Zahlen, bitte! 1024: Natur oder Handel oder Denken

Vom Dezimalsystem als "Natur", dem Dualsystem als (nicht nur) "Denken" und Zählnormen eines Nationalgefühls. Eine Abschweifung über 1024 und 1000.

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Zahlen, bitte! 1024: Natur oder Handel oder Denken
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Von
  • Martin Lang

Ein Kilobyte sind 1024 Byte, eben 210. Kilo, das altgriechische χίλιοι, meint aber 1000, eben 103, wie es beim Kilowatt mit 1000 Watt der Fall ist. Das Kilobyte als "digitale" Einheit eignet sich deshalb, weil es das Dualsystem des Denkens mit dem Dezimalsystem unserer menschlichen Natur der zählenden Finger ungefähr in Übereinstimmung bringt. Hübsch findet sich das in der Formulierung "Pi mal Daumen" wieder.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Unser Dezimalsystem als Standard ist aber nicht Natur, sondern Ergebnis der französischen Revolution, wo im Comité d'instruction publique, bei uns gerne Erziehungsausschuss genannt, über Maße und Gewichte gestritten wurde. Ausführlich wurde über das Zwölfersystem der optimalen Teilereigenschaften gegen das "natürliche System" der zehn Finger diskutiert. Beim Tausch wäre es doch wünschenswert, möglichst viele eindeutige Teiler zu haben, unser geläufiges Zehnersystem hat nur 2 und 5 als Teiler von Zehn, dagegen Zwölf hat 2, 3, 4, 6 als mögliche Teile eines größeren Zwölfer-"Ganzen", so die Befürworter. Doch zum Schluss wurde für die Natur gestimmt.

Auf einen kurzen Blick könnten wir bei einer Menge von Gegenständen kaum eindeutig sagen, ob es 10 oder 12 gewesen waren, ob 11 oder 13, oder gar nur 9. Unser Denken, Erinnern und Wahrnehmen beschäftigt sich mit den kleinen Zahlen 2, 3, 4, am klarsten denken wir in Alternativen, also 2.

Entsprechend listig schlug Claude Shannon in seiner Schrift A mathematical theory of communication von 1948 ein System zur Basis 2 für die Messung von Informationen vor: "The choice of a logarithmic base correspondents to the choice of a unit for measuring information. If the base 2 is used the resulting units may be called binary digity or more briefly bits, a word suggested by J.W. Tukey. A device with two stable positions, such as a leay or a flip-flop circuit, can store one bit of information." Das muss wohl nicht mehr erklärt werden, wie sich das dann über elektrische Schaltungen in Computerei überträgt.

Aber daneben haben wir noch die 7 Tage der Woche in den 12 Monaten eines Jahres. Die oben schon erwähnte französische Revolution führte die Dekade ein, eine "Woche" mit 10 Tagen ein, was die Menschen durchaus nicht schätzten. Die Zehner-Arbeitseinheit wurde wieder abgeschafft, der altbekannte Sonntag als freier Tag für körperlich hart Arbeitende wieder eingeführt. Auch mit dem Revolutionskalender und dem Zehnstundentag hatte man kein Glück. Beim Längenmaß und dem Einheitsmeter gelang die Bestimmung nur unvollständig, weil landauf, landab die Kirchtürme zur Triangulation abgerissen wurden.

Ältere von uns erinnern sich noch an den Tumult des D-Days in Großbritannien, wo dem insularen gemischten 12-, 20-, 21- System die kontinental-europäische Dezimal-Norm aufgezwungen werden sollte. Wir reden aber noch flüssig in unserem Alltag vom Dutzend (12), früher waren noch Schock (60 = 5 × 12) oder Gros (144 = 12 × 12) geläufig. Aber wie sind die Leute auf der Insel auf 21 gekommen? Nun, das Pfund (£) hatte 20 Schilling (zu je 12 Pence) und mit dem Preis von einem Pfund entrichtete man zugleich 5% (also einen Schilling) "Gebühr" und bezahlte also mit einer Guinee im Wert von 21 Schilling.

So kommt man vom Digitalpakt, der Kilobytes zuhauf in die Schulen schaufelt, unversehens zum Brexit, der gewissermaßen eine Wiedereinführung eines "wilden" Systems gegen die europäische Norm-Union für einige verspätete Insel-Nationalisten bedeuten soll. Man staunt zunächst, dass sich hinter einem Zahlsystem so etwas wie eine Weltanschauung verbergen kann, denn mathematisch ist von 2 bis "ichweißnichwieviel" jedes System gleichberechtigt. Und doch eignet sich die "eigene" Zählnorm sehr gut zum Ausdruck des "National"-Gefühls, weil unser Leben von Zahlen durchzogen ist. (jk)