Ein Spiel als Impfung gegen Fake News

Wer in einem Online-Game selbst gefälschte Nachrichten verbreiten soll, ist anschließend besser in der Lage, sie im echten Leben zu erkennen. Eine solche Immunisierung weckt das Interesse von Wirtschaft und Regierungen.

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Fake News im Netz

(Bild: dpa, Franziska Gabbert)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Sascha Mattke
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Manche Krankheiten lassen sich nicht oder nur sehr schwierig behandeln, doch mit Impfungen kann man ihren Ausbruch zuverlässig verhindern. Nach demselben Prinzip wollen Forscher der University of Cambridge jetzt gegen Fake News vorgehen: Sie haben ein Spiel entwickelt, das Nutzer wie eine Schutzimpfung für Desinformationen im Internet sensibilisiert, sodass sie später auf weniger fruchtbaren Boden bei ihnen fallen.

Wie Jon Roozenbeek und Sander van der Linden in einem Fachaufsatz in "Nature" berichten, funktioniert das tatsächlich: Die Fähigkeit von 15.000 Probanden, falsche Informationen zu erkennen und nicht darauf zu reagieren, hat sich nach der "Spiel-Impfung" verbessert, und zwar unabhängig von Bildungsstand, Alter, politischer Ausrichtung und Denkstil.

Das Problem der Fake News hat in letzter Zeit an Bedeutung gewonnen. Zwar versuchen Sozialmedien-Plattformen, ihm mit künstlicher ebenso wie menschlicher Intelligenz Einhalt zu gebieten, doch das gelingt nur ansatzweise. Wie üblich passen Übeltäter ihre Methoden jeweils an, wenn es neue Gegenmaßnahmen gibt. Und mit "Deep Fake"-Technologie lassen sich mittlerweile sogar Videos so überzeugend fälschen, dass sie ohne kritische Betrachtung als echt durchgehen.

So gesehen wurde es höchste Zeit für einen neuen Ansatz, wie ihn Roozenbeek und van der Linden gewählt haben – sie vergleichen ihn mit einem "Breitband-Impfstoff": Wenn die Nutzer selbst auf Anzeichen für eine Fälschung achten, können auch noch so viele falsche Behauptungen und Videos sie nicht mehr in die Irre führen. Fake News gäbe es dann also weiter, aber sie könnten nichts mehr ausrichten.

Auch früher habe es schon Versuche zu einer Sensibilisierung gegen Falschinformationen gegeben, erklären die beiden Forscher. Diese sei jedoch stets passiv erfolgt, also durch die Lektüre von korrektem Material. Effektiver sei aber potenziell eine "aktive" Beschäftigung mit dem Phänomen. Also entwickelten Roozenbeek und van der Linden zusammen mit der niederländischen Online-Plattform DROG ein Online-Spiel zu Fake News, genannt Bad News, das nach ihren Angaben gleichzeitig unterhalten und aufklären soll.

Darin nimmt der Spieler die Rolle eines Urhebers von Falschnachrichten ein und hat die Aufgabe, so viele Follower wie möglich anzusammeln und zugleich seine Glaubwürdigkeit zu maximieren. Dafür stehen sechs Strategien zur Auswahl, wie sie auch in der realen Welt der Desinformation angewandt werden: Gegner diskreditieren, Verschwörungstheorien vorbringen, trollen (mit kontroversen Aussagen Reaktionen provozieren), polarisieren, auftreten als andere Person und Emotionen ansprechen.

Nach jeder Runde wird angezeigt, welche der Strategien zum Einsatz kam. Wer sich – im Sinne des Spielziels – wiederholt geschickt anstellt, sammelt Punkte und kann vom anonymen Sozialmedienprofil zu einem fiktiven Fake-Medienimperium aufsteigen. Wer dagegen journalistisch einwandfrei vorgeht, verliert Punkte, aber auch für zu offensichtliche Lügen oder schlicht alberne Verhaltensweisen gibt es Abzüge. Ein Spiel mit mehreren Runden dauert etwa 15 Minuten.

Mittels einer Pressemitteilung mit Link zu dem Online-Spiel rekrutierten Roozenbeek und van der Linden insgesamt 43.687 Teilnehmer für ihre Studie, von denen sich 14.266 zusätzlich vor und nach dem Spielen befragen ließen. Anhand dieser Probanden ließ sich dann die Wirkung der Immunisierung via Online-Spiel ermitteln.

Die Ergebnisse waren deutlich: Bei drei Test-Tweets aus den Kategorien Ausgeben als andere Person, Verschwörungstheorien und Diskreditieren zeigten sich die Probanden jeweils signifikant besser darin, sie als unkorrekt zu erkennen; zwei korrekte Kontroll-Tweets zeigten, dass sie dabei nicht wahllos sämtlichen Online-Informationen weniger Glauben schenkten. Dies galt unabhängig davon, ob sie politisch eher konservativ oder eher liberal waren, auch Alter, Ausbildung und Geschlecht spielten keine Rolle dafür, wie sehr sich die Fähigkeit verbesserte, Fake News zu durchschauen.

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"Wenn man zu einer Zauber-Show geht, glaubt man einen Trick vielleicht, weil man nicht weiß, wie er funktioniert", sagte van der Linden in einem Gespräch mit CNN. "Aber wenn man es erst einmal weiß, fällt man nicht mehr darauf herein."

Dasselbe könnte, bei einem weitaus ernsteren Thema, das Konzept von ihm und Roozenbeek für spielerische Aufklärung bewirken. Nach seinen Worten überlegen Google, WhatsApp, das britische Außenministerium und die Europäische Kommission bereits, wie sie das Spiel einsetzen könnten.

(sma)