Hinsetzen, Selfie machen, überleben

Auf Felsvorsprüngen, an der Kante der Victoriafälle oder vor entgegenkommenden Zügen – so mancher Selfie-Fan ist ganz schön risikobereit. Damit das nicht tödlich ausgeht, kommt ein irischer Minister mit einer interessanten Idee um die Ecke.

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Mehr als 250 Menschen sind ihrer Selfie-Leidenschaft in dem Zeitraum vom Oktober 2011 bis November 2017 zum Opfer gefallen, so lautet die Bilanz von Forschern in Neu-Delhi. Unter den durchschnittlich knapp 29-Jährigen waren 72 Prozent Männer, 27 Prozent Frauen. Die meisten Todesfälle ereigneten sich dabei in Indien, gefolgt von Russland, den USA und Pakistan, stellten die Forscher fest. Ertrinken, Fotos vor Verkehrsmitteln, etwa entgegenkommenden Zügen, und Stürze waren dabei die häufigsten Ursachen.

Als Mittel, um solche Unglücke zu vermeiden, schlagen die Verfasser der Studie „No Selfie Zones“ vor, also abgesperrte Bereiche besonders in der Nähe von Wasser, Berggipfeln und hohen Gebäuden vor. Solche Verbotszonen sind offenbar auch da nötig, wo nicht unbedingt Menschenleben in Gefahr sind. Das zeigt das Beispiel eines privaten Sonnenblumenfeldes in Kanada im vergangenen Sommer. Nachdem die YouTuberin Karen Ip ein Bild von sich zwischen den Pflanzen (samt Ortsangabe) bei Instagram gepostet hatte, setzte auf das Feld ein Run von (Hobby-)Fotografen ein: Autoschlangen auf den Straßen und Chaos im Feld waren die Folge. Schließlich forderte die Polizei die Besitzer des Feldes auf, dieses zu sperren.

Andernorts bekamen nicht Pflanzen, sondern Tiere die negativen Seiten der Selfie-Leidenschaft zu spüren. So musste beispielsweise der Waterton Canyon in Colorado im Jahr 2015 zeitweilig schließen. Denn die dort lebenden Bären sollten bei den Besuchern mit aufs Selfie, die Tiere wurden in ihrer natürlichen Umgebung gestört und dadurch aggressiv.

Bei solchen Auswüchsen ist es verständlich, dass das Knipsen von Selfies mancherorts kritisch gesehen wird. Dennoch sind eindrucksvolle Fotos in den sozialen Medien für manche Tourismusbüros aber ein willkommenes Mittel, um ihrer Stadt oder Region eine große Reichweite und somit Präsenz zu verschaffen. Auch der irische Politiker Jim Daly möchte den Zugang zu fotogenen Klippen seines Heimatlandes nicht sperren. Doch zu Chaos und Todesfällen bei Selfies soll es ebenfalls nicht kommen. Wie der Irish Mirror berichtet, schlägt daher Daly vor, an beliebten Selfie-Hotspots in Irland Stühle aufzustellen. Diese von ihm als „Selfie-Stühle“ bezeichneten Foto-Standpunkte könnten nicht nur Touristen und Influencern eine sichere Stelle zum Fotografieren aufzeigen, sondern zugleich auch so etwas wie ein „innovatives Marketing-Instrument“ sein, welche auf die besten Aussichten aufmerksam machen, meint Daly. Anlass zu dem Vorschlag war das jüngste Unglück auf der irischen Insel. Ein indischer Student kam an den Cliffs of Moher ums Leben, als er dort versuchte ein Foto zu machen, ausrutschte und in die Tiefe stürzte.

Ein Teil der Touristen mag diese Stühle dankbar annehmen. Doch jene, die ein imposantes und vielleicht auch gewollt risikoreiches Selbstporträt knipsen wollen, wird eine vorgegebene Stelle zum Fotografieren nicht attraktiv genug sein. Manche Selfie-Spots, wie etwa der spitze Bergvorsprung namens Trolltunga in Norwegen, leben ja gerade von dem kleinen Nervenkitzel, nur wenige Meter vor dem Abgrund zu stehen. Und dieses Gänsehaut-Gefühl, verbunden mit den Likes und Kommentaren in den sozialen Medien, werden sich nicht alle Fotografen durch einen Stuhl, aufgestellt in sicherer Entfernung, nehmen lassen wollen.

(jle)