Von Münster zum Merkur: Infrarotspektrometer soll Merkur-Geheimnisse lüften

Ein schuhkartonkleines Hightech-Mini-Instrument soll die Merkur-Oberfläche erforschen. Das Gerät – MERTIS – ist eine Weltneuheit. Made in Germany.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 11 Kommentare lesen
Von Münster zum Merkur: Infrarotspektrometer soll Merkur-Geheimnisse Lüften

(Bild: ESA-Manuel Pedoussaut)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Yuriko Wahl-Immel
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Es ist eine Weltneuheit, hat die Minimaße eines Schuhkartons – und startet nun zum Merkur. Sieben Jahre fliegt das Hightech-Gerät, mit dem sich nur eine Handvoll Menschen auf dieser Erde auskennt. Das kleine Instrument heißt MERTIS, ist ein Infrarotspektrometer und soll Geheimnisse des Merkurs lüften. Vor allem seine Oberfläche erkunden und auch Puzzleteile liefern, die die Entstehung unseres Sonnensystems verstehen helfen. Planetologe Harald Hiesinger von der Uni Münster ist der wissenschaftliche Leiter von MERTIS. Dessen Start in wenigen Tagen vom Weltraumbahnhof Kourou aus wird er vor Ort verfolgen. Es ist eine Premiere und eine schwierige Mission, wie der Experte kurz zuvor schildert.

Was genau soll das Gerät leisten? "MERTIS zeichnet die Wärmestrahlung auf, die vom Merkur ausgeht. Daraus können wir Aussagen treffen, wie warm die Oberfläche des Merkur ist und wie sie zusammengesetzt ist." Zu den Zielen gehört weiter: "Wir wollen herausfinden, welche Gesteine, welche Minerale auf der Oberfläche auftreten und welche physikalischen Eigenschaften sie haben", erläutert der Professor für Geologische Planetologie der Deutschen Presse-Agentur. Und ob der Merkurkern wirklich flüssig ist.

Der Merkur ist ein extremer Planet, rund 430 Grad heiß, kaum eine Mission hat sich bisher je an den sonnennächsten Planeten herangetraut. Die europäische Raumfahrtagentur ESA und die japanische Agentur JAXA hatten die Idee, gemeinsam eine Mission zum kleinsten Planeten unseres Sonnensystems zu starten. Die Raumsonde "BepiColombo" ist der ESA zufolge die erste Mission Europas zum Merkur. Und 14 Jahre nach der ersten Planung und auch einigen Rückschlägen ist es nun endlich soweit: Eine Ariane-5-Rakete mit den zwei autonomen Wissenschaftssatelliten der Europäer und Japaner ist startklar.

Geplanter Start von Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana ist der 19. Oktober um 22:45 Uhr Ortszeit – nach europäischer Zeit am frühen Morgen des 20. Oktober. Die Flugzeit beträgt sieben Jahre. Im Dezember 2025 – bei Ankunft der Raumsonde in der Ziel-Umlaufbahn am Merkur – sollen sich die beiden Satelliten trennen. Der japanische Satellit MMO erforscht dann das Magnetfeld, der europäische Satellit MPO die Oberfläche. Und dafür braucht es den kleinen MERTIS.

Schon heute hat das weltweit einmalige Messgerät eine längere Vorgeschichte. Es misst nur 13 mal 13 mal 18 Zentimeter, ist mit drei Kilogramm ein Leichtgewicht und braucht extrem wenig Strom, wie Mit-Schöpfer Hiesinger erklärt. Sonst seien Infrarotspektrometer "etwa tischgroß". Aber zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin und einigen Industriepartnern habe man binnen zehn Jahren eine Miniaturisierung geschafft, um das Instrument damit für die Mission raumfahrttauglich zu machen.

Das Vorhaben ist ehrgeizig: "Unser Raumschiff mit den Sonnen-Paneelen für die Energieversorgung muss die extreme Hitze aushalten können", sagt der Experte. Mit mehreren Vorbeiflügen soll sich der Satellit dem Ziel ganz allmählich und exakt nähern, denn: "Wenn wir nicht im richtigen Winkel und mit der richtigen Geschwindigkeit ankommen, wird unser Raumschiff von der Schwerkraft der Sonne eingesaugt." Bei den Vorbeiflügen am Merkur – und zweimal auch an der Venus – kann MERTIS immerhin schon Test-Aufnahmen machen.

Das Ganze erfordert große Geduld. 2007 hat Hiesinger das Projekt übernommen, elf Jahre daran gearbeitet – und sieben Jahre braucht es nun noch, bis die Messdaten vom Merkur kommen. "Wir hatten viele technische Probleme und Startverzögerungen. Natürlich möchte ich meine Messdaten am liebsten jetzt sofort haben, aber im Raumfahrtgeschäft dauert es eben."

Was erhofft er? Viele Antworten. Warum hat der Merkur so einen ungewöhnlich großen Eisenkern? Wie ist der entstanden? Wieso gibt es bei der Megahitze Wassereis-Ablagerungen auf den Kraterböden an den Polen? Wie ist die Oberfläche entstanden, wie zusammengesetzt? Wohl schon vorher so gut wie ausgeschlossen ist dagegen laut Hiesinger: "Ich würde keinesfalls so weit gehen, Leben auf dem Merkur zu erwarten."

Die Technik hat sich in der langen Zeit der MERTIS-Konzipierung natürlich längst weiterentwickelt, weiß der Forscher. "Was zum Beispiel die Computerchips anbelangt, da ist man heute sehr viel weiter als damals, als wir das Gerät gebaut haben. Das lässt sich leider nicht verhindern."

Und wenn der Spektrometer dann 2025 auf dem Merkur ankommt, gibt es auf der Erde sicher deutlich bessere Bauteile. "Das kann man bei solchen Projekten nicht ändern. Aber für unser spezielles miniaturisiertes Instrument machen wir uns keine Sorgen, dass uns jemand technisch überholen könnte." Etwas bekümmernd ist allerdings: "Die Reise zum Merkur ist eine Einbahnstraße. MERTIS kommt nicht zurück." (bme)