Gesündere Lebensmittel: Die Industrie wird es schon richten?

Die Reduktionsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft soll Konsumenten vor besonders zucker-, fett- und salzhaltigen Fertiggerichten schützen. Für die Umsetzung der tief gesteckten Ziele kuschelt das Ministerium mit der Industrie.

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Regelmäßig Fertigprodukte zu essen, ist nicht die optimale Art, sich zu ernähren. Sie strotzen üblicherweise vor Zucker, Fetten und Salz. Die Produkte schmecken, dafür sorgen Testesser – letztlich machen sie aber auf vielen Wegen krank: Diabetes mellitus Typ2, Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind nur die Spitze des Folgenberges.

Das hat sich inzwischen herumgesprochen. Aber da es meist schnell gehen muss, wandern im Supermarkt eben doch knusperige, schokoladige Flocken für das schnelle Frühstück in den Einkaufwagen. Dazu der Fruchtjoghurt, die Tiefkühlpizza und für ganz hartgesottene noch die Mikrowellen-Currywurst. Auf den Flocken steht Vollkorn und zuckerreduziert, außerdem sind es ja Cerealien (übrigens nichts weiter als Werbejargon für Getreide). Joghurt ist ohnehin gesund und auf der Pizza ist ganz viel Gemüse – steht ja drauf.

Und an dieser Stelle mischt sich die Politik ein – zu Recht, denn zwischen den Gesundheitsversprechen auf den Verpackungen und dem Kleingedruckten, das mir verrät, dass diese vermeintlich gesunden Frühstückscerealien zu einem Viertel aus Zucker bestehen, klafft eine Lücke vor der wir als Verbraucherinnen und Verbraucher geschützt werden sollten. "Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie" nennt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) seine Initiative. Damit möchte es Kunden der Lebensmittelindustrie "dabei unterstützen, sich gesundheitsförderlich zu ernähren und dafür zu sorgen, dass verarbeitete Lebensmittel gesünder werden", wie die Internetseite des BMEL verspricht. Diese Strategie sieht beispielsweise die Bundesärztekammer kritisch.

Weshalb das Ministerium nicht mit einer einfach umzusetzenden (und in Nachbarländern bereits erfolgreich eingesetzten) Lebensmittelampel wie Foodwatch sie fordert, für eine schnelle Übersicht im Fertigprodukte-Dschungel sorgt, sei dahingestellt.

Die gewählte Strategie basiert jedoch auf einer Selbstverpflichtung der Industrie bis zum Jahr 2025 Zucker, Fette und Salz in ihren Produkten zu reduzieren. In den Frühstücks-Schokoflocken sollen dann also ab 2025 nur noch 20 statt 25 Gramm Zucker in 100 Gramm Flocken enthalten sein. Auch Erfrischungsgetränke und Kinderjoghurts sollen 15 bzw. 10 Prozent weniger Zucker enthalten – damit sind sie immer noch klebesüße Dickmacher und weit entfernt von gesunden Lebensmitteln.

Engmaschig überwacht werden soll der Prozess – von Folgen, falls die Zielvorgaben nicht eingehalten werden, ist jedoch keine Rede. Ganz ehrlich: ist aber auch egal, die Reduzierungen sind so marginal, dass es ohnehin nicht wirklich darauf ankommt.

Derweil setzt Ministerin Julia Kloeckner auf den Dialog mit der Industrie und postet bei Twitter einen netten Plausch mit Marc-Aurel Boersch, dem Vorstandsvorsitzenden der Nestlé Deutschland AG. Nestlé ist mit über 2000 Marken einer der größten Lebensmittelhersteller der Welt. Und die beiden verstehen sich scheinbar richtig gut. Es ist doch beruhigend, wenn Politik und Industrie das gleiche Verständnis vom Bürgerwohl haben und unsere Volksvertreter gleich noch Werbevideos für die Industrie über die Sozialen Medien verteilen.

(jsc)