Schlaue Affen durch menschliche Gene?

Chinesische Forscher haben mehrere Makaken genetisch verändert und ihre Intelligenz getestet. Zumindest beim Kurzzeitgedächtnis sollen damit Verbesserungen erreicht worden sein.

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Schlaue Affen durch menschliche Gene?

(Bild: Ms. Tech; Evolution: Wikimedia commons)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Antonio Regalado
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Die menschliche Intelligenz ist eines der folgenreichsten Ergebnisse der Evolution. Sie ist die Folge eines Sprints, der vor Millionen von Jahren begann und zu immer größeren Gehirnen und immer neuen Fähigkeiten führte. Letztlich gingen die Menschen aufrecht, griffen zum Pflug und schufen die Zivilisation, während unsere Primaten-Cousins auf den Bäumen blieben.

Wissenschaftler aus Südchina berichten jetzt, dass sie versucht haben, diese evolutionäre Lücke zu verkleinern: Sie haben mehrere transgene Makaken mit zusätzlichen Kopien eines menschlichen Gens produziert, von dem vermutet wird, dass es zur Ausbildung von Intelligenz beiträgt.

„Dies war der erste Versuch, die Evolution des menschlichen Verstands mit Hilfe eines transgenen Affenmodells zu verstehen“, sagt Bing Su, ein Genetiker am Kunming Institute of Zoology, der die Studie geleitet hat. Laut den Wissenschaftlern erreichten die modifizierten Affen bessere Ergebnisse bei einem Gedächtnistest mit Farben und Blockbildern und die Entwicklung ihres Gehirns dauerte länger – wie bei menschlichen Kindern. Bei der Hirngröße gab es keine Unterschiede.

Die Ergebnisse wurden Ende März in der in Peking erscheinenden Fachzeitschrift National Science Review veröffentlicht und zunächst von chinesischen Medien aufgegriffen. Die Geheimnisse des menschlichen Geistes entschlüsselt oder das Aufkommen von intelligenten Primaten ausgelöst haben sie jedoch nicht.

Stattdessen bezeichneten westliche Wissenschaftler, die zum Teil an der Arbeit beteiligt waren, die Versuche als verantwortungslos. Sie würden die Ethik der genetischen Modifizierung von Primaten in Frage stellen, ein Gebiet, auf dem sich China einen technologischen Vorsprung verschafft hat.

„Die Nutzung von transgenen Affen zur Untersuchung von menschlichen Genen, die in Zusammenhang mit der Hirnentwicklung stehen, ist ein sehr riskanter Weg“, sagt James Sileka, Genetiker an der University of Colorado. Seine Sorge ist, dass die Experimente Missachtung für die Tiere zeigen und bald zu extremeren Eingriffen führen werden. „Das ist ein klassisches Beispiel für rutschiges Terrain, und wir können mit mehr davon rechnen, wenn diese Art von Forschung fortgesetzt wird“, so Sileka.

In Europa und den USA wird Forschung an Primaten immer schwieriger, während China sich beeilt, bei ihnen die neuesten DNA-Hightechwerkzeuge anzuwenden. In dem Land wurden die ersten mit dem Gen-Editierwerkzeug CRISPR veränderten Affen geschaffen, und in diesem Januar meldete ein chinesisches Institut, ein halbes Dutzend Klone eines Affen mit einer schweren psychischen Störung produziert zu haben. Sileka bezeichnet diese rapiden Fortschritte als „verstörend“.

Su hat sich als Forscher am Kunming Institute of Zoology auf die Suche nach Anzeichen für „Darwin'sche Selektion“ spezialisiert, also für Gene, die sich verbreitet haben, weil sie erfolgreich sind. Seine Forschungsarbeit umfasst Themen wie die Anpassung von Yaks im Himalaya an große Höhen oder die Evolution der menschlichen Hautfarbe in Reaktion auf kalte Winter.

Das größte Rätsel von allen aber ist Intelligenz. Bekannt ist, dass die Gehirne unserer menschenähnlichen Vorfahren rasch an Größe und Leistungsfähigkeit gewannen. Um die Gene zu finden, die diese Veränderung ausgelöst haben, haben Wissenschaftler Unterschiede zwischen Menschen und Schimpansen untersucht, deren Gene unseren zu 98 Prozent gleichen. Das Ziel dabei war laut Sileka, die Juwelen unseres Genoms zu finden – also die DNA, die uns einzigartig menschlich macht.

Ein beliebter Gen-Kandidat ist zum Beispiel FOXP2, in den Medien auch als „Sprachgen“ bezeichnet. Berühmt wurde es für seine mögliche Verbindung zur menschlichen Sprache – eine britische Familie, deren Mitglieder eine abnormale Version dieses Gens erbten, hatten Schwierigkeiten beim Sprechen. Bald darauf nahmen Wissenschaftler von Tokio bis Berlin Mutationen an Mäusegenen vor und lauschten mit Ultraschallmikrofonen, ob sich ihr Piepsen veränderte.

Su war von einem anderen Gen fasziniert: von MCPH1 oder Mikrocephalin. Nicht nur unterscheidet sich diese Gensequenz bei Menschen und Affen, Babys mit Schäden an Mikrocephalin werden auch mit winzigen Köpfen geboren, sodass eine Verbindung zur Hirngröße besteht. Zusammen mit seinen Studenten vermaß Su einmal die Köpfe von 867 chinesischen Männern und Frauen, um zu erforschen, ob sich die Unterschiede durch genetische Variationen erklären ließen.

