Roboter Centauro: Ein Vierbeiner mit Allradantrieb

Das EU-Forschungsprojekt Centauro ist fertig: Der vierbeinige Roboter dürfte ein Vorbild für künftige Helfer bei Katastrophen sein.

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Roboter Centauro: Ein Vierbeiner mit Allradantrieb

Die vier Beine ermöglichen eine große Beweglichkeit.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske/heise online)

Lesezeit: 10 Min.
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  • Hans-Arthur Marsiske
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Zentauren, Mischwesen aus Pferd und Mensch, galten in der griechischen Mythologie als wilde und lüsterne Zeitgenossen. Davon kann bei dem Roboter, der jetzt in Bonn der Öffentlichkeit präsentiert wurde, keine Rede sein: Centauro, der Vierbeiner mit dem humanoiden, zweiarmigen Oberkörper, ist nur äußerlich von den antiken Fabelwesen inspiriert. Als Helfer für Rettungseinsätze konzipiert, bewegte er sich langsam und kontrolliert und war weit davon entfernt, über die Stränge zu schlagen.

Die Präsentation erfolgte zum Abschluss des EU-Forschungsprojekts Centauro, das seit April 2015 an der Entwicklung des Roboters gearbeitet hat. Koordiniert von der Universität Bonn widmeten sich die Projektpartner aus Deutschland, Italien und Schweden insbesondere den Problemen, die sich nach der Kernreaktorkatastrophe in Fukushima gezeigt hatten. Schwachpunkte der dort eingesetzten Roboter seien insbesondere die Mobilität, die Handhabungsfähigkeiten und die Benutzerschnittstellen gewesen, erläuterte Projektkoordinator Sven Behnke.

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Zur Verbesserung der Mobilität ist Centauro mit vier Beinen ausgestattet, an deren Enden sich lenkbare Räder befinden. Je nach Umgebung kann der Roboter daher fahren oder laufen, was bei der Präsentation mit dem Überschreiten eines schmalen Grabens demonstriert wurde. Autonome Fähigkeiten unterstützen dabei den Operator, der nur den Zielpunkt für den nächsten Schritt markieren muss, den der Roboter dann selbstständig ausführt. Centauro soll auch in der Lage sein, das Gelände selbst einzuschätzen und befahrbare Bereiche sicher zu erkennen.

Die Handhabung soll durch den Einsatz von zwei Armen verbessert werden. Diesen Aspekt hält Uwe Süss von der Kerntechnischen Hilfsdienst GmbH (KHG) für besonders interessant. Die KHG, die als Projektpartner die Anwenderseite repräsentiert, hält für den Einsatz bei Störfällen in Atomkraftwerken eine Flotte von Robotern in unterschiedlichen Größen bereit. Bislang gebe es aber keinen Roboter mit zwei Armen. "Es sind aber viele Situationen denkbar, in denen zwei Arme erforderlich sind, etwa um eine Steckverbindung von zwei Kabeln herzustellen", erläuterte Süss.

Centauro (25 Bilder)

In der Kaffeeküche der Bonner Informatiker erinnert ein Plakat an den Erfolg ihres Teams NimbRo bei der Darpa Robotics Challenge…
(Bild: Hans-Arthur Marsiske/heise online
)

Mit den derzeit verfügbaren Robotern wäre das schwierig bis unmöglich. Auch hier wird der Operator zudem durch Centauros autonome Fähigkeiten unterstützt, der lernen kann, Werkzeuge zu erkennen und sicher zu greifen. Dieses Wissen soll er auch auf bislang unbekannte Werkzeuge, die geringfügig von den gelernten Objekten abweichen, übertragen können. Bei der Präsentation war zu sehen, dass der Griff zum Akkuschrauber autonom tatsächlich präziser erfolgte als später durch den Operator: Der nahm das Gerät zwar in die Hand, wäre aber wegen eines falsch positionierten Fingers wohl nicht in der Lage gewesen, den Startknopf zu drücken.

Für die Steuerung des Roboters setzen die Forscher auf Telepräsenz: Mithilfe eines Head-mounted Displays kann sich der Operator in den Roboter hineinversetzen. Aus den Daten der Sensoren wird ein Modell der Umgebung erstellt und ständig aktualisiert. In dem kann sich der Operator umsehen, als wäre er selbst vor Ort. Die Bewegungen steuert er über ein Exoskelett, das die Bewegungen seiner Arme und Hände direkt auf den Roboter überträgt, zugleich aber auch die Kräfte, die bei der Berührung und Handhabung von Objekten auftreten, an den Operator zurückmeldet. Diese Kraftrückkopplung ist für die Situationswahrnehmung sehr wichtig. Ohne sie sei der Operator praktisch blind, sagen die Forscher von der Scuola Superiore Sant‘Anna in Pisa, die dieses System entwickelt haben.

Die Bewegungen der vier Roboterbeine lassen sich von einem zweibeinigen Menschen natürlich nicht über ein Exoskelett steuern. Hierfür stehen dem Operator zum einen Pedale zur Verfügung. Zum anderen lässt sich der Roboter aber auch konventionell über Joystick und Monitor steuern. Beachtlich ist die Kraft der Gliedmaßen: In einem Video war zu sehen, wie Centauro mit dem Fuß einen 45 kg schweren Betonklotz zur Seite schob und mit einem Arm ein 12-Kilo-Hantel hob.

Trotz der bemerkenswerten Eigenschaften wird der Roboter aber nicht bei realen Unglücksfällen zum Einsatz kommen. Centauro sei ein Forschungsprojekt, das den Stand der Technik voranbringen, aber nicht in ein Produkt münden sollte, erläutert Behnke im Interview mit heise online. Nachdem die Tauglichkeit des Konzepts aber so eindrücklich demonstriert wurde, dürften die Chancen, zentaurenartige Roboter eines Tages bei realen Rettungsarbeiten zu erleben, dennoch nicht schlecht stehen.