Klimaschutz: Was geschehen müsste

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Die Energie- und Klimawochenschau: Von steigenden Emissionen, notwendigen Anstrengungen, fehlendem politischen Willen und einem Brand in der Atomfabrik Lingen

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Die globalen Kohlendioxid-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger sind 2017 wieder gestiegen und haben einen Rekordwert von 37,1 Milliarden Tonnen erreicht. Dies geht aus einer in der letzten Woche veröffentlichten Stellungnahme des Global Carbon Projects hervor. Die Ergebnisse wurden zeitgleich in den drei Fachzeitschriften Nature, Environmental Reseach Letters und Earth System Science Data veröffentlicht.

Beim Golbal Carbon Project handelt es sich um ein internationales Gemeinschaftsunternehmen verschiedener Universitäten und Forschungsinstitute in den USA, Norwegen, Frankreich, Australien, Thailand, Deutschland, Brasilien, Großbritannien, Indien, den Niederlanden, China, Japan, Südkorea, Polen und Österreich. Die Geldgeber sind ebenso international.

Mit dabei sind auch die Umweltministerien Australiens und Japans, also zweier Staaten, die sich in den internationalen Klimaschutzverhandlungen bisher nicht gerade durch vorantreibende Diplomatie ausgezeichnet haben.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Emissionen 2018 um 2,7 Prozent gestiegen sind (Fehlerbereich: 1,8 bis 3,7 Prozent) Das wäre seit mehreren Jahren der stärkste Anstieg. 2017 legten die Emissionen um 1,6 Prozent zu. Davor hatte es zum ersten Mal in Nicht-Krisenzeiten für drei Jahre Stillstand gegeben.

Regenwald in Gefahr

Weitere rund fünf Milliarden Tonnen CO2 kamen durch Entwaldung und andere Änderung der Landnutzung hinzu. (Alle Prozesse, bei denen Humus verloren geht, setzen zum Beispiel das Treibhausgas frei.) Da hier die Datenerhebung weit schwieriger ist, bleibt unklar, ob die Emissionen in diesem Gebiet zu- oder Abnehmen.

Um die Zukunft der globalen Wälder ist es derzeit so schlecht wie lange nicht bestellt. Brasiliens neuer, faschistischer Präsident Jair Bolsonaro, der nicht nur eine tiefe Abneigung gegen Demokratie und Menschenrechte sondern auch gegen die Rechte der Waldbewohner und den Waldschutz am Amazonas zeigt, lässt Schlimmes für den dortigen Regenwald befürchten.

Dabei mochte mancher 2015 oder 2016 bereits gehofft haben, dass der Höhepunkt der Emissionen vielleicht schon erreicht sei, doch das war offensichtlich verfrüht. Die Autoren der Studie lassen allerdings kein Zweifel daran, dass es dafür höchste Zeit ist:

Um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, wie in der Pariser Übereinkunft vorgesehen, müssen die CO2-Emissionen bis 2030 um 50 Prozent abnehmen und 2050 bei Null angekommen sein. Doch davon sind wir noch weit entfernt. Es müsste sehr viel mehr getan werden, denn wenn sich die Staaten nur an ihre bisher abgegebenen Selbstverpflichtungen halten sind wir eher auf dem Weg zu einer globalen Erwärmung um drei Grad Celsius. Dieses Jahr konnten wir sehen, wie der Klimawandel weltweit Hitzewellen verstärkt. Die Buschbrände in Kalifornien waren eine Momentaufnahme der wachsenden Probleme, die uns bevorstehen, wenn die Emissionen nicht schnell reduziert werden.

Corinne Le Quéré, Direktorin des britischen Tyndall Centre for Climate Change Research und Professorin für Klimawissenschaften und -Politik an der Universität von East Anglia

Der erste große Schritt

Was würde eine Halbierung der Emissionen bis 2030 bedeuten? Fassen wir uns an die eigene Nase und schauen uns die hiesigen Treibhausgasemissionen an. (Das macht schon deshalb Sinn, weil Deutschland in der Rangliste der Klimasünder nach China, den USA, Indien, Russland und Japan an sechster Stelle steht. Würde man nach den Pro-Kopf-Emissionen fragen, stünde Deutschland noch vor China und Indien, dann rückten allerdings auch ein paar andere Länder wie Kuwait oder Luxemburg weiter nach vorn.)

