Die All-Machtsfantasie

Mit der Space Force will die US-Regierung eine neue Militäreinheit für die Kriegsführung aus dem Weltraum etablieren. Dabei hat die Aufrüstung im All längst begonnen.

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Die All-Machtsfantasie

Raumstation Pentagon: Mit einer Space Force will die USA um die Vormacht im All kämpfen.

(Bild: Fotomontage: Shutterstock)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Alexander Stirn

Weltraumkrieger, die mit Laserwaffen auf andere Weltraumkrieger zielen. Raumschiffe, die sich mit ihren Photonentorpedos gegenseitig in die Luft jagen. Killersatelliten, vielleicht sogar Todessterne, die aus dem All die Erde ins Visier nehmen. Die Fantasie kannte wenig Grenzen, als US-Präsident Donald Trump ankündigte, erstmals seit 70 Jahren wieder eine neue Teilstreitkraft des US-Militärs zu schaffen – die Space Force. Und meist war die Fantasie angetrieben von Spott, wie viele der Logos zeigen, die schon kurz nach der Ankündigung im Netz zu finden waren. Und tatsächlich kann man den Plan als Machogehabe sehen, man kann darauf verweisen, dass der US-Kongress noch zustimmen muss – was keinesfalls sicher ist. Aber eines sollte man nicht tun: ihn für Spinnerei halten. Denn die Aufrüstung des Alls ist längst im Gang – ob mit oder ohne Space Force.

Im Weltraum kreist Infrastruktur, die für das Funktionieren moderner Gesellschaften von immenser Bedeutung ist. Ohne die derzeit 1200 aktiven Satelliten gäbe es kein Navigationssystem, kein Internet, keine Flugverbindung. Aber nicht nur für den Alltag der Menschen, „auch für das US-Militär ist der Weltraum eine wichtige Voraussetzung“, sagt Todd Harrison, Direktor für Luft- und Raumfahrtsicherheit beim amerikanischen Center for Strategic and International Studies.

Allein für das Pentagon kreisen derzeit rund 160 Satelliten um die Erde – mehr als alle zivilen und militärischen Satelliten Russlands zusammen. Die Späher sind verantwortlich für Aufklärung und Kommunikation, sie steuern Bomben und sollen rechtzeitig vor feindlichen Nuklearschlägen warnen. Aber auch auf dem Boden geht ohne Unterstützung aus dem All kaum etwas: In einer typischen Kampfbrigade kommen mehr als 3000 Ausrüstungsgegenstände zum Einsatz, die auf GPS-Signale angewiesen sind. Rund 300 Geräte benötigen zudem Satellitenkommunikation. Das amerikanische Heer besitzt eigens Experten, die in Kriegsregionen den Streitkräften vor Ort bei Kommunikation und Navigation helfen, bei der Auswertung von Satellitenbildern und von Wetterdaten. Kein Wunder, dass sich das Pentagon die Unterstützung aus dem All jährlich knapp 20 Milliarden Dollar kosten lässt. Sie ist „gleichzeitig aber auch eine kritische Schwachstelle“, sagt Harrison. Entsprechend nervös überwacht das US-Militär das Treiben dort oben.

Beim Strategischen Kommando der USA, dem unter anderem die Atomstreitkräfte unterstehen, kümmert sich das Joint Space Operations Center um das Wohlergehen der Satelliten. Es überwacht Weltraumschrott, Raketenstarts, verdächtige Annäherungen. Vor allem aber widmet sich die amerikanische Luftwaffe, die Air Force, dem All: Etwa 90 Prozent der militärischen Weltraumaktivitäten der USA unterstehen dem Air Force Space Command mit seinen 36000 Mitarbeitern und einem Budget von 8,5 Milliarden Dollar.

Denn Möglichkeiten, die Weltraum-Infrastruktur anzugreifen, vorübergehend lahmzulegen oder sogar zu zerstören, gibt es viele – zumindest auf dem Papier: Bodengestützte Anti-Satelliten-Raketen können die Späher mit einer gezielten Kollision ausschalten. Andere Satelliten können sich nähern, Projektile abfeuern oder die gegnerischen Trabanten mit einem Greifarm außer Gefecht setzen. Auch auf elektromagnetischem Weg lässt sich viel Schaden anrichten: Energiereiche Mikrowellen können die Elektronik von Satelliten grillen, Laser blenden die Optik, Störsender machen Satellitensignale unbrauchbar oder verändern sie gezielt. Und nicht zuletzt sind Hacker und Cyberattacken eine Gefahr. „Russland und China zielen darauf ab, zerstörerische und nicht-zerstörerische Waffen gegen unsere Weltrauminfrastruktur zu entwickeln – und sie wollen diese Technik in künftigen Konflikten gegen uns einsetzen“, behaupten die US-Geheimdienste im aktuellen „Worldwide Threat Assessment“, einer jährlichen Analyse der Sicherheitslage. Bereits „in wenigen Jahren“ werde die dafür benötigte Technologie einsatzbereit sein.

(rot)