Werbung per E-Mail: Gerichte streiten über Zulässigkeit

Während der Bundesgerichtshof (BGH) sogar Werbung per Brief eingeschränkt hat, stehen Grundsatzurteile zum elektronischen Prospekt noch aus.

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Von
  • Paul Glauben
  • dpa

Lästige Werbung im Briefkasten lässt sich schon lange vermeiden: Gerichte haben den Verteilern von Prospekten und Anzeigenzeitungen deutliche Grenzen gesetzt. So müssen die Boten an Briefkästen mit dem Aufkleber "Keine Werbung" tatenlos vorbeigehen. Doch die Werbestrategen gehen mit der Zeit: Sie haben für die Verbreitung ihrer Konsumbotschaften die elektronische Post entdeckt. Während der Bundesgerichtshof (BGH) sogar Werbung per Brief eingeschränkt hat (Az.: I ZR 160/71), stehen Grundsatzurteile zum elektronischen Prospekt noch aus.

Zu den bisher grundlegenden Entscheidungen zählt ein Beschluss des Landgerichts Berlin vom Mai 1998. Die Richter hatten es dabei vor allem auf die Kosten der elektronischen Post abgesehen: Unaufgeforderte E-Mail-Werbung sei rechtswidrig, weil sie Kosten bei den Adressaten verursache. Schließlich müssen die je nach E-Mail-Zugang Telefon- und Internetgebühren für das Lesen der Werbebotschaft bezahlen. Dieser Schutz gelte auch für Freiberufler oder Unternehmer. Wenige Monate zuvor hatte bereits das Amtsgericht Brakel so entschieden.

Für das Landgericht Traunstein ist die neue Werbemethode sogar eine größere Belästigung als die herkömmlichen Werbebriefe und -prospekte. Schließlich könnten E-Mails "unvergleichlich billiger, schneller, arbeitssparender und gezielter" an viele Adressaten auf einmal verschickt werden können. Dem hat sich auch eine weitere Kammer des Landgerichts Berlin angeschlossen: E-Mail- Werbung ohne Zustimmung des Empfängers sei nicht nur unlauter im Sinne des Wettbewerbsrechts, sondern auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der virtuelle Briefkasten muss auch nicht mit einem Aufkleber "Keine Werbung" geschützt werden. Um den E-Mail-Briefkasten frei von Werbung zu halten, muss der Empfänger nach Ansicht des Landgerichtes der E-Mail-Werbung nicht ausdrücklich widersprechen.

Strittig ist die Frage, ob der E-Mail-Briefkasten überlaufen kann. Die Traunsteiner Richter hielten das für kaum möglich. Das sah das Berliner Landgericht anders: Die Verteilung von Papierwerbung verursache hohe Kosten. Dieser Selbstregulierungsmechanismus fehle bei der E-Mail-Werbung. Es sei daher schlichtweg nicht abzusehen, mit welchen Mengen an E-Mail-Werbung der Verbraucher ohne gerichtlich gezogene Grenzen konfrontiert werde.

Das Landgericht Braunschweig urteilte freundlicher über die vermeintliche Belästigung. Danach sei E-Mail-Werbung nur dann unzulässig, wenn der Empfänger diese Werbung "offenkundig abgelehnt hat". Noch einen Schritt weiter geht das Amtsgericht Kiel, das keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sah. Außerdem gebe es keinen auf diese Form der Werbung bezogenen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch, "in Ruhe gelassen zu werden".

Eine Grundsatzentscheidung des BGH zum virtuellen Angebotszettel steht bisher noch aus. Aus den früheren Entscheidungen wird allerdings deutlich, dass der BGH den Schutz der Privatsphäre der Verbraucher regelmäßig höher bewertet hat als die Werbe- und Wettbewerbsfreiheit. Jedenfalls hat er an dieser Rechtsprechung auch festgehalten, als er die Zulässigkeit der so genannten Telex-Werbung und die Werbung im Btx-Mitteilungsdienst zu beurteilen hatte. Rechtsexperten gehen daher davon aus, dass der BGH in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung zumindest einer ausufernden E-Mail-Werbung Grenzen setzen werde. (Paul Glauben, dpa) / ()