Smart Predictive Maintenance zum frühzeitigen Erkennen von Fehlerquellen

Die Methoden des Machine Learning helfen dabei, unnötige Wartungstermine zu vermeiden und gleichzeitig präzise Vorhersagen über mögliche Ausfälle zu treffen.

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Smart Predictive Maintenance zum frühzeitigen Erkennen von Fehlerquellen

(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Michaela Tiedemann
Inhaltsverzeichnis

Wartungstermine finden oft unnötig und ohne konkreten Anlass statt. Abhängig vom Komplexitätsgrad und Einsatzbereich einer Maschine sind auf Basis von Erfahrungs- und Richtwerten Wartungstermine vorgesehen und geplant. Bei Autos gelten gesetzte Zeit- oder Kilometerintervalle, obwohl die Wahrscheinlichkeit äußerst gering ist, dass die erste Inspektion einen Fehler aufdeckt.

Je kritischer der Einsatzbereich ist – etwa im Personenflugverkehr oder bei Turbinen in Kraftwerken –, desto mehr "unnötige" Wartungen finden aus Sicherheitsgründen statt. Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit für den Ausfall eines spezifischen Bauteils bei einem Prozent liegt, findet eine regelmäßige Überprüfung aller Anlagen statt, in denen es verbaut ist. Wenn nur ein einzelnes defektes Teil in einhundert geprüften Maschinen identifiziert wird, gilt das angesetzte Wartungsintervall als Erfolg.

Data Science bietet mit dem Konzept Smart Predictive Maintenance bereits seit einigen Jahren einen Weg an, um den hohen personellen und finanziellen Aufwand zu verringern, den traditionelle Wartungskonzepte mit sich bringen. Im Zeitalter von Big Data und Machine Learning hat eine stetige Weiterentwicklung und Verbesserung der Predictive-Maintenance-Methoden stattgefunden.

Das wirft eine Reihe von Fragen auf, für deren Beantwortung ein Blick auf die Theorie und Praxis gleichermaßen nötig ist:

  • Wie genau funktionieren mit KI ausgestattete Predictive-Maintenance-Algorithmen?
  • Welche konkreten Vorteile bringt Machine Learning im Bereich Smart Predictive Maintenance?
  • Ist Smart Predictive Maintenance der neue Industriestandard, ohne den es in Zukunft nicht mehr geht?

Bevor Daten und deren Analyse ins Spiel kommen, muss zunächst sichergestellt sein, dass eine konkrete Fragestellung vorliegt, für die Smart Predictive Maintenance mit einem Machine-Learning-Ansatz als geeignete Methode in Frage kommt. Informationen über fehlerhafte Bauteile, die Ursachen für Defekte in Maschinen sein können, lassen sich auch aus zahlreichen anderen Quellen beziehen.

Oft wissen Zulieferer, Brancheninsider oder Monteure genau, wo potenzielle Schwachstellen sind und wo Lösungen oder Verbesserungen ansetzen können. Die Hinweise aller an einem Projekt beteiligten Akteure liefern oft wertvollen Input für die Datenanalyse. Daher ist es ein zentraler Schritt, vor der aufwendigen Entwicklung eines Predictive-Maintenance-Ansatzes alle Beteiligten und Verantwortlichen mit am Tisch zu haben.

Für die Frage, ob Machine Learning ein geeigneter Ansatz ist, ist für ein datenbasiertes Wartungsmodell eine ausreichende Anzahl an dokumentierten Fehlerfällen mindestens ebenso wichtig. Neben den technischen Aspekten, die für oder gegen die Entwicklung eines auf Machine Learning basierten Lösungsansatzes sprechen, spielen wirtschaftliche Überlegungen eine wichtige Rolle.

Unternehmen müssen im Vorfeld abwägen, wie viel der Ausfall einer bestimmten Maschine kostet, welche finanziellen Vorteile ein datenbasiertes Modell im Vergleich zu einer manuellen Überprüfung bringen würde und inwiefern sich die frühzeitige Information über einen möglichen Ausfall auf den Prozess der Reparatur auswirkt. Wenn die Lieferung eines Ersatzteils nach wie vor mehrere Wochen dauert, bringt die Echtzeitanalyse einer Maschine keinen wirtschaftlichen Vorteil, sondern verursacht nur Kosten.