2010 aber sah er eine Chance, ein potenziell aufschlussreicheres Experiment vorzunehmen – einem Affen das menschliche Mikrocephalin-Gen einzupflanzen. China hatte damals bereits begonnen, seine großen Brutstätten für Affen (das Land exportiert mehr als 30.000 dieser Tier pro Jahr) mit den neuesten genetischen Werkzeugen auszurüsten, womit es zum Mekka für ausländische Wissenschaftler wurde, die Affen für Experimente brauchen.

Um ihre Tiere zu erschaffen, brachten Su und Kollegen Affenembryos in Kontakt mit einem Virus, das die menschliche Version von Mikrocephalin trägt. Sie produzierten elf dieser Affen, von denen fünf überlebten und einer Reihe von Hirn-Messungen unterzogen wurden. Jedes der Tiere hat zwischen zwei und neun Exemplare des menschlichen Gens im Körper.

Sus Affen werfen ungewöhnliche Fragen bezüglich Tierrechten auf. Im Jahr 2010 schrieben Sileka und drei Kollegen einen Fachaufsatz mit dem Titel „Die Ethik der Nutzung von transgenen Primaten zur Erforschung der Frage, was uns menschlich macht“. Darin kamen sie zu dem Schluss, dass menschliche Gehirn-Gene niemals Menschenaffen wie zum Beispiel Schimpansen eingepflanzt werden sollten, weil sie uns zu ähnlich sind.

„In der öffentlichen Vorstellung kommt man sofort zum Planeten der Affen“, sagt Jacqueline Glover, Bioethikerin an der University of Colorado und eine der Autorinnen. „Sie zu vermenschlichen, verursacht bei ihnen Leid. Wo würden sie leben und was würden sie machen? Wir sollten kein Lebewesen schaffen, dass unter keinen Umständen ein sinnvolles Leben führen kann.“

Allerdings befanden die Autoren des Aufsatzes auch, dass es akzeptabel sein könnte, solche Veränderungen an weniger menschenähnlichen Affen vorzunehmen. In einer E-Mail erklärte Su, auch er sei der Meinung, dass Menschenaffen uns so ähnlich sind, dass ihre Gehirne nicht verändert werden sollten. Normale Affen und Menschen aber hätten zuletzt vor 25 Millionen Jahren einen gemeinsamen Vorfahren gehabt. Für Su schwächt das die ethischen Bedenken ab. „Ihr Genom ist unserem zwar ähnlich, aber es gibt auch zig Millionen Unterschiede“, schreibt er – Affen würden auch mit der Einführung von ein paar menschlichen Genen immer nur Affen bleiben.

Das Experiment der Chinesen spricht dafür, dass sie mehr Intelligenz und größere Gehirne bei ihren transgenen Menschenaffen für möglich hielten. Aus diesem Grund steckten sie die Tiere in MRT-Geräte, um ihre weiße Substanz zu vermessen, und unterzogen sie Gedächtnistests am Computer. Laut dem Bericht hatten die transgenen Tiere keine größeren Gehirne, aber sie waren deutlich besser in einem Quiz für das Kurzzeitgedächtnis; dieses Ergebnis bezeichnet das Team als bemerkenswert.

Mehrere andere Wissenschaftler sind der Meinung, dass die Versuche nicht viel neue Informationen gebracht haben. Zum Beispiel Martin Styner, ein Informatiker an der University of California und Experte für MRT, der als einer der Co-Autoren der chinesischen Studie aufgeführt ist: Er habe lediglich chinesische Studenten darin geschult, Daten zum Hirnvolumen aus MRT-Bildern zu extrahieren. Er habe darüber nachgedacht, seinen Namen aus dem Paper streichen zu lassen, für das sich im Westen kein Verlag gefunden habe.

„Es gibt viele Aspekte in dieser Studie, die in den USA nicht möglich wären“, sagt Styner. „Sie wirft Fragen über die Art der Forschung und ob die Tiere angemessen versorgt wurden auf.“ Nach dem, was er gesehen hat, sieht Stymer weiterer Evolutionsforschung an transgenen Affen nicht unbedingt freudig entgegen. „Ich denke nicht, dass das eine gute Richtung ist“, sagt er. „Jetzt haben wir dieses Tier geschaffen, das anders ist, als es sein sollte. Wenn wir Experimente machen, müssen wir vorher genau wissen, was wir dadurch erfahren wollen, um der Gesellschaft zu helfen, und das ist hier nicht der Fall.“

Eines der Probleme ist, dass genetisch veränderte Affen teuer zu produzieren und versorgen sind. Mit nur fünf Exemplaren ist es schwierig, zu belastbaren Ergebnissen bei der Frage zu kommen, ob sie sich wirklich von normalen Affen unterscheiden. „Die chinesischen Forscher wollen die Hirnentwicklung verstehen“, sagt Styner, „aber ich glaube nicht, dass sie so weiterkommen.“

In seiner E-Mail bezeichnet auch Su die geringe Zahl von Affen als Einschränkung. Er habe aber schon eine Lösung dafür: Er produziert weitere Affen und testet in ihnen auch neue Gene zur Hirn-Evolution. Unter anderem hat er SRGAP2C ins Auge gefasst, eine DNA-Variante, die vor etwa zwei Millionen Jahren aufkam, gerade als der Australopithecus die afrikanische Savanne für frühe Menschen räumte. Das Gen wurde schon als Menschheits-Schalter und als fehlendes genetisches Glied bezeichnet. Wie Su erklärt, hat er es bereits in Affen eingebaut. Noch aber könne er nichts über die Ergebnisse sagen.

(sma)