Saudis sollen Kritiker mit bezahlten Online-Mobbern und McKinsey-Daten bekämpft haben

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Der New York Times zufolge spionierte ein heimlicher Doppelmitarbeiter bei Twitter für das Wahhabitenkönigreich

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Den Informationen der New York Times nach hat das Wahhabitenkönigreich Saudi-Arabien den Kronprinzkritiker Jamal Khashoggi nicht nur mit den am Samstag eingeräumten letalen Methoden bekämpft (vgl. Khashoggi: Korrekturen, Lügen und eine Leiche, die verschwunden ist), sondern auch mit bezahlten Online-Mobbern. Diese Online-Mobber wurden dem Bericht nach nicht nur gegen Khashoggi, sondern auch gegen andere Abweichler sowie zur Festigung der öffentlichen Meinung eingesetzt.

Der Zeitung zufolge hatte der jetzt im Zuge der Khashoggi-Affäre entlassene Kronprinzenberater Saud al-Kahtani seit 2010 auf Twitter Beschäftigungsangebote platzieren lassen, die damit warben, das Hobby zum Beruf zu machen und mit dem Versenden von Tweets 10.000 saudische Rial zu verdienen - umgerechnet etwa 2.350 Euro. Dass es sich dabei um Arbeit handelt, die den in der Richtlinie Nr. 1/76 zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge (OV) beschriebenen "Zersetzungsmaßnahmen" der DDR-Staatssicherheit ähnelt, habe man Bewerbern erst verraten, nachdem diese ihre bürgerliche Identität preisgegeben hatten.

Saudi-Prinz hält "strategischen Anteil" an Twitter

Aktuell soll die saudische Zentrale für staatliches Online-Mobbing mehrere Hundert Personen beschäftigen, deren Aufgabe es auch ist, in Sozialen Medien nach Kritikern des Kronprinzen und des Landes zu suchen. Dazu hat man angeblich sogar einen heimlichen Doppelmitarbeiter bei Twitter selbst untergebracht, der Informationen zur Identifikation und andere persönliche Daten liefert. Ausgeschlossen ist das nicht: Immerhin zählt der saudische Prinz Walid bin Talal zu den wichtigsten Investoren des Unternehmens, an dem er seit 2011 einen "strategischen Anteil" hält. Twitter antwortet bislang auf Bitten nach einer Stellungnahme dazu ebenso wenig wie saudische Stellen.

Neben diesen Online-Mobbern nutzte das Ölkönigreich der New York Times zufolge auch Daten des Beraterkonzerns McKinsey, der vor drei Jahren einen neunseitigen bezahlten Bericht dazu ablieferte, wie staatliche Sparmaßnahmen ankommen. In diesem Bericht sollen der Schriftsteller Khalid al-Alkami, der in Kanada lebende Omar Abdulaziz und ein Twitter-User mit dem Nutzernamen "Ahmad" als wichtige Influencer für die negative öffentliche Meinung über die Sparmaßnahmen genannt werden. Den Erkenntnissen der Menschenrechtsgruppe ALQST nach wurde Khalid al-Alkami darauf hin verhaftet. Bei Omar Abdulaziz, der im Ausland lebte, griff man auf zwei seiner Brüder zu. Und beim vorsichtigeren "Ahmad", der anonym twitterte, erwirkte man eine Schließung seines Nutzerkontos.

McKinsey "erschreckt von der Möglichkeit" dass ein "kurzer Überblick über öffentlich einsehbare Informationen" "missbraucht" worden sein könnte

Anders als Twitter und das Ölkönigreich gab McKinsey dazu eine Stellungnahme ab, in der es heißt, man sei "erschreckt von der Möglichkeit" dass der "kurze Überblick über öffentlich einsehbare Informationen" "missbraucht" worden sein könnte. Der Auftrag habe keine Identifikation von Kritikern beinhaltet und man hätte so eine Aufgabe auch niemals übernommen. Dazu, ob das Papier die Namen der drei Kritiker enthält, wird nichts Konkretes gesagt.

Amerikanische Unternehmen sagen Teilnahme an "Wüsten-Davos" ab

Auch andere Unternehmen möchten nach den Enthüllungen in der Affäre Khashoggi anscheinend nicht mehr allzu eng mit dem Wahhabitenkönigreich in Verbindung gebracht werden: Der Automobilkonzern Ford, der Fahrdienstvermittler Uber, die amerikanische Bank JP Morgan, der Finanznachrichtendienst Bloomberg, die Financial Times und der Fernsehsender CNN sagten inzwischen ihre geplante Teilnahme an der als "Wüsten-Davos" bekannten Konferenz der Future Investment Initiative (FII) in Riad ab.

Bei einem anderen Unternehmen mit eher guten Kontakten nach Saudi-Arabien - dem deutschen Fußballverein FC Bayern München - war heute Vormittag niemand für einen Kommentar dazu erreichbar, wie sich die Affäre auswirkt. Am Freitag hatten der FC-Bayern-Präsident Ulrich Hoeneß, der FC-Bayern-Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge und der FC-Bayern-Sportdirektor Hasan Salihamidzic Medien mit Maßnahmen gedroht, wenn sie kritisch berichten, was bislang allerdings eher auf sportliche Leistungen bezogen wird. Ebenfalls nicht für eine Stellungnahme gegenüber Telepolis erreichbar war die SPD-Politikerin Sawsan Chebli, über die der Spiegel in seiner Ausgabe 29/2018 geschrieben hatte, sie "protze mit ihren Kontakten ins saudische Königshaus".

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