"Abzug der US-Truppen aus Afghanistan bis November 2020"

Taliban-Propaganda. Bild: Taliban-Sprecher Zabidullah, Twitter

Trump sieht sich als Sieger, die Taliban auch und der IS in Afghanistan wird als neue internationale Bedrohung diskutiert

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Alle US-Truppen sollen bis November 2020 aus Afghanistan abgezogen sein, hat Trump seinem Beraterstab mitgeteilt. Im Außenministerium und im Pentagon herrscht laut den Quellen von NBC helle Aufregung darüber, wie diese Vorgabe geschafft werden soll.

Bereits im Dezember hatte Trump angekündigt, dass die US-Truppen aus Afghanistan abziehen sollen. Dass nach dem Willen des Präsidenten auch die Botschaft in Kabul geräumt werden soll, hatte am Jahresende 2018 offenbar schockähnliche Beunruhigung ausgelöst. Der Präsident hatte es satt, dass er sich immer wieder anhören musste, der der Krieg in Afghanistan sei nicht zu gewinnen ist, gibt ein Pentagon-Mitarbeiter die damalige Stimmung wieder.

Der Krieg in Afghanistan ist schwerlich mit der Siegerpose vereinbar, mit der Trump seine Wiederwahl sichern will. Darüber hinaus geht es darum, seine großen Versprechen einzuhalten, eins davon ist die Beendigung des nun bald 18 Jahre währenden Militäreinsatzes in Afghanistan, der keine Erfolge gebracht hat, die die Trump-Wählerschaft zum Jubeln brächte.

"Sieg in Afghanistan in ein bis zwei Tagen"

So zieht sich Trump mit surrealen "bigger than life"-Äußerungen aus der Klemme, ein Gewinner zu sein, wo überall nur von einer Niederlage die Rede ist: Man könnte ja, wenn man wolle, aber man hält sich zurück. Auf die Frage, wie viel Soldaten abgezogen werden sollen, antwortete Trump am gestrigen Freitag:

Wir reduzieren sie. Wir waren dort 19 Jahre(!) lang. Wir haben dort wirklich als Polizei gearbeitet. Wir könnten in Afghanistan in zwei oder drei Tagen gewinnen, wenn wir das wollen, aber ich habe nicht vor, 10 Millionen Menschen zu töten.

Donald Trump

Die Aufgabenteilung ist bekannt: Der Präsident bringt mit seinen Ankündigungen die gewohnten Manöverordnungen durcheinander, seine Umgebung relativiert, beschwichtigt, nimmt die Hitze raus, entkernt die Sprüche, achtet aber darauf, dass deren Wert für den Wahlkampf unangetastet bleibt.

So war es mit der Ankündigung des "sofortigen Abzugs" der Truppen aus Syrien, der Alarmbotschaften aus verschiedenen Machtzentralen in der Administration folgten, mit dem Ergebnis, dass sieben Monate später keine irgendwie bedeutsame Wende der US-Präsenz in Syrien zu sehen ist.

Auch der Abzug aus Afghanistan wird, wie sich abzeichnet, einem ähnlichen Skript folgen. Auch Außenminister Pompeo verwies vergangene Woche darauf, dass Trump einen Abzug der US-Truppen vor der Präsidentschaftswahl 2020 angewiesen. Allerdings hütete er sich davor, Zahlen und Details zur Planung zu nennen. Er bestätigte die Wahlkampf-Botschaft seines Chefs: "End the endless wars." ("Beendet die endlosen Kriege").

In Afghanistan haben es die USA mit einem Partner zu tun, der afghanischen Regierung, die nicht gerade begeistert davon ist, dass die Schutzmacht abzieht, und den Taliban, die darauf drängen, dass die USA in den Verhandlungen konkrete Zusagen zum Abzug machen. Sie wollen, dass es keine US-Präsenz mehr gibt.

Laut den Beobachtern vom US-Magazin Long War Journal ist alles andere als der vollständige Abzug der US-Soldaten für die Taliban "nicht verhandelbar", das sei für die Vertreter des "islamischen Emirats in Afghanistan" der essentielle Teil des Abkommens. Aus Sicht der Taliban steht außer Frage, dass sie die Sieger sind.

Es geht für sie nur darum, wie schnell der Abzug vonstatten geht. Ihr Drängen geschieht im Selbstverständnis derer, die wissen, dass sie, wenn sich die USA sträuben, anderseits unendlich viel Zeit haben. 18 Jahre haben der "mächtigsten Armee der Welt" nicht gereicht, um die Taliban zu Verlierern zu machen, weitere 18 Jahre würden daran auch nichts Entscheidendes verändern.

Die Garantieerklärung der Taliban

Die Autoren des Long War Journal (LWJ) sind eine gute Quelle, wenn es darum geht, der Schönfärberei der USA bei der Lageeinschätzung in Afghanistan auf die Finger zu sehen; sie schauen sich auch die islamistischen Gotteskrieger genauer an, wie sie das auch in vielen Fällen der "Rebellen in Syrien" getan haben. Allerdings verfolgen sie auch eine politische Agenda. Sie sind ständig auf der Suche nach Indizien, die ihre liebste Hypothese bekräftigen, wonach Iran mit dem al-Qaida-Terrorismus auf verbündetem Fuß steht.

Von einem LWJ-Autoren, Thomas Jocelyn, kommen große Zweifel daran, ob die Taliban eine Garantie einhalten können - oder dies überhaupt wollen -, die für die Verhandlungen zwischen den USA und den Taliban von großer Bedeutung ist: die terroristische Bedrohung aus Afghanistan. Nach außen drang aus den Verhandlungen durch, dass die US-Vertreter den Taliban-Vertretern eine Garantie-Zusage abgenötigt hätten, wonach sie darauf achten, dass von Afghanistan künftig aus keine Terror-Gefahr für andere Staaten ausgehe.

Dass al-Qaida in Afghanistan eine sichere Zuflucht hatte und die Taliban sie ideologisch unterstützten (wie sie auch die 9/11-Anschläge auf das WTC guthießen), gehört zu den Gründen, die den Einmarsch der internationalen Koalition unter Führung der USA in Afghanistan im Herbst 2001 rechtfertigten. Die Verhinderung des Aufbaus neuer Terrornester in Afghanistan war auch die Grundlage für die Militärpräsenz im Land.

Nun gibt es aber in US-Sicherheitskreisen eine größere Debatte darüber, ob der IS in Afghanistan, dessen Präsenz meist unterschätzt wurde, nicht genau eine solche Terror-Bedrohung für andere Länder darstellt.

Welche Rolle den Taliban hierbei zukommt wird, ist unklar. Offiziell sind beide islamitischen Gruppierungen nicht befreundet, es gibt aber auch Berichte zu Überschneidungen. Aber jenseits der Machtkämpfe um territoriale Herrschaft - ideologisch ist die Übereinstimmung größer als gegenüber den Ungläubigen aus dem Westen. Der "Kampf gegen den IS" gehört ebenfalls zu den Wahlversprechen Trumps. Er räumt Spielraum ein.

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