Zweitaktmotoren erobern Flugdrohnen – Wankelmotor als Speziallösung

Drohnen setzen für Ausdauer zunehmend auf Verbrennungsmotoren, oft in Kombination mit Akkus. Zweitaktmotoren dominieren, doch auch Wankelmotoren haben Stärken.

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Zweitaktmotor

Hirths F23 wiegt 22 Kilo und leistet bei 6500 Umdrehungen 50 PS.

(Bild: Hirth Engines)

Lesezeit: 8 Min.
Inhaltsverzeichnis

Immer häufiger fliegen kommerzielle Drohnen mit Verbrennungsmotoren. Hybridlösungen, bei denen der Motor einen Stromgenerator antreibt, sind derzeit besonders in Mode, es gibt aber auch Direktantriebe. In beiden Varianten dominieren Zweitaktmotoren. Als Alternative stehen Wankelmotoren zur Verfügung.

heise online hat jeweils einen Hersteller nach den Vor- und Nachteilen der beiden Techniken im Flugdrohneneinsatz gefragt: Hirth Engines aus Baden-Württemberg, die seit 60 Jahren Zweitaktmotoren bauen, und die 2012 gegründete Firma Advanced Innovative Engineering (AIE) aus England.

Hirths Vertriebsbüro befindet sich in Wien, wo wir den Leiter des internationalen Vertriebs, Peter Lietz, erreicht haben. Bei seinem früheren Arbeitgeber Austro Engine hat Lietz jahrelang Wankelmotoren verkauft, er kennt also beide Verfahren in- und auswendig. Alex Vaughn ist für die Weiterentwicklung der AIE-Geschäfte zuständig. Ihn erreichten wir am Firmensitz in Lichfield nahe Birmingham.

In einigen Punkten waren sich die beiden Experten einig: Wankelmotoren sind weniger verbreitet. Bei ihnen dreht sich alles nur um eine Achse, womit sie deutlich weniger vibrieren. Das macht es leichter, scharfe Fotos zu schießen, und ist auch für einen etwaig angeschlossenen Stromgenerator pfleglich. Letztere können auch von den höheren Drehzahlen der Wankelmotoren profitieren. Lietz betonte, dass für effiziente Stromproduktion weniger die Drehzahl als vielmehr eine stimmige Kombination aus Motor und Generator wichtig ist: "Der Deckel muss auf den Topf passen."

Die S-100 des österreichischen Herstellers Schiebel ist vielleicht die bekannteste Drohne mit Wankelmotor.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

In der Anschaffung sind Zweitaktmotoren für Drohnen unstrittig billiger. Es gibt breite Auswahl bei Motorengröße und -qualität, mit Vergaser oder Einspritzer, und sehr viele Anbieter, die sich intensiven Wettbewerb liefern. Im unteren Preissegment, wo sogar "Wegwerfmotoren" aus dem Modellflug-Bereich eingesetzt werden, können Wankelmotoren nicht mithalten.

"Wegwerfmotor", weil manche Zweitakter so billig sind, dass sich Reparaturen nicht rechnen. Die Anschaffungskosten sollten aber gar nicht der entscheidende Faktor sein: "Der Motor macht nur etwa ein Zehntel des Preises eines Drohnensystems aus", führte Lietz aus, "Wer da beim Motor spart, spart am falschen Platz." Wichtiger ist das Time Between Overhaul (TBO) genannte Wartungsintervall.

Bei einem Rundgang auf der Drohnenmesse Xponential in Chicago im Mai fand heise online mehrere Zweitaktmotoren, die bereits nach 200 Stunden ausgebaut und gewartet werden müssen, während andere noch kürzere Intervalle erforderten. Ausbau, Wartung und Einbau kosten Zeit und damit Geld. Lietz verweist allerdings darauf, dass die TBO betriebsbedingt schwankt: "Wie geht man mit dem Motor um? Lässt man ihn nach dem Anlassen warmlaufen und nach dem Flug kaltlaufen?"

Aus Vaughns Sicht profilieren sich seine Wankelmotoren bei der TBO. Erst nach 500 Betriebsstunden bräuchten sie Zuneigung, insbesondere in Form neuer Dichtungen. Und weil Wankelmotoren deutlich weniger bewegliche Teile aufweisen, sei die Wartung flotter erledigt. Hinzu komme ein Vorteil beim Design der Luftfahrzeuge: Weil kein Zylinder herausragt, hätten Luftfahrzeugentwickler mehr Freiheiten.

Alex Vaughn, der bei AIE für die Weiterentwicklung des Geschäfts zuständig ist, mit einem AIE 225CS Wankelmotor mit 40 PS.

(Bild: AIE)

In der Wankelbranche tummeln sich deutlich weniger Anbieter als bei den Zweitaktern. "Man kennt einander", konstatiert Lietz. "Wankelmotoren sind nicht so simpel zu kaufen wie Zweitakter", gesteht Vaughn ein, "Es ist ein Nischenprodukt mit geringeren Stückzahlen." Entsprechend schwieriger ist es, Personal zu finden, das sich mit den Rotationsmotoren gut auskennt und Erfahrung hat. Auch Ersatzteile sind für Zweitakter generell leichter beschaffbar.

