Bitrauschen: Neue Chips, neue Codenamen und Nanosheet-Transistoren

Der AMD Ryzen 3000 setzt Intel unter Druck und HPE schluckt die Supercomputer-Legende Cray. Die gesamte Chip-Branche zittert vor dem US-Präsidenten und schaut in eine ungewisse Zukunft.

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Bitrauschen: Neue Chips, neue Codenamen und Nanosheet-Transistoren
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Die deutsche Wirtschaft vertraut ihren chinesischen Handelspartnern mittlerweile stärker als der US-Regierung, meint Forsa: So weit hat Donald Trump die transatlantischen Beziehungen zerrüttet. Besonders schwierig ist die Situation für die inhärent globale Halbleiterbranche: Wichtige Komponenten sind „Made in China“ und die Nachfrage dort war bisher der stärkste Wachstumsmotor. Die US-Wut trifft sogar die britisch-japanische Firma ARM, die ihre Beziehungen zu Huawei abbrach. Da fragt man sich, was das für beliebte Bastelcomputer mit Chips von anderen chinesischen Firmen wie Allwinner und Rockchip bedeutet. Das Damoklesschwert schwebt auch über der Kooperation von AMD mit Sugon beim Hygon Dhyana für chinesische Exaflops-Superrechner. Und Intel entwickelt mit der Universität Tsinghua den sicheren Spezial-Xeon namens Jintide, der im Verbund mit speziellen Speichermodulen ungewöhnliches Softwareverhalten enttarnt.

In Chinas Nachbarland Taiwan hat die IT-Branche gerade eine ihrer wichtigsten Messen abgefeiert, die Computex. Sie stand vor allem im Zeichen von AMD: Firmenchefin Lisa Su – selbst noch in Taiwan geboren – präsentierte in ihrer Keynote zum Messeauftakt den 7-nm-Prozessor Ryzen 3000 samt Chipsatz X570 und PCI Express 4.0. Wie schon spekuliert, kommt er am 7.7.2019. Intel kann nur schwach kontern und fürchtet vor allem den Serverprozessor Rome. AMD zeigte ein Benchmark-Video, das YouTube-Star Rezo wohl „Die Zerstörung des Xeon“ genannt hätte. Intel reagierte dünnhäutig mit dem Verweis auf den angeblich stärkeren Xeon Platinum 9200, verrät aber bisher nicht einmal dessen Preis. Derweil ist der Codename „Genoa“ für Epycs der vierten Zen-Generation aufgetaucht, die 2021/22 auf Naples (Zen), Rome (Zen 2) und Milan (Zen 3) folgen sollen.

Wie an dieser Stelle schon berichtet, arbeitet AMD an zwei prestigeträchtigen Supercomputerprojekten im Homeland USA, zusammen mit der Traditionsmarke Cray. Die hat sich Hewlett Packard Enterprise (HPE) nun einverleibt, drei Jahre nach der Übernahme von SGI. HPE war als Lieferant von Top500-Supercomputern zuletzt deutlich zurückgefallen und könnte mit Cray nun wieder die Nummer zwei hinter Lenovo werden. HPE baut für das Stuttgarter HLRS auch den 38 Millionen Euro teuren „Hawk“ mit AMDs Rome-Epycs, der die Top 10 der Top500-Liste erklimmen soll.

Fertigungsverfahren unterschiedlicher Chip-Hersteller lassen sich nicht mehr direkt vergleichen, etwa 7 nm von TSMC mit 7 nm von Samsung oder 10 nm von Intel. In Zukunft wird es noch schwieriger, weil immer mehr spezifische Erweiterungen hinzukommen. Viele Jahre lang koordinierte die Halbleiterindustrie ihre Strukturverkleinerungen mit der gemeinsamen International Technology Roadmap for Semiconductors (ITRS) – aber die letzte erschien 2016 und endet Mitte der 2020er-Jahre mit der 2-nm-Technik. Danach sollen neue Transistor-Bauformen wie Gate All Around (GAA) und Nanosheets, neue Materialien wie Ruthenium und neue Bauformen wie Chiplets Verbesserungen bringen – Buzzwords wie „Beyond CMOS“ und „More than Moore“ weisen über das Moore’sche Gesetz hinaus.

Ein Benchmark-Video von AMD zeigt den kommenden Epyc „Rome“ bei numerischer Molekulardynamik (NAMD) weit vor Intels Xeon Platinum 8280.

(Bild: AMD/YouTube)

Höhere Taktfrequenzen scheinen schwer erreichbar zu sein: Während Intel als hektischen Ryzen-3000-Konter gerade einen Core i9-9900KS mit 5-GHz-Turbo auf allen Kernen in den Ring schickt, bleibt der neue 10-nm-Mobilprozessor Ice Lake-U deutlich unter den Taktfrequenzen seiner 14-nm-Vorgänger. Und auch AMD hat für den Ryzen 3000 vieles versprochen, aber keine 5 GHz. Spezialbeschleuniger sollen die Performance-Lücken stopfen. Ein Beispiel dafür ist ein Fujitsu-Chip zum Lösen komplexer Optimierungsprobleme, lustigerweise DAU getauft. Das steht jedoch für Digital Annealing Unit und nicht für den dümmsten anzunehmenden User. Ein bisschen Bauernfang ist aber schon dabei, weil Fujitsu dem DAU eine Verwandtschaft zu Quantencomputern andichtet, die bei näherer Betrachtung nicht besteht.

Unterdessen lässt Fujitsu jetzt den starken 7-nm-ARM-Prozessor A64FX mit neuartigen SVE-Befehlssatzerweiterungen für den japanischen Post-K-Supercomputer fertigen. Letzterer soll „Fugaku“ heißen, das ist eine Bezeichnung für den Berg Fuji. Mit dem wiederum hat der Name der Firma Fujitsu hingegen nichts zu tun: Der leitet sich vielmehr von einer verkürzten Kombination der Wörter Furukawa und Jimensu ab, wobei letzteres die japanische Aussprache von Siemens ist. Denn schon 1935 gründete Siemens ein Joint Venture mit einer japanischen Firma namens Furukawa.

Dieser Artikel stammt aus c't 13/2019 (ciw)