Eine weitere Voraussetzung für den sinnvollen Einsatz von Smart Predictive Maintenance ist die Gewährleistung einer ausreichenden Datenbasis. Als erster Richtwert lässt sich das Vorhandensein von Monitoring-Daten heranziehen, die bestimmten Kriterien entsprechen müssen. Der Einsatz von Machine-Learning-Algorithmen geht mit Big Data einher – Daten müssen in einer ausreichenden Menge, Vielfalt, Aktualität, Relevanz und Qualität vorhanden sein oder sich erheben lassen.

Die Kunst besteht darüber hinaus darin, nicht in einer Flut von Daten zu versinken, sondern sie in all ihren Aspekten zu beherrschen – angefangen von der Menge über ihre Sicherheit und ihre Verfügbarkeit bis hin zu ihrer rechtlichen Konformität. Data Engineering und Data Governance sind zwei kritische Bestandteile erfolgreicher Data-Science-Projekte.

Im Kontext lernfähiger Algorithmen ist es ebenfalls wichtig, dass entweder historische Daten vorliegen oder dem Projekt eine ausreichend ausgedehnte Testphase vorausgeht. Bei Machine-Learning-Algorithmen im Allgemeinen und bei Predictive-Maintenance-Anwendungen im Speziellen handelt es sich nicht um Standardanwendungen, bei denen eine Installation vor dem Ausführen genügt. Vielmehr handelt es sich um lernfähige Anwendungen, die zunächst für ihr spezielles Einsatzgebiet trainiert werden müssen.

Sollte noch keine Datenbasis für ein Projekt vorhanden sein, müssen die Betreiber zunächst geeignete Messwerte erheben. Bei einem Kunden aus der Automobilbranche kam es im Rahmen des Lackiervorgangs der Karosserie immer wieder zu einer hohen Fehlerquote, was aufwendige manuelle Korrekturarbeiten nach sich zog. Um das Problem zu lösen, war zunächst die Installation einiger Sensoren erforderlich, die Messungen bestimmter Parameter vornahmen. Erst mit den Daten über die exakte Menge an verwendetem Lack pro Lackiervorgang, dem PH-Wert des Lackes, dem Druck beim Lackieren sowie der Trockentemperatur ließen sich die Fehlerursachen genau identifizieren.

Dazu ist es in einem ersten Schritt notwendig Normwerte zu definieren, die den "gesunden", fehlerfreien Betrieb charakterisieren. Anschließend ist es möglich, eine Abweichung von der Norm und damit aussagekräftige Prognosen über künftige Ereignisse zu erhalten. Erst später lässt sich das trainierte Modell mit Livedaten in Echtzeit anwenden. Dabei ist anzumerken, dass das Label Echtzeit in gewisser Hinsicht irreführend ist und manchmal nur unterstreicht, dass Ergebnisse und Warnhinweise zeitnah vorliegen.

Erst wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind und den Weg zum datengetriebenen Unternehmen ebnen, können Tools wie Smart Predictive Maintenance ihre gesamte Bandbreite an Vorteilen ausspielen. Die vier wichtigsten Aufgaben und Ziele von Smart Predictive Maintenance sind folgende:

  • das Verhindern von (ungeplanten) Ausfallzeiten und damit einhergehenden finanziellen Ausfällen,
  • die verbesserte Planbarkeit von Wartung, um Ausfallzeiten so gering wie möglich zu halten,
  • das Identifizieren von Ursachen für Defekte, Störungen und Verschleiß im Idealfall auf Bauteilniveau sowie
  • die fortlaufende Optimierung von Produkten, Maschinen und Prozessen.

Mit diesen Zielen geht Smart Predictive Maintenance weit über die traditionellen Aufgaben und Ansätze von Wartung hinaus. Um zu klären, in welchen Fällen der Einsatz von Machine Learning bei Predictive-Maintenance-Ansätzen lohnenswert beziehungsweise grundsätzlich möglich ist, ist zunächst ein Verständnis für die Funktionsweise von ML erforderlich.