Der Ruf hoher Ölverluste bei Wankelmotoren sei "ein historisches Stigma aus den 1970er-Jahren", meint Vaughn, das mit neuen keramischen Dichtungen und Abkehr von der Luftkühlung erledigt sei. Doch auch heute sind noch luftgekühlte Wankelmotoren im Einsatz, etwa bei der Aufklärungsdrohne AAI RQ-7 Shadow. Da kommt dann unverbranntes Öl aus dem Auspuff. Das ist umweltschädlich und beschränkt das Design des Fluggeräts: Der Auspuff muss so platziert sein, dass das Öl das Fahrzeug nicht verschmutzt. Für Rotordrohnen ist das eher unpassend, weil sie im Einsatz gerade kein eindeutiges Vorne und Hinten haben sollen.

AIE bewirbt daher sein eigenes Flüssigkühlsystem SPARCS (Self-Pressurising-Air Rotor Cooling System). Dabei werden bei der Verbrennung entstehende Gase durch den Motor geleitet, um weitere Hitze aufzunehmen, die sie dann an einen Wärmetauscher abgeben. Der Tauscher kann im Inneren des Motorblocks oder außen angebracht sein. Damit, verspricht AIE, gelangt kein unverbranntes Öl nach draußen. Es wird vorher verbrannt.

Apropos Öl: Sowohl Zweitakter als auch Wankel verbrennen es. Laut Lietz verbrauchen Zweitakter aber weniger Öl. Die Zuführung ist unterschiedlich: Zweitakter brauchen von vornherein ein Treibstoff-Öl-Gemisch, während Wankelmotoren separate Tanks für Treibstoff und Öl haben. Ersteres vereinfacht die Konstruktion des Fluggeräts, letzteres vereinfacht die Lieferkette, weil keine separate Treibstoffart vorgehalten werden muss.

Peter Lietz leitet von Wien aus den internationalen Vertrieb der Hirth-Motoren.

(Bild: Hirth Engines)

Sowohl Hirth als auch AIE können mit einer breiten Palette kompatibler Treibstoffarten aufwarten: Benzin, Flugbenzin, Diesel, Jet A-1, JP4, JP8, jeweils vorgemischt mit Öl, für Hirths Zweitakter, und Benzin, Flugbenzin, Jet A-1, JP8 sowie das im Marinebereich verbreitete JP5 für AIEs Wankelmotoren, die allerdings keinen Diesel vertragen.

Der Verbrauch eines Gesamtsystems hängt von vielen Faktoren und natürlich dem Einsatzbereich ab. So verlieren beide Techniken je hundert Metern Höhengewinn etwa ein Prozent an Leistung. Und gerade im Drohnenbereich sind auch noch Zweitakter mit Vergaser verbreitet. "Vergaser sind robust, einfach und billig", erklärte Lietz, "Solange sie Sprit bekommen, funktionieren sie." Zudem sei die Kundschaft nicht gerade durch Early Adopters geprägt: "Ich treibe mich jetzt 25 Jahre in der Fliegerei herum. Ich habe noch selten eine konservativere Branche gesehen."

Beim spezifischen Verbrauch des Motors punkten die Zweitakter laut Lietz mit 320 bis 400 Gramm je Kilowattstunde gegenüber 450 bis 550 Gramm bei Wankelmotoren. Viertaktmotoren verbrauchen weniger, sind aufgrund ihrer Komplexität und ihres Gewichts jedoch größeren Flugdrohnen vorbehalten, die 50 PS und mehr brauchen. [Update] AIE weist darauf hin, dass deren Wankelmotoren nur 310 bis 350 g/kWh verbrauchen, in Tests sogar weniger als 300. [/Update]

Die bei Wankelmotoren üblichen höheren Drehzahlen haben einen unerwünschten Nebeneffekt: Sie machen diese Motoren lauter. Bei Rotordrohnen ist das nicht erheblich, weil das Motorengeräusch sowieso im Lärm der Rotorblätter untergeht. Die für Bodenfahrzeugen entwickelten Methoden zur Lärmreduktion bei gleichzeitiger Verbrauchssenkung sind aber zu sperrig und schwer, um sich für Flugdrohnen zu eignen. Für diese bleibt der Einbau von Schalldämpfern.

Zweitakter sind in aller Regel luftgekühlt. Damit geraten sie bei häufigem Schwebeflug, wo wenig Luft vorbeiströmt, sowie in heißen Umgebungen ins Hintertreffen gegenüber flüssiggekühlten Motoren. Dafür braucht Flüssigkühlung eben Flüssigkeit, die das Gesamtgewicht erhöht, und Rohre: Deren Länge und damit Gewicht hängt davon ab, wie weit der Motor vom Radiator entfernt ist.

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Einen klaren Gewinner gibt es nicht. Die Wahl der Motortechnik hängt von vielen Faktoren ab, darunter Einsatzzweck und -bereich, dem voraussichtlich verfügbaren Fachpersonal, dem Budget und insbesondere der Bauart der Drohne. Wer den Motor erst am Ende des Design aussucht, wird nur zufällig eine echte Wahl haben.

Vaughn möchte noch bei der Sicherheit punkten: Zweitakter hätten häufiger plötzliche Ausfälle als Wankelmotoren, die eher schleichend den Geist aufgäben und somit öfter eine gelungene Sicherheitslandung erlauben. Das mag zwar bei Direktantrieben eine Rolle spielen, bei den derzeit besonders nachgefragten Hybriddrohnen ist das aber nicht relevant. Denn selbst wenn sich dort der Motor plötzlich verabschiedet, liefert der Akku noch Strom für die Landung.

Update 13. Juni 2019 20:17 Uhr: Angaben zum spezifischen Verbrauch sowie Schalldämpfern ergänzt. (ds)