DRM: Digitale Enteignung

Das hätte nicht mal Marx zu albträumen gewagt: In der digitalen Welt gehören uns weder die Produktionsmittel, noch die Produkte. Und selbst unsere Daten kann man uns jederzeit wegnehmen!

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DRM: Digitale Enteignung
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Achim Barczok

Stellen Sie sich vor, der Buchladen um die Ecke macht zu. Einen Tag später kommt der Besitzer bei Ihnen vorbei und nimmt alle Bücher mit, die Sie dort in den vergangenen Jahren gekauft haben. Was in der analogen Welt völlig absurd klingt, ist in der digitalen normal: Vor einigen Tagen hat Microsoft seinen E-Book-Store geschlossen - dort gekaufte Bücher mit DRM-Kopierschutz sind seitdem nicht mehr lesbar. Immerhin hat Microsoft die Buchpreise erstattet. Es ist nicht das erste, aber sicher eines der drastischsten Beispiele, dass verschlüsselnde Kopierschutzmechanismen eine reine Nutzergängelei sind und man davon ausgehen muss: Wenns ohne Nutzerkonto und Cloud-Verbindung nicht funktioniert, gehört es mir auch nicht.

Bei Filmen und Musik haben uns Mediatheken und Spotify-Netflix-Flats schon dazu erzogen, dass wir Bond und Beatles nur noch dann genießen können, wenn Anbieter und Labels das für angebracht halten. Google, Adobe, Microsoft und Steam übertragen dieses Prinzip auf Spiele und Software.

Das hätte nicht mal Marx zu albträumen gewagt: In der digitalen Welt gehören uns weder die Produktionsmittel, noch die Produkte. Und selbst unsere Daten kann man uns jederzeit wegnehmen! Wenn die Office-Cloud zumacht, Evernote seinen Notizendienst einstellt oder ein Kalender nicht mehr ins Konzept von Google passt, dann ist auch der Content futsch. Man kann dann hoffen, dass der Hersteller gnädigerweise ein Exportformat anbietet. Bei den E-Books von Microsoft hat das nicht geklappt: Anwender, die Notizen in Ihre Bücher geschrieben haben, bekommen stattdessen 25 US-Dollar angeboten - ein toller Trostpreis für alle, die dort wissenschaftliche Anmerkungen oder einzigartige Gedankengänge gesammelt haben.

Wahrscheinlich können wir noch einigermaßen damit leben, dass Amazon uns die E-Book-Versorgung jederzeit abschalten kann. Mit der Powerpoint-Präsentation für das nächste Kundengespräch, der Urlaubsfotosammlung oder dem persönlichen Notizbuch sieht das schon anders aus. Und wie wird das erst, wenn unser autonomer Golf nur noch per VW-Cloud die Straße findet oder der Notarzt leider einen Defibrillator dabei hat, dessen Hersteller nach der Pleite gerade seine Server abgeschaltet hat?

Achim Barczok

Dieser Artikel stammt aus c't 16/2019. (acb)