RoboCup-WM: Rettungsroboter im Schlafzimmer und Fußballroboter mit tauben Füßen

Beim vorletzten Turniertag der RoboCup-WM zeigt ein Rettungsroboter seine Fähigkeiten fürs Bombenräumen. Höhepunkt ist jedoch ein Fußballkrimi.

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RoboCup-WM: Rettungsroboter im Schlafzimmer und Fußballroboter mit tauben Füßen

Der ersehnte Ausgleichstreffer zum 2:2, der die Verlängerung zwischen Rhoban (blau) und MRL HSL erzwang.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

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  • Hans-Arthur Marsiske
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Der Spielplan beim RoboCup – sofern man ihn im Internet überhaupt findet, jede Liga hat ihren eigenen – ist nur bedingt verlässlich. Da kann der tatsächliche Beginn eines Spiels schon mal eine Stunde und mehr vom angekündigten Termin abweichen. Dafür gibt es aber auch immer wieder Unerwartetes zu sehen.

So fuhr am vorletzten Turniertag der RoboCup-WM in Sydney auf einmal ein Rettungsroboter durch die RoboCup@home-Arena. Ein Mitglied des Bombenräumkommandos der Polizei von New South Wales nutzte die Gelegenheit, dass die Teams dieser Liga in einem kleinen Bistro auf der anderen Seite der Halle gerade den Restauranttest absolvierten, bei dem die Roboter sich als Kellner bewähren müssen. Es gebe schon lange Bestrebungen, die @home League stärker mit der Rescue League zusammenzubringen, sagte Dirk Holz (Uni Bonn), Mitorganisator der @home League.

In der Arena musste der Roboter durch Türen in ein Schlafzimmer gesteuert werden, wo unter dem Bett ein Objekt versteckt war, wie es auch im Wettbewerb der Rescue League verwendet wird, um die Fähigkeiten der Roboter zu testen. Allerdings war es hier noch etwas schwieriger, an das Objekt zu gelangen, weil dafür zunächst die Decke vom Bett entfernt werden musste. „Hier wird Geschichte gemacht“, sagte Adam Jacoff, Mitbegründer und maßgeblicher Motor der Rescue Robot League. Das mag etwas übertrieben gewesen sein, aber eine so enge Zusammenarbeit mit professionellen Nutzern dieser Roboter hat es beim RoboCup tatsächlich noch nicht gegeben.

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In der RoboCup@home-Arena schaut ein Rettungsroboter der Polizei…
(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Es war interessant zu sehen, wie ein erfahrener Operator mit einem kommerziellen Roboter so eine Situation angeht. Die Bewegungen erfolgten sehr langsam und kontrolliert, vorsichtig wurde die Decke angehoben, dabei immer wieder die Position der Roboters mit einer hinten montierten Kamera geprüft. Die Kommunikation erfolgte über ein Glasfaserkabel, das Jacoff als einen Schwachpunkt identifizierte. „Ein Kupferkabel würde die Möglichkeit bieten, den Roboter daran herauszuziehen, falls es eine Fehlfunktion gibt“, sagte er. Außerdem wäre es von Vorteil, wenn das Kabel leuchten würde: „In einem dunklen oder verrauchten Gebäude leitet es Rettungskräfte schneller zum Roboter, wenn er Überlebende gefunden hat.“

Interessant war auch, dem Operator über die Schulter zu schauen: Für einen Laien wäre dort auf den ersten Blick nichts zu erkennen. Dennoch erfolgten die Bewegungen des Roboters sehr gezielt und effizient, obwohl jedes Gelenk des Arms einzeln angesteuert werden musste. Auf die Frage, ob er täglich mit dem Roboter trainieren würde, sagte der Operator, das würde er sich wünschen. Es biete sich nur ungefähr einmal die Woche die Möglichkeit dazu. Wünschenswert wäre es auch, wenn sich die hintere Kamera, die sich bislang nur drehen und schwenken lässt, auch auf und ab fahren ließe. Das werde für diesen Roboter aber bislang nicht angeboten.

Der Auftritt der Polizei von New South Wales, die auch beim Aufbau der Rescue-Arena (die sie anschließend fürs Training nutzen wird) tatkräftig mitgeholfen hat, unterstreicht die Nähe der Rescue League zu realen Anwendungen. Dieser stete Austausch mit professionellen Rettungskräften hat viel zur kontinuierlichen Entwicklung dieses Wettbewerbs beigetragen. Eine ähnliche Praxisnähe bietet sonst nur die Logistics League, die zum Beispiel für den Datenaustausch zwischen Robotern und Maschinen mittlerweile den Industriestandard OPC UA verwendet. Nach zähem Beginn läuft der Wettbewerb in dieser Liga inzwischen auch deutlich dynamischer ab, zumindest bei den besten Teams.

Die Haushaltsroboter der RoboCup@home League sind dagegen von einer Anwendungsreife eher Jahrzehnte als Jahre entfernt. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass der Wettbewerb in dieser Liga derzeit zu stagnieren scheint. Leistungen, die Teams wie NimbRo etwa bei der zweiarmigen Manipulation schon vor mehreren Jahren gezeigt haben, werden von anderen Teams immer noch nicht erreicht. Die Einführung eines eigenen Wettbewerbs für die Standardplattformen Pepper und HSR zeigt noch keine klar erkennbare Wirkung. Erstmals wurde diese Subkategorie bei der RoboCup-WM 2017 eingeführt. Vielleicht ist das einfach noch nicht lange genug.

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Auch bei den humanoiden Fußballrobotern hat es ja mehrere Jahre gedauert, bis sie auf dem 2016 eingeführten Kunstrasen einen einigermaßen stabilen Gang entwickeln konnten. Inzwischen kommen sie mit dem nachgiebigen und unebenen Untergrund so gut zurecht, dass die Spiele wieder deutlich ansehnlicher geworden sind. So wurde die Halbfinalbegegnung zwischen Sweaty und Hephaestus in der Humanoid Adult Size zu einem regelrechten Fußballkrimi. Das Sweaty-Team von der Hochschule Offenburg, hatte den an der Hüfte angeschlagenen älteren Roboter ins Tor gestellt und ihn so programmiert, dass er nur die nötigsten Bewegungen ausführte, um das Tor zu schützen.

Die Programmierung des neueren Roboters (Sweaty jun.), der als Feldspieler agierte, musste ebenfalls angepasst werden, nachdem ihm der 50 kg schwere Hephaestus-Roboter in einem vorherigen Spiel auf den Fuß getreten war und die dort befestigten Sensoren beschädigt hatte. „Die Taktik der beiden Roboter war im Hinblick auf die eigenen (Rest-)Stärken optimiert, unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Gegners, soweit sie bis jetzt bekannt waren“, erklärte Teamchef Ulrich Hochberg. Der Plan ging auf: Mit einigem Glück kickte sich Sweaty 1:0 ins Finale. Ein Video des Spiels hat das Team gleich danach ins Internet hochgeladen.

Hochdramatisch war auch das Viertelfinale der Humanoid Kid Size, das diesen Turniertag beschloss. Weltmeister Rhoban lag gegen das Team MRL HSL (Iran) zunächst 1:0 zurück, dann 2:1, bis dann in der zweiten Halbzeit doch noch der Ausgleich gelang. Da die Verlängerung keine Entscheidung brachte, mussten Strafstöße entscheiden, wer ins Halbfinale einzieht. Hier profitierte Rhoban von der größeren Schussstärke seiner Roboter und konnte nach dem hart erkämpften Sieg umso mehr jubeln.

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(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

(tiw)