Inverse Ahnenforschung beschert Mörder lebenslange Haft

Ein durch Gendaten seiner Verwandtschaft Überführter bleibt in den USA für immer im Gefängnis. Es ist das erste Strafurteil fußend auf "reverse genealogy".

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Symbolbild Gene
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Zwei Mal lebenslang, ohne Möglichkeit vorzeitiger Entlassung. Dieses Urteil hat Richterin Linda Krese im US-Staat Washington über William E. Talbott II. verhängt. Zuvor hatten Geschworene den Mann für des Mordes unter erschwerenden Umständen an zwei Kanadiern im Jahr 1987 schuldig befunden. Es dürfte die erste Verurteilung sein, bei der eine Gendatenbank aus der Ahnenforschung zum Täter geführt hat.

Im Rahmen der Urteilsverkündung beteuerte Talbott, der intimen Kontakt mit einem der beiden Mordopfer eingeräumt hat, erneut seine Unschuld am Mord. "Das Gewaltniveau in diesem Fall ist etwas, das ich nicht verstehen kann", sagte der Verurteilte laut dem Daily Herald, "Ich habe mein ganzes Leben als sehr passive Person verbracht. Ich habe nie meine Hand gegen irgendwen erhoben." Er dürfte Rechtsmittel einlegen. Einen Antrag auf ein neues Verfahren hat die Richterin aber bereits abgelehnt.

Weil es das wohl erste Mordurteil mit Gendaten aus Ahnenforschung ist, hat der Fall internationale Aufmerksamkeit erlangt. Denn es ist umstritten, ob die heimliche Verwendung der Gendaten durch die Behörden ohne Gerichtsbeschluss zulässig ist, wenn die DNS-Spender nicht in die Verwendung für polizeiliche Zwecke eingewilligt haben. Die Daten stammen nämlich von Verwandten, die ihre eigenen DNS-Profile zum Zweck der Ahnenforschung veröffentlichen. Die Ermittler gleichen diese Daten mit Spuren von Tatorten ab.

Finden sie ähnliche Erbgutprofile, erstellen sie einen Stammbaum, um den gesuchten DNS-Träger zu eruieren, dessen Profil nicht in der Datenbank enthalten ist. Diese "inverse Ahnenforschung" ist möglich, weil der genetische Code Verwandter teilweise identisch ist. Im Falle Talbotts sollen die Gene zweier Cousins zweiten Grades das Rätsel gelöst haben. Inzwischen sollen in den USA dutzende Fälle durch DNS verräterischer Verwandtschaft aufgeklärt worden sein.

Das Verfahren gegen Talbott war am Snohomish County Superior Court des US-Bundesstaates Washington anhängig. Hinrichtungen sind dort seit Oktober unzulässig. Das Höchstgericht des Staates hat erkannt, dass Todesstrafen in ungerechter und oft rassistischer Weise verhängt werden. Ihr Vollzug verstößt daher gegen die Verfassung Washingtons. Für Verurteilungen nach Bundesrecht hingegen hat US-Justizminister William P. Barr vergangene Woche die Wiederaufnahme des Vollzugs von Todesstrafen angekündigt. (ds)