Für immer am Rand des Weltraums

Ein spezieller Windsensor soll dafür sorgen, dass hoch fliegende Ballons stets die richtigen Winde erwischen. Dadurch könnten sie dauerhaft ein bestimmtes Gebiet beobachten oder mit Kommunikationsdiensten versorgen.

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Für immer am Rand des Weltraums

(Bild: X Company / Loon)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • David Hambling

Die Vorstellung von Ballonen, die unbegrenzt lange weit über der Erde schweben, ist faszinierend. Dank Solarstrom könnten diese Stratosphären-Ballons funktionieren wie kostengünstige Satelliten am Rand des Weltraums und von dort aus Kommunikationsdienste für abgelegene Regionen oder Katastrophen-Gebiete bereitstellen, Stürme beobachten oder Verschmutzung auf dem Meer kontrollieren. Eines Tages könnten sie sogar Touristen so nah an den Weltraum bringen, dass die Krümmung der Erde zu sehen ist.

Diese Ideen sind nicht neu. Tatsächlich ließ die Nasa schon in den 1950er Jahren die ersten Stratosphären-Ballons fliegen und nutzt sie noch heute für wissenschaftliche Missionen. Vor kurzem hat zudem das Project Loon der Google-Muttergesellschaft Alphabet solche Ballons für mobile Kommunikation nach dem Hurrikan Maria in Puerto Rico eingesetzt.

Allerdings gibt es dabei einen großen Haken: Heutige Ballons folgen dem Wind und können jeweils nur einige Tage über demselben Gebiet bleiben. Im Bereich der Stratosphäre in ungefähr 18.000 Metern Höhe wehen Winde in unterschiedlichen Höhen in unterschiedliche Richtungen. Theoretisch müsste es deshalb möglich sein, immer die gewünschte Richtung zu finden, indem man die Höhe verändert. Mit Maschinenlernen und besseren Daten wird das erleichtert, doch der Fortschritt ist schleppend.

Jetzt aber glaubt die Darpa, der Forschungsarm des US-Verteidigungsministeriums, das Problem in den Griff bekommen zu haben. In ihrem Ballon-Programm Adaptable Lighter-Than-Air testet sie einen Windsensor, der die Erkennung von Windgeschwindigkeit und -richtung aus großer Entfernung ermöglichen soll. Auf dieser Grundlage könnten die für das Verbleiben am selben Ort nötigen Anpassungen vorgenommen werden. Das ALTA-Programm läuft schon seit einiger Zeit, wurde aber erst im September veröffentlicht.

„Indem wir höher fliegen, hoffen wir, von einer größeren Bandbreite an Winden profitieren zu können“, sagt der ALTA-Projektmanager Alex Walan. ALTA soll auf noch größeren Höhen operieren als Loon: zwischen 22.900 und 27.400 Metern, wo die Winde schlechter vorhersagbar sind. Wenn der Ballon exakt erkennen kann, wo die richtigen sind, sollte das aber kein Problem sein.

Der Windsensor, genannt STRAT-OAWL (kurz für „stratospheric optical autocovariance wind lidar”), ist eine neue Version eines Geräts, das ursprünglich für NASA-Satelliten entwickelt wurde. Das von Ball Aerospace produzierte Gerät strahlt Lichtpulse in die Luft. Ein kleiner Bruchteil dieser Strahlen wird reflektiert, und dieses Licht mit einem Teleskop eingefangen. Die Wellenlänge des reflektierten Lichts verändert sich leicht in Abhängigkeit davon, wie schnell sich die Luft bewegt, von der es reflektiert wurde; dies wird als Doppler-Verschiebung bezeichnet. Durch die Analyse dieser Verschiebung kann OAWL Windgeschwindigkeit und -richtung bestimmen.

Anders als andere Windsensoren blickt OAWL in zwei Richtungen gleichzeitig, was bessere Messungen ermöglicht. „Das ist, wie wenn man mit zwei offenen Augen schaut statt mit einem“, sagt Sara Tucker, Lidar-Systemingenieurin bei Ball Aerospace.

Frühere Versionen von OAWL kamen in Flugzeugen zum Einsatz und maßen Winde in mehr als 14 Kilometern Entfernung mit einer Genauigkeit von über einem Meter pro Sekunde. Das Hauptproblem bei Strat-OAWL bestand darin, Größe, Gewicht und Energiebedarf auf die ALTA-Ballons abzustimmen.

Über militärische Anwendungen für die ALTA-Technologie darf Walan nicht sprechen. Aber ein Sensor mit hoher Auflösung, der dauerhaft 25 Kilometer über einem Kriegsgebiet positioniert wird, könnte sehr nützlich sein. Militärflugzeuge erreichen Höhen bis maximal 20 Kilometer, sodass sie Loon-artige Ballons abfangen könnten. ALTA mit seiner größeren Flughöhe wäre ein schwierigeres Ziel. Der Ballon könnte sichere Kommunikation oder Navigation unterstützen und als Mutterschiff für Drohnen dienen.

Das ALTA-Testflugprogramm hat bereits begonnen. Die Flüge dauern bislang bis zu drei Tage und sollen zunehmend verlängert werden.

Auch jenseits des Militärs könnte die Technologie Anwendung finden. Unternehmen wie WorldView sprechen von „Tourismus im nahen Weltraum“: eine Passagier-Kapsel wird in Höhen gebracht, von denen aus die Schwärze des Weltalls und die Krümmung der Erde zu sehen sind. Zuverlässige Navigation, wie sie mit OAWL möglich wird, würde solche Ausflüge deutlich sicherer machen. Und es könnte kommerziellen Fluggesellschaft ein Werkzeug geben, um Turbulenzen zu erkennen und zu umgehen.

Der ALTA-Ballon selbst wird produziert von Raven Aerostar, das auch die Loon-Ballons fertigt. Derartige Technologie bringe Ballons deutlich näher, die unbegrenzt lang in der Luft bleiben können, sagt Scott Wickersham, Geschäftsführer des Unternehmens – und dies werde verschiedenste Anwendungen möglich machen. „Ich glaube, in Zukunft werden Stratosphären-Ballons so verbreitet sein wie heute Verkehrsflugzeuge“, sagt Wickersham.

(sma)