Meinung: Überfall auf den Datenschutz

Die geplante biometrische EU-Megadatenbank ebnet den Weg zur Massenüberwachung.

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Meinung: Überfall auf den Datenschutz

Mobiles Biometriegerät.

(Bild: "111119-M-JG138-161" / Mark Stroud / cc-by-2.0)

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Die EU will ihre großen Datenbanken für innere Sicherheit, Grenzschutz und Migration sowie eine zunehmende Zahl an Reiseregistern zusammenführen. Die bekannteste dieser Sammlungen ist das Schengener Informationssystem mit über 76 Millionen Einträgen über unerwünschte, vermisste oder gesuchte Menschen und Güter. Sie alle sollen über ein gemeinsames Suchportal verknüpft werden.

Der Plan der EU-Kommission, der im Oktober den Ministerrat passieren dürfte, umfasst auch ein "gemeinsames System" zum Abgleich besonders sensibler biometrischer Daten wie digitaler Fingerabdrücke oder Gesichtsbilder.

Zusätzlich will die EU noch für Menschen aus Drittstaaten einen "Speicher für Identitätsdaten" anlegen, in den zunächst Informationen wie Geburtsdatum, Passnummer sowie biometrische Merkmale wandern. Die Kommission verspricht sich so Aufklärung darüber, ob eine Person "in verschiedenen Datenbanken unter verschiedenen Identitäten registriert ist". Das gesamte Vorhaben soll helfen, "gegenwärtige Schwächen in der EU-Datenverwaltungsarchitektur" auszubügeln.

Das scheint naheliegend angesichts der Terrorgefahr. Was soll dagegen sprechen, wenn die Sicherheitsbehörden vorhandene Daten etwa aus der Asylbewerberdatei Eurodac oder dem Visa-Informationssystem untereinander abgleichen?

Wenn man genauer hinschaut, entpuppt sich der Plan allerdings als Überfall auf elementare Prinzipien des Datenschutzes und den demokratischen Rechtsstaat. Abgesehen vom Missbrauchsrisiko durch Hacker besteht die größte Gefahr der geplanten biometrischen Superdatenbank darin, dass sich riesige, für unterschiedliche Ziele und unter verschiedenen rechtlichen Vorgaben gesammelte Informationsmengen auf einen Schlag durchsuchen lassen.

Damit können sie sehr einfach für andere Absichten verwendet werden. Vorgesehen ist ein radikaler Bruch mit dem Prinzip der Zweckbindung von Daten. Es handelt sich um einen gut kaschierten, aber dadurch umso schwerer wiegenden Angriff auf die informationelle Selbstbestimmung.

Aus dem Interoperabilitätsansatz heraus soll eine Datenbank im Big-Brother-Stil für den Bereich Justiz und Inneres entstehen. Mit dem Verbund ließe sich jeder gespeicherten Person ein Fingerabdruck oder Gesichtsbild zuordnen. Dies beträfe nicht nur Reisende aus Drittstaaten oder Asylsuchende, sondern bald auch EU-Bürger: Die Kommission hat auch einen Entwurf auf den Weg gebracht, die Aufnahme digitaler Fingerabdrücke und anderer biometrischer Daten in Ausweispapiere für alle verpflichtend zu machen.

Mit der Megadatenbank droht eine permanente Rasterfahndung durch einen Bevölkerungsscanner. Überwachungsmaßnahmen, die zunächst gegen potenzielle Terroristen oder abgelehnte Asylsuchende eingeführt werden, können je nach politischer Lage auch gegen andere unliebsame Personengruppen eingesetzt werden. Die deutsche Geschichte ist hier ein mahnendes Beispiel.

Das Bundesverfassungsgericht stellte in seinem Volkszählungsurteil 1983 klar, dass Werkzeuge, mit denen Bürger umfassend kategorisiert und Profile über sie gebildet werden können, mit der Menschenwürde unvereinbar sind. Individuen dürfen nicht in ihrer ganzen Persönlichkeit katalogisiert werden.

Diese Hinweise sollte sich der EU-Gesetzgeber zu Herzen nehmen. Terroristen scheint man auch anders beizukommen: Der Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, etwa war den Behörden lange vor seiner Tat bekannt, er wurde sogar mit V-Männern beschattet. In diesem Dunkelfeld aufzuräumen, dürfte mehr für die Sicherheit bringen als ein Ausbau der Massenüberwachung.

(bsc)