Post aus Japan: Zahl-App verschwindibus

Nur einen Monat nach dem Start hat Nippons Einzelhandelsriese Seven-I das Ende seines Bezahlprogramms 7pay bekanntgegeben. Hacker hatten das System geknackt. Eine Lehrstunde für andere Unternehmen.

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Mobiles Bezahlen

Mobile Payment klappt nicht immer.

(Bild: dpa, Jens Kalaene)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Kölling
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Wie hatte ich mich gefreut: Der Einzelhandelskonzern Seven-I wollte zum 1. Juli die Bezahl-App 7pay für Smartphones einführen. Endlich könnte ich mir im Portemonnaie eine der vielen Plastikkarten sparen, die Loyalitätspunkte und elektronisches Geld kombinieren. Dachte ich. Doch erst stoppte der Konzern die Aufnahme neuer Kunden kurz nach dem Start. Anfang August kündigte Seven-I dann sogar an, das System ganz einzustellen.

Der Grund war ein erfolgreicher Hackerangriff. Von 808 der ersten App-Nutzer konnten die digitalen Diebe 39 Millionen Yen (330.000 Euro) abziehen, bevor 7pays Aufpasser dem System den virtuellen Riegel vorschoben. Das Management versuchte nach einigem Nachdenken erst gar nicht, die Sicherheitslücken zu stopfen. Zu groß wäre der Aufwand, hieß es offiziell. Aber das verlorene Vertrauen der Kunden spielte sicher auch eine Rolle.

Das Debakel spiegelt eine der Fallen digitaler Zahlungssysteme wider: eine unheilige Hast bei der Entwicklung aus Angst, den Anschluss zu verlieren. Der Einzelhandelskonzern hatte 2018 begonnen, die App zu entwickeln. Doch im Dezember kam der Marschbefehl an die Entwickler, auch eine Loyalitäts-App zu integrieren, die weit niedrigere Sicherheitsstandards hatte. Denn das Management sorgte sich, im Wildwuchs der Zahlungssysteme nicht mithalten zu können.

Nicht zu unrecht: Andere Konzerne, darunter der Chat-Dienst Line und die japanische Online-Mall Rakuten, boten schon seit Jahren Apps an. Dann trat 2018 der Mobilnetzkonzern Softbank an und drückte mit Geschenken von 84 Millionen Euro seine eigene Bezahlapp PayPay in den Markt. Die Technik importierte der Telekomkonzern über das Mutterhaus, den Technikinvestor Softbank, vom indischen Dienst Paytm. Zu allem Überfluss startete auch der Convenience-Store-Betreiber FamilyMart, der mit den Seven-Eleven-Läden von Seven-I konkurriert, erfolgreich eine eigene App.

Kurzfristig dürfte der Schaden für Seven-I gering sein. Die eigenen Kunden können ja, wie ich, weiterhin die bisher sehr erfolgreiche Geld-Kundenkarte "Nanaco" nutzen. Sie wurde bisher immerhin 66 Millionen Mal ausgegeben und wird auch wie ein halbes Dutzend anderer Bezahlkarten an neuen Getränkeautomaten akzeptiert. Außerdem verfügen die einzelnen Einzelhandelsketten des Konzerns teilweise über eigene Apps.

Dennoch warnte die Kreditbewertungsagentur Moody's, dass die Stornierung der App ein Rückschlag für die Wachstumsstrategie des Konzerns sei. Denn nun sammeln die verschiedenen Systeme die Kundendaten weiterhin wie in Silos getrennt, anstatt sie zentral insgesamt auszuwerten.

In einer Zeit, in der Datenanalyse und damit gezieltere Werbung immer wichtiger wird, könnte sich das tatsächlich zum Nachteil entwickeln. Das Unternehmen steht nun vor der Herausforderung, ein neues System zu errichten.

Doch vielleicht hat das Desaster auch global gleich ein doppeltes Gutes: Andere Anbieter können nun Seven-Is Fall studieren, um ein eigenes Scheitern zu verhindern. Und wir Kunden sollten lernen, bei neuen Systemen erst einmal abzuwarten, bevor wir auf einen Trend aufspringen.

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