Mitarbeitern. Finde eine neue Stelle in der Firma binnen eines Monats, oder Du bist draußen. Geld gab es nur für Projekte, die den Hauptthemen der Unternehmensleitung dienten. Deshalb war Notes einmal Java, einmal Social, dann Cloud, und endlich Watson. "Mail that understands you". Während die Plattform immer mehr technische Schulden aufnahm, verzettelte sich IBM. Von allen schlechten Möglichkeiten wählte IBM die Beste: Das indische Unternehmen HCL übernahm das Produkt, die Entwickler und damit Entwicklung und Support, überließ in einer Partnerschaft IBM aber den Vertrieb und das Marketing.

Ein Entwickler beschreibt den Übergang zu HCL als eine Erlösung. Statt auf der Bremse steht das Management nun auf dem Gas. Statt alles der IBM Cloud zu verschreiben, wird nun auch das Kaufprodukt für die Installation im Rechenzentrum des Kunden frisch gemacht. HCL sieht eine Chance, wo IBM keine wollte oder durfte. Cluster-Symmetrie, die automatische Reparatur von Datenbanken und Indizes, das gab es alles schon in der IBM Cloud, nicht aber beim Kunden. Domino V10 ist ein Produkt dieser Konsolidierung. HCL begreift es nicht als Ziel, sondern als Anfang einer Kette von Releases. In einem Jahr soll es V11 geben und dazwischen noch eine Lieferung. Und dann jedes Jahr eine weitere: #dominoforever.

Wo Notes nur als Mailclient einsetzt wurde, haben die meisten Kunden mittlerweile migriert. Nur dort, wo es Notes-Anwendungen gibt, die Geschäftsprozesse unterstützen, hat sich Notes auch durch die lange Durststrecke gerettet. Es gibt Anwendungsszenarien, bei denen Notes die einfachste Lösung bietet, und dort sind Portierungen häufig am Aufwand gescheitert. An dieser Stelle setzt die HCL-Strategie an.

Notes App auf dem iPad

IBM-Entwickler hatten schon lange die Zeichen der Zeit erkannt und etwa eine App für das iPad entwickelt, die klassische Notes-Anwendungen ausführen kann. Daraus wurde nie ein Produkt, weil Apple keine Laufzeitumgebungen im App Store zulässt. Aber HCL ist der Ansicht, so etwas könne ein Unternehmen doch seinen Mitarbeitern genau wie selbst entwickelte Applikationen zur Verfügung stellen. Der iPad-Client wurde unter dem Namen "Nomad" getestet und führt klassische Notes-Anwendungen ohne Anpassungen auf dem iPad aus. Im Querformat ähnelt dieser einem PC-Bildschirm und so müssen Anwendungen nicht erst mühsam angepasst werden. Erhalten bleiben alle Notes-Eigenschaften wie Replikation, Sicherheit und Offline-Unterstützung. Dazu kann man, wo das angebracht ist, auf die Kamera, den Kompass oder das GPS des iPad zugreifen. Wer Notes-Anwendungen für andere mobile Plattformen fit machen will, kann etwa die Produkte des IBM-Partners Teamworkr heranziehen.

Domino App in Office 365

(Bild: IBM)

Über die Jahre hat es viele Anstrengungen gegeben, die Entwicklung von Webanwendungen in Notes zu stärken. Sie scheiterten letztendlich an den Tools. Der Domino Designer ist niemandem zuzumuten, der nicht über eine langjährige Erfahrung als Notes-Entwickler verfügt. HCL macht jetzt einen neuen Anfang: Moderne Apps mit React, Node.js, Express und Domino als NoSQL-Datenbank. Dabei legt sich HCL nicht auf ein Framework fest. Man kann genauso gut Angular verwenden. Die Datenbank zieht man über das Npm-Package dominoDB an. Hier gibt es eine Arbeitsteilung: Ein Notes-Entwickler stellt die Datenbank her, der Webentwickler aber bleibt in seiner eigenen Toolchain, ohne sich mit Notes herumschlagen zu müssen.

Der Neuanfang mit Node.js ist erfrischend, aber ein Unternehmen, das bisher auf XPages, eine proprietäre Version von JavaServer Faces, gesetzt hat, sollte sich neu aufstellen. Es lohnt sich für HCL nicht, diesen gescheiterten Ansatz weiter zu verfolgen. Auch in Nomad, dem iPad-Client, werden XPages lokal nicht unterstützt.