2017 wurden zwischen Rhein und Oder rund 800 Millionen Tonnen CO2 in die Luft geblasen. Hinzu kamen andere Treibhausgase, vor allem Methan und Lachgas (Distickstoffoxid), die umgerechnet etwas mehr als 100 Millionen Tonnen CO2 entsprachen. Doch die sollen der Einfachheit halber hier außer acht bleiben.

Für Deutschland würde eine Halbierung also bedeuten, dass bis 2030 die CO2-Emissionen um 400 Millionen Tonnen jährlich reduziert sein müssten. Wo könnten diese Einsparungen erreicht werden?

Ein relativ einfaches Ziel ist sicherlich die drastische Reduzierung der Verbrennung von Stein- und Braunkohle. Zusammen erzeugten die beiden Brennstoffe 2017 rund 290 Millionen Tonnen CO2 in Deutschland, und zwar ganz überwiegend in den industriellen und fürs öffentliche Stromnetz produzierenden Kraftwerken. Würden diese stillgelegt, so wäre schon einmal ein großer Schritt getan.

Der Ersatz

Zu kompensieren wäre das mit Einsparungen im Stromverbrauch und vor allem mit verstärktem Ausbau der erneuerbaren Energieträger. Diese liefern heute bereits rund 40 Prozent des Nettostrombedarfs. Würde ihr Ausbau nicht immer mehr behindert ließe sich mit einiger Anstrengung bis 2030 100 Prozent, mindestens aber 70 bis 80 Prozent erreichen.

Um 100-prozentige Versorgung innerhalb von 13 Jahren zu erreichen müssten in Deutschland bei gleichbleibenden Strombedarf neben den notwendigen Speichern aller Art jährlich knapp sechs Gigawatt (GW) Windkraftleistung an Land und 1,5 GW auf See sowie zehn GW Solarleistung installiert werden.

Das ist sicherlich keine Aufgabe, die mal eben nebenbei erledigt werden könnte, aber es ist machbar. Die notwendige Industrie ist da und sie ist oft in strukturschwachen Regionen angesiedelt. Entsprechende Ausbauleistungen wurden in der Windindustrie sowohl an Land Land als auch auf See bereits zeitweise erreicht.

2015 waren zum Beispiel in nur einem Jahr 2,3 GW auf See installiert worden. Auch für die Solarenergie läge die Leistung nur um etwas mehr als zwei GW über den Rekorden, die Anfang des Jahrzehnts erreicht würden.

Die Flächen für die Solaranlagen sind vor allem auf den Dächern der Städte reichlich vorhanden. Auch auf See sind die entsprechenden Ausbaugebiete längst ausgesucht, unter anderem auch nach den Kriterien, dass sie den Vogelzug möglichst wenig beeinträchtigen. Die Bürger mitnehmen.

Für den Ausbau der Windkraft an Land wäre es dringend notwendig, das Ausschreibungsverfahren zu reformieren oder am besten ganz wieder abzuschaffen, da es große, ortsfremde Akteure erheblich bevorzugt. Stattdessen müssen Regelungen zum Beispiel über die Gewerbesteuer und die Unterstützung kleiner Stadtwerke und Genossenschaften gefunden werden, damit die Menschen in der Nachbarschaft der Anlagen auch von diesen profitieren können und nicht nur die Nachteile haben.

Das alles wäre, wie gesagt, kein Spaziergang, aber es würde nicht nur den ohnehin notwendigen Wandel in der Energieversorgung vorantreiben und die dafür notwendige Forschung und Entwicklung erheblich unterstützen.

Es wäre auch ein beachtliches Beschäftigungsprogramm, dass die bestehenden rund 200.000 Arbeitsplätze in Solar- und Windkraftbranche (direkte und in Zulieferbetrieben) sichern und Schätzungsweise bis zu 100.000 zusätzliche schaffen würde. Letzteres insbesondere in der Installation von Solaranlagen sowie in der Wartung sowohl von Solar- als auch Windkraftanlagen.