Weber will "der digitalen Welt den europäischen Stempel aufdrücken"

Manfred Weber. Bild: European People's Party / CC-BY-2.0

Der christdemokratische Europawahl-Spitzenkandidat fordert eine "Klarnamenpflicht" in Sozialen Netzwerken

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Am 15. Mai meinte der christdemokratische Europawahl-Spitzenkandidat Manfred Weber von der CSU in einem Interview mit dem SPD-eigenen Redaktionsnetzwerk Deutschland, er wolle "der digitalen Welt den europäischen Stempel aufdrücken, um unsere Werte zu garantieren". Kurz darauf führte er beim TV-Duell von ZDF und ORF aus, was er sich darunter konkret vorstellt: Eine "Klarnamenpflicht" in Sozialen Netzwerken, mit der er "Hass und Hetze" begegnen will.

Die österreichische Regierungspartei ÖVP, die zu Webers christdemokratischer EVP-Fraktion gehört, hat so eine Klarnamenpflicht in ihrem Entwurf für ein "Bundesgesetz über Sorgfalt und Verantwortung im Netz" bereits im April vorgelegt (vgl. "Digitales Vermummungsverbot"). Die Vorschrift ist mit "digitales Vermummungsverbot" zweitbetitelt und fordert ab 2020 von Diensteanbietern mit mehr als 100.000 registrierten österreichischen Nutzern oder mehr als 500.000 Euro Umsatz in Österreich die Feststellung und Überprüfung der tatsächlichen Namen und Adressen von Nutzern, bevor diese etwas in Foren posten oder Foren anlegen dürfen.

Österreich. Auch Privatleute sollen Klarnamen abfragen dürfen

Damit die Klarnamen und Adressen nicht nur von Behörden, sondern auch von Privatleuten abgefragt werden können, müssen "nicht in Österreich ansässige Diensteanbieter" wie Facebook oder Twitter einen "verantwortlichen Zustellbevollmächtigten" benennen, der "unverzüglich" erreichbar ist. Dieser Beauftragte ist auch Adressat von Bußgeldern, die die Regulierungsbehörde KommAustria verhängen darf, wenn sie Verstöße feststellt. Im Wiederholungsfall können diese bis zu einer Million Euro hoch werden.

Zur Begründung der Vorschrift heißt es in der Vorlage, eine "gefühlte Distanz in der digitalen Welt" könne "Auswüchse annehmen, die nicht akzeptabel sind". Deshalb wolle man "Grenzüberschreitungen, Herabwürdigungen, Demütigungen und Übergriffen im digitalen Raum […] wirksame rechtliche Maßnahmen entgegensetzen" und verhindern, dass sich jemand "in der Anonymität des Internets versteckt". Das fördere den "respektvollen Umgang der Poster in Online-Foren miteinander" und erleichtere die "Verfolgung von Rechtsansprüchen im Falle […] rechtswidriger Postings". Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz ergänzte bei der Vorstellung, das Internet dürfe "kein rechtsfreier Raum sein" und man brauche dort "Rahmenbedingungen für mehr Verantwortung".

Weber könnte als Kommissionspräsident Rahmenbedingungen ändern lassen

Anders sieht man das beim österreichischen Internetbranchenverband ISPA. Dessen Generalsekretär Maximilian Schubert vergleicht die geplante Regelung mit einer "Ausweispflicht im Internet", die "mit den Verhältnissen der physischen Welt nichts zu tun" habe: "Schließlich", so Schubert, "muss ich mich nicht ausweisen, bevor ich mich offline zu einem Thema äußere". Außerdem warnt der Lehrbeauftragte für IT-Recht vor einer Unvereinbarkeit mit den Regeln des Europäischen Binnenmarkts. Die könnte Weber allerdings ändern lassen, wenn er EU-Kommissionspräsident würde.

Ob er das wird, ist allerdings noch offen. Den aktuellen Umfragen nach wird seine EVP-Fraktion zwar erneut stärkste Partei im Europaparlament, muss aber damit rechnen, auch gemeinsam mit den Sozialdemokraten nicht auf eine absolute Mandatsmehrheit zu kommen. Die dann als Mehrheitsbeschaffer für eine Neuauflage der informellen Großen Koalition infrage kommenden Liberalmacronisten und Grünen könnten als Gegenleistung auf einen anderen Kandidaten als Weber bestehen. Zum Beispiel auf die dänische EU-Kommissarin Margrete Vestager (vgl. EU-Kommissionspräsidentschaft: Vestager statt Weber?) - oder auf Angela Merkel, für die vor allem Grüne schwärmen (vgl. Merkel als EU-Kommissionspräsidentin?).

Der ehemalige Elefantenrunden-Moderator und Buchautor Wolfgang Herles (vgl. "Merkel verhält sich nicht anders als quotensüchtige Medien") geht sogar davon aus, dass die deutsche Bundeskanzlerin insgeheim damit kalkuliert, dass Weber nicht EU-Kommissionspräsident wird. Seiner Wahrnehmung nach könnte er eher dazu dienen, in der Berliner Regierungskoalition die CSU ruhigzustellen:

Der Spitzenkandidat der Unionsparteien bei der Europawahl heißt Manfred Weber und ist - man kann es jeden Abend im Fernsehen bestaunen - eine Pfeife. Eine beflissene Floskelschleuder, ein farbloser Funktionärsdarsteller […] Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass er nicht Kommissionspräsident wird, unabhängig davon, wie die Wahl ausgeht. Merkel ist das gerade recht. Sie wird sich, den wohlfeilen jüngsten Beteuerungen zum Trotz, eben notfalls selbst in eine neue Amtspflicht nehmen lassen. […] Weber war von Anfang an nur Platzhalter. Am Ende wird seine mangelnde Eignung Vorwand sein, weshalb Merkel unbedingt nach Brüssel muss. (Wolfgang Herles)

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