Post aus Japan: Wir automatisieren die Logistik

Amazon und Google haben keinen Alleinvertretungsanspruch auf technologische Führerschaft in künstlicher Intelligenz und Automatisierung. Gerade Nippons Unternehmen wollen Paroli bieten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Post aus Japan: Wir automatisieren die Logistik

(Bild: Photo by Erhan Astam on Unsplash)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Kölling

Staatsbesuch in Tokio. Eine Flasche Wein steht vor Kanzlerin Angela Merkel im Showroom des Technikkonzerns NEC. Nur darf die Kanzlerin ihn nicht verkosten. NEC präsentiert ihr vielmehr eine neue Anwendung künstlicher Intelligenz: die Geruchserkennung von Produkten. Willkommen im NEC Future Creation Hub, in dem der Technikkonzern Besuchern seine Errungenschaften in künstlicher Intelligenz, Vernetzung und Robotik präsentiert.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Doch während die Kameras sich auf die Kanzlerin konzentrieren, geht ein weiterer Vorschlag zur Automatisierung der Welt unbeachtet im Hintergrund seiner Arbeit nach: Roboterteamwork für Lagerhäuser. Zwei kleine Roboter nehmen bei dieser Demonstration einen Wagen mit Waren in die Zange und bewegen ihn durch das angedeutete Lager. Eine Kamera leistet dabei mit Objekterkennung die Bestandsaufnahme.

Und natürlich darf der in Japan so wichtige Kawaii-Faktor nicht fehlen: "kawaii" heißt auf Deutsch liebenswert, niedlich oder süß. Alles Mögliche wird daher kawaiisiert – selbst Maschinen. Diese beiden Automaten fahren auf ihrer Front große Augen und einen Lachmund spazieren.

Abgesehen von derartigen Spielereien stehen die kleinen Roboter für einen ernsthaften Trend. Immer mehr japanische Unternehmen wollen Amazon bei der Roboterisierung von ihren Lagern den Rang ablaufen. Und bei den Japanern handelt es sich durchaus um finanzkräftige Firmen mit globalen Ambitionen.

Ein Beispiel ist die globale Online-Shopping-Mall Rakuten. Das Unternehmen sponsert nicht nur den FC Barcelona. Das Unternehmen investiert auch in viele der Technologien, die Amazon interessant findet. Darunter sind Auslieferungsdrohnen, aber auch die Nutzung künstlicher Intelligenz in der Auftragsverwaltung und -auslieferung. So sollen Aufträge künftig innerhalb weniger Minuten geplant und auf die Reise durch die Auslieferkette geschickt werden. Rakuten will damit zu einem der führenden Anbieter in Lagermanagement werden.

Auch der Modekonzern Fast Retailing, besser bekannt für seine Marke Uniqlo, investiert massiv in die Automatisierung seiner Lager. Schon jetzt sind in den Zentrallagern Tokios fast nur noch Roboter und intelligente Systeme aktiv. Bis Ende des Jahres will der Konzern auch den letzten Menschen aus der Lagerhalle verbannen. In drei Jahren will Konzernchef Tadashi Yanai die Technologie weltweit ausgerollt haben.

Dies sind nur zwei prominente Beispiele dafür, die klar machen: Japan will demonstrieren, das Amazon, Google & Co. keinen Alleinvertretungsanspruch auf technologische Führerschaft in künstlicher Intelligenz haben. Noch ermutigender ist wenigstens aus der Sicht von Automatisierungsfans, dass nun selbst Firmen im bisher wenig produktiven Einzelhandel und Restaurantgewerbe auf den Automatisierungszug aufspringen.

Denn mehr noch als Kostendruck werden sie von grassierendem Arbeitskräftemangel geplagt. Es lohnt sich daher auch für deutsche Unternehmen, nicht nur nach Amerika zu schielen, sondern auch die kommenden Lösungen aus Japan zu studieren.

()