Post aus Japan: Weniger Roboter ist mehr

Das berühmte Automatenhotel in Japan entlässt die Hälfte seiner Maschinen. Denn das Management musste feststellen, was Toyota schon lange weiß: Menschen sind in der Regel flexibler einsetzbar.

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Post aus Japan: Weniger Roboter ist mehr

(Bild: Henn-na-Hotel)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling
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Hideo Sawada hat einen Traum. Der Chef des Reisebüro- und Hotelkonzerns HIS will durch die Einführung künstlicher Intelligenz und Roboter den Hotelaufenthalt effizienter und besser machen. Sein größtes Prestigeprojekt war das Henn-na-Hotel (das schräge Hotel) im Freizeitpark Huis Ten Bosch und inzwischen auch anderswo. Global gewann es Ruhm und einen Eintrag im Guiness-Buch der Rekorde für sein Roboterpersonal. Doch die Realität schockte Sawada zu einer Radikalsanierung: Das Henn-na-Hotel will mehr als die Hälfte seiner Roboter rauswerfen, berichtete das "Wall Street Journal".

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Das ist ein herber Schlag für alle Roboterfans. Über die Jahre hatte das Management die Zahl der Roboter von 80 auf 243 Stück getrieben, vom Dinosaurier-Robot an der Hotelrezeption, über Träger und den Kommunikationsroboter Churi im Zimmer, der das Haustelefon ersetzte. Doch offenbar hat Sawada die gleiche Erfahrung wie Tesla-Gründer Elon Musk machen müssen: Extrem hohe Roboterisierung erhöht nicht die Qualität, sondern sorgt für Ärger, geringe Effizienz und ist unflexibel.

Bei Tesla machen Produktionsexperten den Versuch, möglichst viel Arbeit Automaten zu übergeben, für Qualitätsprobleme und Probleme beim Hochfahren der Produktion des Model 3 verantwortlich. Im Falle des Hotels verursachten die Roboter Menschen Mehrarbeit.

Der Empfangsroboter konnte selbst keine Pässe scannen. Die Transportroboter erreichten nicht alle Zimmer. Und Churi konnte selbst einfache Fragen nicht beantworten. Schlimmer noch, der Roboter reagierte offenbar auch auf Schnarchgeräusche. Immer wieder musste das menschliche Personal verzweifelten oder genervten Kunden helfen.

Die Kündigungswelle verdeutlicht ein Problem: Roboterisierung an sich sollte kein unternehmerisches Ziel sein, Roboterisierung um der Roboterisierung Willen schafft keine Mehrwert. Die Leitkriterien müssen andere sein: besserer Service vielleicht, höhere Effizienz oder Qualität, mehr Produktivität, geringere Personalkosten – die Liste der möglichen Maßstäbe und Leitmotive für Entscheidungen ist lang. Roboter machen nur dann Sinn, wenn sie die Kriterien eines Unternehmens oder einer Organisation wirklich erfüllen.

Nehmen wir den Autohersteller Toyota. Der automatisiert seine Produktion behutsam und vertraut noch immer stark den Menschen im Produktionsprozess. Denn nicht nur können Menschen oft rascher als heutige Roboter erkennen, wenn in bestimmten Produktionsschritten Fehler eingebaut werden. Vor allem wird die Produktion durch den Einsatz von Menschen deutlich flexibler. Und Flexibilität ist für Toyota eines der wichtigsten Ziele. Denn der Konzern will Fabriken haben, deren Produktionslinien je nach Nachfrage schnell verlängert oder verkürzt werden können.

Das Problem: Roboter stören bei diesem Ziel mitunter. Denn sie sind in ihrem Skillset noch sehr eindimensional. Einem Schweißarm kann man nicht sagen, dass er mal eben Räder montieren oder Schrauben eindrehen soll. Wenn man ihn aus der Linie nimmt, verwandelt er sich daher in totes Kapital. Einen Menschen hingegen kann ich recht rasch weiterbilden und eine andere Arbeit zuweisen.

Das bedeutet nicht, dass Toyota nicht Robotertechnologien einsetzt. Tatsächlich setzt der Konzern seit Jahren maschinelle Helfer am Band ein, zum Beispiel beim Verkleben von Scheiben. Früher waren zwei Facharbeiter notwendig, um beispielsweise eine Windschutzscheibe sauber einzusetzen. Heute schafft das ein geringer qualifizierter Arbeiternehmer allein, da Toyota einen Helfer konstruiert hat, der beim Tragen und Platzieren der Glasscheibe hilft. Und da, wo es Sinn macht, übernehmen Maschinen menschliche Arbeit auch bei Toyota komplett.

Aber Toyota sieht diese betriebswirtschaftliche Notwendigkeit auch als Risiko für die Qualität. Der Konzern sorgt sich seit Jahren, dass durch die Einführung neuer Technik erst die Menschen und dann der Konzern langsam aber sicher das wichtige Produktionswissen verlieren. Der Konzern unterhält daher traditionelle Produktionslinien, an denen die Mitarbeiter und Manager in den alten Verfahren geschult werden.

Toyota glaubt offenbar, dass der Mensch immer in der Lage sein sollte, den Produktionsprozess und die Maschinen zu kontrollieren. Denn bisher sind Roboter noch nicht in der Lage, allein das zu schaffen, was die Herstellung von harten Produkten oder soften Dienstleistungen ausmacht: Qualität und die Verbesserung von Kundenzufriedenheit. Bisher sind Roboter nur recht eindimensionale Befehlsempfänger und Helfer, aber kein gleichwertiges Mitglied im Kaizen-Zirkel, in denen Toyota und andere japanischen Firmen kontinuierlich nach Verbesserungen suchen.

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