Zahlen, bitte! 99,965 % absorbiertes Licht für fast perfektes Schwarz

Eigentlich für Messtechnik entwickelt, fasziniert die Vantablack-Beschichtung mit 99,965% absorbiertem Licht und dadurch einem scheinbar perfekten Schwarz.

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Zahlen, bitte! 99,965 % absorbiertes Licht für fast perfektes Schwarz
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Inhaltsverzeichnis

Vantablack (VANTA = Vertically Aligned Nano Tube Array – senkrecht angeordnetes Nanoröhren-Raster) ist eine Beschichtung, die 99,965 % des einfallenden Lichtes absorbiert (gemessen in einer Wellenlänge von 750 nm). Das bedeutet, dass die damit behandelten Objekte für den Betrachter scheinbar jegliche Oberflächenbeschaffenheit verlieren, da selbst bei starker Lichteinstrahlung praktisch keine Konturen mehr erkennbar sind.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Dieser Anblick sorgt für eine Mischung aus Faszination und Grusel, da ein derartiges “verschlucken“ von Licht für das Gehirn ungewohnt ist (normale schwarze Farbe absorbiert in der Regel höchstens 95% des auftreffenden Lichtes). Man möchte daher schon anhand der Fotos meinen, die schwarzen Bereiche seien gephotoshopt.

Nein, kein portables Loch von ACME, sondern die Vantablack-Beschichtung, aufgetragen auf Alufolie. Es ist mit bloßem Auge keinerlei Struktur mehr erkennbar.

(Bild: CC BY-SA 3.0 - Surrey NanoSystems)

Vantablack ist dabei keine Farbe im landläufigen Sinn, sondern – wie der Name schon sagt – ein Raster aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen. Dabei besitzt jedes einen Durchmesser von circa 20 Nanometer (zum Vergleich: Ein durchschnittliches Kopfhaar mit dem Durchmesser 0,07 mm ist 3500 mal so dick). Die Länge wiederum variiert zwischen 14 und 50 Mikrometer. Eine Fläche von einem Quadratzentimeter enthält ungefähr eine Milliarde dieser Nanoröhrchen. Trifft nun Licht auf diese Anordnung, wird es zwischen den Röhren etwa drei bis viermal untereinander reflektiert, um dann absorbiert und in Wärme umgewandelt zu werden.

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Reflektiert wird somit nur Licht, das oben auf die Spitzen trifft. Vereinfacht gesagt wäre das ungefähr so, als stünde man in einem dichtem Wald aus Bäumen, die allesamt mehrere Tausend Meter hoch sind. Dabei sind UV-Licht (200-350 nm Wellenlänge), sichtbares Licht (350-700 nm) , sowie im Infrarotbereich (>16 Mikrometer) gleichermaßen ohne spektrale Reflexionseigenschaften.

Diese ursprünglich für hochpräzise Regel- und Messtechnik entwickelte Beschichtung bietet noch weitere Möglichkeiten: Insbesondere in optischen Geräten wie Kameras oder Teleskopen kann diese Beschichtung störendes Streulicht z. B. innerhalb von Tuben und Objektiven oder am Amaturenbrett unter Auto-HeadUp-Displays minimieren. Zudem besitzt es vor allem für die Raumfahrt ideale Eigenschaften: Es ist sehr temperaturunempfindlich und dabei hoch leitfähig. Natürlich bieten sich auch militärische Anwendungen an.

Der Einsatzbereich liegt zwischen -196 °C (nicht weit vom absoluten Nullpunkt entfernt) und 400 °C. Dabei sind zudem schnelle Temperaturschwankungen gar kein Problem. Bei Proben, die aus flüssigem Stickstoff herausgenommen und direkt auf 300 °C heiße Herdplatten gelegt wurden, ließen sich keine nennenswerten Beeinträchtigungen feststellen. Außerdem ist Vantablack sehr vibrationsresistent und lässt Wasser aufgrund der Struktur mit einem Lotusblüteneffekt abperlen. Und es ist sehr leicht: Ein Quadratmeter wiegt ganze 2,5 Gramm.

Der Haken an der Sache ist allerdings, dass Vantablack berührungsempfindlich ist, da beim Anfassen die Nanostruktur beschädigt und damit die Lichtabsorption beeinträchtigt werden kann. Zumal durch eine Beschädigung freigesetzte Nanoröhrchen eine ähnliche Gesundheitsgefährdung wie Asbest-Fasern darstellen können.
Außerdem ist das Auftragen der Beschichtung extrem aufwändig. Die Beschichtung wird im Labor erzeugt unter Einbeziehung einer Vakuumkammer, in der die chemische Gasphasenabscheidung (CVD) bei Temperaturen von etwa 500 °C stattfindet. Zudem: Mit einem Preis, der eine Goldbeschichtung übersteigt, ist es nicht ganz billig.

Einfacher in der Handhabung ist Vantablack-S-VIS-Beschichtung, die nur etwa 99,77 % des Lichts schluckt und aufgesprüht werden kann. Bei Berichten, dass es Vantablack-Sprühdosen zu kaufen gibt, wie in einigen Onlineportalen zu lesen war, handelt es sich aber um eine Falschmeldungen.

Die britische Regierung hat jeglichen Techniktransfer außerhalb des Vereinigten Königreiches streng reglementiert. Demonstrationsstücke werden nur an Institutionen verkauft. Für Privatleute bleiben höchstens Acessoires wie eine Armbanduhr, mit entsprechend dunklem Zifferblatt, zum Preis von über 100.000 Euro. Oder man nimmt noch mehr Geld in die Hand, ist Künstler und sichert sich die Nutzungsrechte wie der britische Bildhauer Anish Kapoor.

Mit Vantablack beschichtete Alufolie - Das schwarze Stück wirkt wie mit Photoshop ausgeschnitten, da es keinerlei Informationen über die Beschaffenheit des Materials freigibt.

(Bild: CC BY-SA 3.0 Surrey NanoSystems)

Er bewies ein bemerkenswertes Verständnis von Kunstfreiheit: Kapoor sicherte sich exklusiv die künstlerischen Rechte an der Vantablack-Farbe, sodass nur er mit dem Verfahren arbeiten darf, und löste damit einen heftigen Farb-Streit mit Kollegen wie Stuart Sample oder Christian Furr aus, die ebenfalls mit Vantablack künstlerisch tätig werden wollten.

Wie ein Beweis der Fähigkeiten von Vantablack stürzte ein Besucher einer Kunstausstellung in Portugal in ein 2,6 Meter tiefes, mit Vantablack präpariertes Loch, in der Annahme, es sei nur aufgemalt. Welche Möglichkeiten ein solches System außerdem bieten kann, erlebten Gamingnerds in einem komplett mit Vantablack beschichteten und absolut dunklen Raum: Sie durften darin (hier im wahrsten Sinne des Wortes) Black Ops 4 spielen.

Der Nachfolger vom ursprünglichen Vantablack ist aus dem gleichen Hause: Vantablack 2.0. Die Forscher sind darauf gestoßen, als sie versuchten, die Leistung zu verbessern. Hierbei ist noch gar nicht raus, um wieviel besser die neue Beschichtung ist - da die Messgeräte das nicht mehr messen konnten. Selbst Laserpunkte werden verschluckt.

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(mawi)