ISOC-Chef wettert gegen Russlands Intranetplan und europäische Upload-Filter

Andrew Sullivan von der ISOC hält jüngste digitalpolitische Initiativen Russlands und der EU für brandgefährlich. Das Netz dürfe nicht kaputtreguliert werden.

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ISOC-Chef wettert gegen Russlands Intranetplan und europäische Upload-Filter

ISOC-Chef Andrew Sullivan in Berlin.

(Bild: heise online / Stefan Krempl)

Lesezeit: 3 Min.
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Andrew Sullivan, Chef der Internet Society (ISOC) stört das Bestreben Moskaus, ein "autonomes" Internet innerhalb der eigenen Landesgrenzen funktionsfähig zu machen. "Das ist schädlich für das Netzwerk", erklärte er am Montag in einer Talkrunde im Berliner Weizenbaum-Institut.

Der russische Präsident Wladimir Putin will mit einem Gesetzentwurf für das russische Netz (RuNet) eine unabhängige Infrastruktur schaffen, um die digitale Souveränität des Landes zu stärken. Russische Behörden und große Internet-Provider planten daher im Februar ein Experiment, um das Land testweise vom Internet zu trennen. Laut Putin geht es dabei um eine Reaktion auf großangelegte Cyberangriffe und nicht darum, dass sich Russland selbst vom weltweiten Netz trennen wolle.

Sollte das russische Parlament das Vorhaben beschließen, wäre dies laut Sullivan ein "enormer Schritt zurück von der magischen Kiste, die wir gebaut haben". Er meine nach wie vor, dass das Internet als einfach nutzbares Kommunikationsmittel dem Wohl der Menschheit diene. Es handle sich dabei um ein "zuverlässiges System, das sich aus vielen unzuverlässigen Teilen zusammensetzt". Wer sich daraus – wenn auch nur zeitweilig – ausklinken wolle, verschlechtere sein verbleibendes Rumpfnetzwerk deutlich.

Im Kern erlaube es die ISOC, die sich weltweit für das offene Kommunikationsmedium einsetzt, allen erdenklichen Netzwerken, sich mit anderen ohne eine formale Beziehung zusammenzuschließen. Dafür brauche es in der Regel nur einige "Transitabkommen", aber im Zentrum stehe der freie Datenaustausch. Ein solches Peering werde in der Regel per Handschlag beschlossen, da offizielle Verträge die Transfers nur verkomplizierten und verteuerten. Die offenen Protokolle, die in die Netzarchitektur direkt eingebaut würden, entwickele die Internet Engineering Task Force (IETF).

Dieses Prinzip des günstigsten und einfachsten Datenverkehrs werde mit Russlands Bestreben für ein autonomes Netz völlig untergraben, meinte Sullivan. Grundsätzlich gebe es "technische Realitäten" im Design des Internets, die politischen Regulierungswünschen Grenzen setzten. Auch den mit der Urheberrechtsrichtlinie verbundenen EU-Plan zum Filtern des Netzes hält Sullivan für "nicht machbar" und letztlich "lächerlich". Jedenfalls existierten keine Upload-Filter, "die magischerweise korrekt funktionieren".

Nicht viel anders verhalte es sich bei dem Drängen vieler Politiker, Verschlüsselung möglichst schon netzseitig zu brechen. Alle solchen Vorschläge hätten gravierende technische Konsequenzen, die dem Internet das Genick brächen. Die oft zu hörende Ansage an die Techies: "Ihr müsst dafür einfach eine Lösung finden", bringe ihn auf die Palme. "Dafür bräuchte man eine Zeitmaschine", um in die Vergangenheit zu reisen und ein späteres Verbrechen ungeschehen zu machen.

Als einen guten Ort, um Politiker frühzeitig über die Netzgegebenheiten aufzuklären und ihnen überbordende Regulierungsvorstellungen auszutreiben, nannte Sullivan das Internet Governance Forum. Er begrüßte daher den Ansatz, 2019 einen Themenschwerpunkt für die von der UN betriebene offene Diskussionsplattform und das zugehörige Jahrestreffen im November in Berlin auf "Data Governance" zu legen. Dabei handle es sich auch um ein klares Infrastrukturthema, wie das Beispiel Russland zeige. (anw)