Tom Cruise will nicht nach Seifenoper aussehen

Motion-Interpolation soll TV-Bilder flüssiger machen. Aber Spielfilmen bekommt die Funktion nicht.

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  • Anton Weste

Es gibt viele Menschen, die recht schnell mit der Qualität ihres TV-Bildes und -Tons zufriedenzustellen sind. Matschige Standardauflösung, ein bisschen zu grelle Farben, Stereo-Ton falsch herum eingestellt – alles nicht schlimm, so lange die Sendung unterhaltsam ist. Ich bewundere diese Fähigkeit zur Immersion.

Ich bin nicht so. Ich genieße meine gut abgestimmte Surround-Anlage im Heimkino. Und nehme die höhere Bildauflösung einer Blu-ray im Vergleich zur DVD wahr. Besonders bei Filmproduktionen reagiere ich empfindlich auf Qualitätseinbußen.

Seit kurzem ist unter Heimkino-Fans Motion-Interpolation oder Motion Smoothing, wie es im Englischen heißt, im Gespräch. Weil Tom Cruise daüber spricht. Diese Funktion der meisten modernen Fernseher soll ein flüssigeres Bild ergeben. Motion-Interpolation rechnet die Inhalte aus einer Videoquelle auf eine Bildfrequenz von 50 oder 60 Bildern pro Sekunde hoch. Dafür generieren Algorithmen neue Zwischenbilder, die aus dem vorherigen und nachfolgenden Originalframe erstellt werden.

Das erzeugt beispielsweise bei HD-Sportübertragungen scharfe Konturen und flüssige Bewegungen. Aber es gibt ein Problem: Kinofilme werden aus historischen Gründen mit nur 24 Bildern pro Sekunde aufgezeichnet. An diesen spezifischen "Kino-Look" sind Generationen von Zuschauern gewöhnt und sie assoziieren ihn mit hochwertigen Filmproduktionen. So lange auf dem heimischen Fernseher Filme im analogen oder digitalen PAL-Format mit 25 Bildern pro Sekunde gezeigt werden, ist der Unterschied gering genug, um den Kino-Look zu erhalten. Ganz anders mit Motion-Interpolation, die bei vielen Fernsehern automatisch voreingestellt ist. Das Bild wirkt dann flach, künstlich, blass – mehr billige Vorabendserie als Blockbuster.

Dass höhere Bildraten beim Film nicht bei jedem ankommen, musste schon Regisseur Peter Jackson 2012 erfahren. Er brachte "Der Hobbit - Eine unerwartete Reise" im HFR-Format (High Frame Rate) von 48 Bildern pro Sekunde in die Kinos. Dass ging gegen die Sehgewohnheiten vieler Zuschauer.

Tom Cruise trieb das ausreichend um, um anlässlich des Blu-ray-Starts seines Films "Mission: Impossible - Fallout" auf Motion-Interpolation hinzuweisen. In einer Videobotschaft auf twitter erklärte er, dass es für den Filmgenuss dieses und aller anderen Spielfilme am besten sei, die Funktion auszuschalten.

Auch andere Kreative in Hollywood beklagen sich über Motion-Interpolation. Regisseur Rian Johnson ("Star Wars - Die letzte Jedi") bezeichnete das Verfahren als "flüssiger Durchfall". Christopher Nolan ("Interstellar") und Paul Thomas Anderson ("There will be Blood") adressierten einen offenen Brief an TV-Hersteller, um die Funktion benutzerfreundlicher zu machen. "Es ist wichtig, dass wir diese neuen Technologien so nutzen, dass die Zuschauer daheim unsere Arbeit so nah wie möglich an unserer ursprünglichen künstlerischen Absicht sehen", schrieben sie.

Die Vorteile einer höheren Bildwiederholrate liegen auf der Hand. Und sie werden sich langfristig wohl auch bei Spielfilmen gegen aussterbende Sehgewohnheiten durchsetzen. Aber bis dahin gibt es hilfreiche Anleitungen, wie man beim eigenen TV-Gerät die Motion-Interpolation ausschalten kann. Ich wünsche ungetrübten Filmgenuss, egal bei welcher Bildfrequenz.

(anwe)