Forschungsministerium fördert Open-Source-Grafik-Projekt

Entwickler und Ministerium sehen Open Source als Garant für Investitionssicherheit.

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Von
  • Frank Fremerey

Es gibt auf der Welt bereits etwa 643 3D-Engines. Trotzdem steckt das Forschungsministerium in den kommenden drei Jahren 5,72 Millionen Mark in die Weiterentwicklung der Open-Source-Rendering-Engine namens "Open SG Plus".

Der Informatiker Dirk Reiners, Koordinator des Projekts, erläutert gegenüber heise online: "Auf der Liste von Karsten Isakovic an der TU Berlin sind viele Engines, die schon sehr alt sind und häufig nicht weiter gepflegt werden. Die Situation heute ist die folgende: Auf der einen Seite gibt es die Game-Engines, die sehr schnell sind, aber nur bestimmte Probleme abdecken können. Auf der anderen Seite sind da allgemeine Szenegraphen, auch Open-Source-Forschungs-Systeme, die zwar sehr flexibel, aber auch sehr langsam sind. Mit OpenSG PLUS wollen wir einen 3D-Renderer schaffen, der sowohl sehr schnell als auch sehr flexibel ist."

Open SG Plus gibt jedem an Computergrafik interessierten Programmierer, der C++ beherrscht, die Möglichkeit, an einer universellen und professionellen Echtzeit-Rendering-Bibliothek (SG, SzenenGraph) mitzuarbeiten. Die Fördergelder des Forschungsministeriums erlauben dabei einer Kerngruppe, ihre gesamte Arbeitszeit allein diesem Projekt zu widmen und High-End-Features einzubauen, die es in dieser Form noch in keinem Produkt gibt.

"Unser Ministerium sieht ein echtes nationales Interesse an der Schaffung einer standardisierten Basis für Anwendungen der Virtuellen und Erweiterten Realität. Die Förderung dieses Standard-Projekts in diesem Rahmen begründet sich aus der Förderung von insgesamt 76 Projekten in diesem Bereich", so Bernd Reuse, zuständiger Referatsleiter im BMBF, zu heise-online.

In seinem Vortrag auf der BMBF-Tagung "Virtuelle und Erweiterte Realität" erläutert Reiners einige der herausragenden Features von OpenSG PLUS, die das Potenzial bergen, es zum kommenden Standard werden zu lassen: Auf Wunsch mehrerer Forschergruppen ist das System portabel, läuft also sowohl auf Unix-Workstations als auch auf Intel-kompatibler Hardware unter Unix/Linux und Windows. Die am Projekt beteiligten Universitäten und Fraunhofer-Institute haben sich mit den Industriepartnern bereits auf eine standardisierte Datenstruktur geeinigt. Es unterstützt explizit Multithreading und definiert Schnittstellen, die die Einbindung von weiteren Modulen zur optimalen Ausnutzung der Features heutiger und zukünftiger CPUs und Grafikhardware unterstützen. Die Anwendungs-Schnittstellen sollen, so Reiners, bis August dieses Jahres eine Stabilität erreicht haben, die den Beginn der Entwicklung auf dem System aufbauender 3D-Anwendungen erlauben.

Gegenüber üblichen Spiele-Engines ist vor allem die Multipipe- und Cluster-Unterstützung von OpenSG hervorzuheben. Multipipe bedeutet, dass das System für Großdisplays und extrem hochauflösende Kleindisplays sowie Caves (Multi-Panel-Räume), mehrere Grafikpipelines gleichzeitig unterstützt. Clustering erlaubt es zusätzlich, eine 1,5-Millionen-SGI-Maschine mit beispielsweise 4 Grafikkanälen, durch "vier vernetzte Aldi-PCs mit aktueller 3D-Hardware" (Reiners) zu ersetzen.

In den vergangenen Jahren sind Projekte wie OpenGL++, eine Kooperation von SUN und SGI gescheitert, das Produkt "Performer" von SGI existiert zwar, ist jedoch im Kern veraltet und nicht flexibel genug für die Anforderungen der Forscher. Durch diese Marktsituation – und da treffen sich die Wünsche von Forschern und Ministerium – ist das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und langfristige Verfügbarkeit derartiger Lösungen im kommerziellen Bereich erschüttert worden. Nur ein Open-Source-Projekt gibt nach Ansicht der Beteiligten deshalb die notwendige Investitionssicherheit, da es von niemandem willkürlich eingestellt werden kann.

Für Reiners sähe der optimale Mitarbeiter an OpenSG folgendermaßen aus: "Jemand, der eine Kompetenz mitbringt, die wir noch nicht haben, weil er zum Beispiel gerade eine Diplomarbeit über Cartoon-Rendering geschrieben hat und sich damit auskennt, wäre ideal. Aber auch jeder Computer-Grafik-Programmierer, der in C++ fit ist, ist ein Gewinn." (Frank Fremerey) / (wst)