Twitter: Troll-Gruppe "Sifftwitter" vom Iran unterwandert?

Twitter hat Daten zu böswilligen Accounts publiziert: Tausende wurden im Iran verortet – darunter ein hierzulande nicht unbekannter Troll. Kann das stimmen?

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Twitter: Troll-Gruppe "Sifftwitter" vom Iran unterwandert?

(Bild: ivke32)

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Twitter hat einen zentralen Account einer berüchtigten deutschen Troll-Gruppe gesperrt, weil er irreführend aus dem Iran gesteuert worden sein soll. Das geht aus den Ende Januar veröffentlichen Datensätzen hervor.

Darin finden sich die Daten zu Accounts, die für Hintermänner im Iran angeblich unter anderem auf die öffentliche Meinung in Europa Einfluss nehmen sollten. Die darin enthaltenen deutschsprachigen Tweets stammen aber ausnahmslos von einem einzigen Account. Dieser war recht zentral in einer Gruppe vernetzt, die als "Sifftwitter" vor anderthalb Jahren Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat.

"Sifftwitter" hatte auf der re:publica 2017 eine breitere Aufmerksamkeit bekommen, als Luca Hammer seine Erkenntnisse zu der Gruppe vorstellte. "Sifftwitter" war vorher als "schlimmste Hasscomunity im Netz" bezeichnet worden. Hammer hatte durch seine Analysen aufgezeigt, dass sich die Trolle viel mehr unterschieden, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Zusammen führten sie aber regelrechte Kampagnen durch. Mit harmlosen Sticheleien, Kraftausdrücken, aber auch schockierenden und verstörenden Inhalten bis hin zu Morddrohungen hätten sie andere getrollt, hatte er der Süddeutschen Zeitung beschrieben.

Zentral in dieser Gruppe vernetzt und auch immer wieder in Hammers Netzwerkanalysen zu finden, ist ein Account namens @Orbyt_. Genau der wurde nun im Herbst 2018 von Twitter gesperrt, wie es den Trollen aber offenbar immer wieder blühte. Wie nun aber aus den im Januar veröffentlichen Daten hervorgeht, hatte die Sperrung von @Orbyt_ andere Ursachen. Laut Twitter gehörte er zu einer Gruppe von über 2000 "böswilligen" Accounts, von denen das Netzwerk glaubt, sie hätten ihren Ursprung in der Islamischen Republik Iran.

Analysiert man die mehr als 30.000 Tweets von @Orbyt_, die in dem Archiv zusammengetragen sind, finden sich jedoch keinerlei Hinweise, die diese Zuschreibung untermauern. Stattdessen wird darin in einem Insiderslang mit den immer gleichen Accounts interagiert und die von Hammer beschriebenen Troll-Kampagnen finden sich ebenfalls. Insgesamt war der Account so aktiv, wie man es von einem Troll erwarten würde, so liegen die mehr als 30.000 Tweets deutlich über dem Schnitt der von Twitter zusammengefassten Accounts – weniger als 2000 Tweets pro Account.

Auch wenn es in dem Datensatz keine Hinweise gibt, die auf eine Herkunft im Iran hindeuten, könnte der Account auch später gehackt worden sein. Darauf deutet aber ebenfalls nichts hin. Auf Nachfrage von heise online hat ein Sprecher von Twitter versichert, dass es sich bei den im Iran verorteten Accounts um jene handelt, die man "zuverlässig zuordnen" könne. Attribuierung sei aber schwierig und mit der Veröffentlichung der Daten wolle man weitere Untersuchungen ermöglichen.

Accounts mit böswilligen Absichten, bei denen man die Hintermänner im Iran verortet, könnten durch verschiedene Indizien zugeordnet werden, hatte Twitter erklärt. Das könne etwa über eine iranische Mobilfunknummer, eine iranische E-Mail-Adresse oder einen iranischen Provider geschehen, die mit einem als schädlich identifizierten Account verknüpft waren. Zwar sei Twitter im Iran blockiert, aber über einem VPN-Dienst könne man auch von dort auf den Dienst zugreifen. Vorstellbar wäre, dass auch @Orbyt_ solch einen VPN benutzte, um die eigene Herkunft zu verschleiern. Statt aus Deutschland wäre der Account dann scheinbar aus dem Iran gesteuert worden.

Sollte Twitter bei der Zuschreibung einen Fehler gemacht haben und keine "böswillige" Verbindung zwischen @Orbyt_ und dem Iran bestehen, würde das Zweifel an dem gesamten Datensatz säen. Schon einmal nach der ursprünglichen Veröffentlichung musste Twitter einen Fehler eingestehen. Demnach waren mehr als 200 Accounts der russischen Internet Research Agency zugeschrieben worden. Aufgrund zusätzlicher Informationen habe man sie nun aber einer Kampagne aus Venezuela zugeordnet.

Luca Hammer, der die Troll-Gruppe erst einer breiten Öffentlichkeit bewusst gemacht hatte, meinte nun gegenüber heise online, eine Steuerung des Accounts @Orbyt_ aus dem Ausland halte er zwar theoretisch für denkbar, aber für sehr unwahrscheinlich. In der Troll-Gruppe kannte offenbar niemand die reale Identität der Person hinter dem Account, die Zuschreibung hält man dort aber ebenfalls für unwahrscheinlich. (mho)