Domino App in Slack

(Bild: IBM)

Interessanterweise setzt HCL nicht nur auf Web-Entwickler, sondern auch auf den von ihnen so genannten "Citizen Developer". Mit Domino V11 sollen nächstes Jahr wieder Endanwender angesprochen werden, die zum Beispiel in Excel Anwendungen entwickeln, ohne überhaupt auf die Idee zu kommen, dass sie da etwas programmieren. Vom Fachanwender entwickelte einfache Anwendungen, das hatte Notes einst zum Durchbruch verholfen.

HCL verwirft den Domino Designer nicht. Er bleibt zwar auf Eclipse, wird jedoch erweitert und erhält bessere Entwicklungsmöglichkeiten für mobile Darstellungen und Anpassungen. Ein so erwachsenes Produkt kann man nicht einfach über Bord werfen, auch wenn viele Entwickler darüber fluchen.

Domino App in Microsoft Teams

(Bild: IBM)

In der Notes-Geschichte ist IBM einmal falsch abgebogen. Der Notes Client erhielt das Eclipse Client Framework verpasst, liebevoll auch als Bootsanker bezeichnet. Genau in dem Zeitpunkt, wo alle auf kleinere Apps schwenkten und viele Kunden auf virtuelle Desktops setzten, machte IBM den Notes-Client ungemein schwer. Als Notstopfen gab es zwei verschiedene Editionen, ein völlig vernachlässigte ohne und eine modernisierte mit Eclipse. Von diesem Erbe kann sich HCL nicht so leicht befreien, weil Eclipse an zu vielen Integrationspunkten verschweißt ist.

Um den Kunden ein Upgrade auf Notes 10 zu erleichtern, setzt HCL auf ein Management-Produkt des Partners Panagenda. MarvelClient ist in einer Light-Version kostenlos herunterzuladen und es besteht die Absicht, ihn in einer Folgeversion gleich in den Notes-Client zu integrieren. MarvelClient analysiert die Client-Umgebungen. Welche Version läuft hier, welches Betriebssystem, wie ist der Arbeitsplatz ausgestattet, wie viel Platz ist auf der Festplatte? Solche Management-Funktionen haben viele IBM-Kunden bereits, aber sie erreichen nicht jede Ecke einer Notes-Landschaft. Hier soll Marvel Client erfolgreiche Rollouts gewährleisten und verteilt die notwendigen Installationspakete.

Der Notes Client sowie die Verse-Webmailumgebung bekommt neue Funktionen für E-Mail, den Kalender, die Delegierung, sowie bitter notwendige Verbesserungen am Workspace. Eines der neuen Mail-Features ist die Möglichkeit, E-Mails abzusenden, aber erst zu einem gewünschten Zeitpunkt zuzustellen. So kann man abends Arbeitsergebnisse weitergeben, ohne einen anderen Mitarbeiter in seinem Feierabend zu stören. Anwender, die bereits die Beta 2 des neuen Notes-Clients nutzen, loben die höhere Ausführungsgeschwindigkeit.

Vielleicht das wichtigste Ergebnis der HCL-Entwicklung ist ein Fokus auf Domino-Server beim Kunden. Nicht alle Kunden sind so von der Cloud begeistert wie IBM sich das vorgestellt hat. Vor allem im deutschen Markt gibt es noch viele Anwender, die Daten lieber im eigenen Unternehmen speichern, als sie bei einem Cloud-Anbieter zu speichern. Die wurden in den letzten Jahren aber nicht mehr richtig bedient. Verse wurde zwei Jahre lang nur in der IBM-Cloud angeboten, bevor IBM diese modernisierte Webmail-Anwendung auch "on-premises" anbot. HCL trimmt Verse nun so, dass es auch ohne eine separate Connections-Umgebung gut funktioniert. Speziell bei kleineren Kunden sieht HCL die Möglichkeit mit einem Server, der alles kann, Kunden zu halten.

Im ersten Schritt geht es erst einmal darum, die Kunden von einer weiteren Abwanderung abzuhalten. Einen langfristigen Erfolg können IBM und HCL aber erst verbuchen, wenn Kunden anfangen, in die Plattform zu investieren und neue Applikationen zu entwickeln. Die Stimmung in Frankfurt ist enorm positiv. Wenn #dominoforever wahr werden soll, muss sie anhalten. (vowe)