Post aus Japan: Zentimetergenau unterwegs

Nippon hat am 1. November ein Ortungssystem in Betrieb genommen, das fast zentimetergenaue Positionierung erlaubt. Dies gilt als wichtiger Schritt auf dem Weg zum autonomen Fahren.

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Post aus Japan: Zentimetergenau unterwegs

(Bild: Jaxa)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Martin Kölling
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Wenn es um intelligente Infrastruktur für Autos geht, sind Japaner nicht zu schlagen. Seit 20 Jahren sind bereits interaktive Navigationssysteme Standard, die die Verkehrslage an Autos übermitteln können. Denn die Regierung ist in Vorlage gegangen und hat Autobahnen und Hauptstraßen mit Sensoren, Infrarotsendern und -empfängern und Kameras gesäumt. Nun hat die Regierung dieses System ins All ausgedehnt. Seit 1. November ist eine fast zentimetergenaue satellitengestützte Positionierung in Japan möglich, selbst in den Schluchten von Bergen und Hochhausvierteln in den Megacities.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Ein Kernstück des Konzepts ist das Quasi-Zenit-Satellitensystem QZSS. Über die vergangenen Jahre hat die Regierung vier Satelliten namens Michibiki ins All geschossen, die so über Asien Kreisen, dass einer immer genau über der Insel steht. Die Satelliten können zwar mehr als nur orten: Die Regierung kann ihn auch als Kommunikationsinstrument nutzen, um bei Naturkatastrophen oder Terrorangriffen Informationen oder Evakuierungsbefehle an die Bürger zu übermitteln. Aber seine Hauptanwendung wird im Transportwesen angesiedelt, Traktoren und Baumaschinen inklusive. Denn die Japaner haben mit dem Gesamtsystem ein Problem von GPS gelöst: die mangelnde Genauigkeit.

Bisher können die GPS-Systeme für den Massengebrauch die von Position von zum Beispiel Autos nur auf mehrere Meter genau bestimmen. Das ist vielleicht ausreichend für heutige Navigationssysteme, die nicht dem Auto als Orientierungshilfe dienen, sondern dem Fahrer. Aber um autonomes Fahren zu erleichtern sind hochpräzise 3D-Karten kombiniert mit hochpräziser Ortung extrem hilfreich, damit das Auto weiß, wo es fährt und was auf es zukommt.

Noch größer ist das Problem in den Hochhausschluchten Tokios oder den Bergen, die einen Großteil Japans ausmachen. Dort dauert es bisher oft lange, bis die Empfänger genügend Satelliten zur Ortsbestimmung am Himmel ausmachen konnten. Das neue System löst im All das Ortungsproblem, in dem es quasi im Staffellauf der Satelliten eine geostationäre Lage der Trabanten simuliert.

Ergänzt wird das System durch über 1000 Sensoren auf der Erde, die die Störungen in der Ionosphäre messen, die bisher die Satellitenortung so ungenau machen. Mit Hilfe der Messdaten können Empfänger dann eine sehr genaue Position errechnen. Bis 2023 ist der Start von drei weiteren Michibiki-Satelliten geplant, die von Mitsubishi Electric gebaut werden. Dann wird das System noch verlässlicher und genauer. Und noch besser: das Konsortium Konsortium Dynamic Map Platform hat bereits eine Technik eingeführt, mit der Japans Straßenkartenanbieter hochpräzise 3D-Karten von Autobahnen erstellt haben.

Der Regierung schweben auch schon eine Reihe von Anwendungen vor – über die Autonavigation hinaus. Fußgänger sollen künftig auch verlässlich auf ihren Smartphones sehen können, auf welcher Straßenseite sie gehen. Transportunternehmen können damit zudem ohne Unterbrechung ihre Lastwagen verfolgen, erklärt die Homepage der Regierung.

Schiffe, Flugzeuge und Züge sollen ebenfalls davon profitieren. Und auf Baustellen könnten autonome Bagger, Bulldozer und Laster genauer wissen, wo sie gerade Erdreich bewegen. Außerdem hofft die Regierung, auch in der e-Landwirtschaft zu den hochautomatisierten Farmen in den USA aufzuschließen.

In Japan müssen die Bauern mit ihren kleinen und oft weiträumig verteilten Feldern noch sehr analog erinnern und bearbeiten. Aber durch die genaue Vermessung von Feldern soll das Management digitalisiert und letztlich selbst die autonome Fahrt von landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen ermöglicht werden.

Das hört sich alles plausibel an. Nur an einen Vorschlag vermag ich nicht so recht zu glauben: Die Planer meinen, dass damit auch ein satellitengestütztes Mautsystem möglich wird. Bisher stehen an den Einfahrten und Ausfahrten von Autobahnen und mautpflichtigen Straßen in der Regel automatisierte und bemannte Kassenhäuschen. Die einzusparen würde nicht nur die Betriebskosten senken, sondern auch ein stauproduzierendes Element aus der Straße nehmen.

Das Problem: Dies wird nur auf dem Land funktionieren, nicht aber in den Städten. Denn die Stadtautobahnen wurden aus Platzgründen oft über mautfreie Hauptstraßen gebaut. Ohne zusätzliche Daten kann das System daher wohl kaum wissen, ob das Autos auf oder unter der Autobahn fährt. Außerdem sind bis heute noch nicht einmal alle Autos mit Chipkarten für die automatisierte Mautabbuchung ausgerüstet. Ein solches System dürfte daher erst realisiert werden, bis die letzten noch analogen Autos verschrottet werden. Immerhin hat Japan bereits jetzt eine Technik eingeführt, die die Verbreitung von autonomen Autos und neuer Dienste fördern kann.

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