Digitale Souveränität: Kommunale IT-Dienstleister rebellieren gegen Microsoft

Digitalexperten der Städte und Gemeinden bereitet vor allem der kaum kontrollierbare Transfer umfassender Nutzerdaten mit Windows 10 und Office 365 Sorgen.

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Digitale Souveränität: Kommunale IT-Dienstleister rebellieren gegen Microsoft

(Bild: WOCinTech Chat, wocintech (microsoft) - 13, CC BY 2.0)

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Unter kommunalen IT-Dienstleistern wächst die Furcht vor einem Verlust der Datensouveränität durch den Einsatz aktueller Softwareprodukte von Microsoft. In der neuen Ausgabe ihres Hausblatts "Vitako aktuell" feuert die gleichnamige Bundesarbeitsgemeinschaft der Digitalexperten von Städten und Gemeinden unter dem Aufhänger "Digitale Souveränität" in mehreren Artikeln eine Breitseite gegen den US-Konzern und fordert "industriepolitische Initiativen, die dazu beitragen, die Abhängigkeit von einzelnen Anbietern zu verringern".

"Der amerikanische IT-Gigant beherrscht die Computersysteme auch in der öffentlichen Verwaltung", konstatiert Vitako-Chef Ralf Resch. Mit dem 2015 vorgestellten Betriebssystem Windows 10 und dem Büropaket Office 365 tauchten nun "handfeste Probleme" auf. "Beide Produkte setzen auf Cloud-Computing und auf transatlantischen Datenverkehr im großen Stil", schlägt der Geschäftsführer Alarm. Sie verstießen zudem "in ihrer heutigen Form gegen die europäische Datenschutz-Grundverordnung" (DSGVO). Die Fähigkeit zum Schutz sensibler Bürgerdaten müsse in der öffentlichen Verwaltung und in der Wirtschaft erhalten bleiben, ergänzt der frühere IT-Beauftragte im Bundesinnenministerium, Martin Schallbruch.

Eine "unzulängliche Support-Politik und die nur schwer kontrollierbare Übermittlung umfassender Nutzerdaten an Microsoft machen das Betriebssystem Windows 10" für Ralf Sutorius vom Kölner Amt für Informationsverarbeitung "zu einem kostspieligen Unsicherheitsfaktor für Kommunen". Für die Summen, die in Lizenzen für die Software und deren Pflege gesteckt werden, sollte man ihm zufolge "ein Produkt erwarten" können, "das auf einem durchdachten Konzept basiert, rund läuft wie Windows 7" und mit "höherer Sicherheit und geringeren Betriebskosten" aufwarte. Das Gegenteil sei aber der Fall: das System verursache "erheblichen Mehraufwand" und "birgt selbst ein Risiko für die Datensicherheit, das Aufmerksamkeit verlangt".

Resch ruft daher nach Rahmenbedingungen, "die souveränes Handeln ermöglichen" und so auch das Vertrauen der Bürger in den Staat stützten. Für ihn ist es noch "illusorisch, die marktbeherrschende Stellung von Microsoft-Produkten in der öffentlichen Verwaltung von heute auf morgen einstellen oder umgehen zu können". Zwar gebe es "gut funktionierende Alternativen im Open-Source-Bereich". Doch jede Migration sei ein mutiger Schritt, "der von großem Zeitaufwand und hohen Folgekosten bei der Angleichung von Software und Fachverfahren begleitet wird".

"Das Wiedererlangen, Ausbauen und Bewahren der digitalen Souveränität einer Landesverwaltung erfordert eine langfristige, strategische Steuerung und das Etablieren eines tiefgreifenden, kontinuierlichen Wandels", schreibt der IT-Beauftragte Schleswig-Holsteins, Sven Thomsen. Das Land habe diesen Wandel mittlerweile angestoßen. Münchens umkämpfte Rückmigration von freier Software auf Microsoft-Produkte wird in der Zeitschrift nicht angesprochen. 2017 hatten EU-Experten gewarnt, dass eine zunehmende Abhängigkeit von Microsoft Cybersicherheit und Innovation gefährdeten. (mho)