Zahlen, bitte! Der 6502: Computerherz der 8-Bit-Revolution

Der 6502 war einer der wichtigsten Prozessoren des 8-Bit-Homecomputings und befeuerte relevante Computersysteme der späten 1970er und frühen 1980er-Jahre.

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Zahlen, bitte! Der 6502: Computerherz der 8-Bit-Revolution
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Inhaltsverzeichnis

Der von MOS Technology entwickelte 6502-Prozessor war vom Apple I, II und III, über Commodore PET 2001 sowie in C16 (als 7501) und bis hin zum C64 (als 6510) zu finden. In Varianten für Atari 400 und 800 und vielen weiteren Homecomputer-Systemen war der Prozessor ebenfalls am Werk. Auch im Atari 2600 sowie im NES spielte er eine wichtige Rolle. Dabei war er technisch gewiss keine Revolution, aber preislich: Mit dem 6502 forderte MOS-Technolgy die Konkurrenz von Intel und Motorola zu einem Kampfpreis heraus. Es bedurfte allerdings erst eines visionären Ingenieurs, damit diese Idee Realität werden konnte.

Chipentwickler Chuck Peddle, geboren 1937 in Bangor, Maine

(Bild: Jason Scott, Chuck Peddle, 6502 Designer, Lizenz Creative Commons CC BY 2.0 )

Der amerikanische Ingenieur Chuck Peddle hatte bereits einige Erfahrungen in der Computerindustrie gemacht, bevor er 1973 zu Motorola kam. Dort war er an der Entwicklung des 6800-Prozessors beteiligt (nicht zu verwechseln mit dem 1979 erschienenen 68000er). Der finale Chip hatte 40 Pins, 4000 Transistoren und einen Befehlssatz von 72 Befehlen. Angepeilt war ein Preis von 300 Dollar. Da weder Marketing noch Management etwas von Prozessoren verstanden, half Peddle mit, die Technik den potenziellen Kunden zu erklären.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Und die Präsentationen hatten oftmals ein ähnliches Ergebnis: Zwar waren die Kunden von der Leistung überzeugt, aber sie schreckte der hohe Preis ab. Chuck Peddle erkannte, dass mit einem günstigen Prozessor ganz neue Einsatzgebiete und Stückzahlen möglich waren. Da allerdings dennoch genug Kunden zugriffen, sah Motorola keinen Grund, an seiner Preispolitik etwas zu ändern oder gar mit einem Low-Budget-Prozessor Konkurrenz im eigenen Haus zu schaffen. Die Firma informierte per Brief den umtriebigen Ingenieur, dass sie keinerlei Interesse an einem günstigen Prozessor hegte, was Peddle dazu brachte Motorola zu verlassen.

Über einen ehemaligen Arbeitskollegen entstand der Kontakt zu MOS Technology, einem Hersteller von Prozessoren für Taschenrechnerchips. Sie suchten genau das, was Peddles entwickeln wollte: Einen Mikroprozessor, da das Geschäft mit Taschenrechner rückläufig war, und Konkurrent Texas Instruments ihnen zusetzte. Eine Handvoll Motorola-Ingenieure schloss sich an, und Peddle begann als 65XX eine Serie von Prozessoren zu designen. Dabei hatte er nicht einmal Homecomputer im Sinn, sondern Haushaltsgeräte, Industriemaschinen und sogar Autos.

MOS Technology Prozessor 6502

(Bild: CC BY 3.0 , CPU collection Konstantin Lanzet)

Die Fertigungskosten sollten dabei 12 Dollar nicht übersteigen, damit man einen Verkaufspreis von 25 Dollar anvisieren konnte. 1975 war die Entwicklung fertig und auf der WESCON75 wurden 6501 und 6502 vorgestellt. Der 6501 war pinkompatibel mit dem Motorola 6800, kostete aber nicht einmal ein Zehntel des Preises, was Peddles ehemaligen Arbeitgeber natürlich nicht gefiel – Motorola verklagte MOS.

MOS einigte sich mit Motorola, den 6501 vom Markt zu nehmen, da sie einen langwierigen Prozess befürchteten. Jedoch kostete der Kampf gegen Motorola viel Geld und Ressourcen, gleichzeitig brach der Markt für Taschenrechner weg und Geldgeber zogen sich daraufhin zurück. Als Großkunde fackelte Commodores Jack Tramiel nicht lange und übernahm MOS daraufhin; wie es heißt, zu sehr günstigen Konditionen.

Der gleichzeitig zum 6501 veröffentlichte 6502 hingegen war nicht pinkompatibel zu Motorolas Prozessoren und konnte somit weiter verkauft werden. Und er schlug ein wie eine Bombe.

Der vom 6502 abgeleitete 6570-Chip als Keyboardcontroller in einem Amiga 500.
Inklusive Staubpatina als Zeugnis vieler Daddelabende.

(Bild: Autor)

Als günstige Variante kam er als 6507 in den Atari-2600-Konsolen zum Einsatz. Der 6502 wiederum fand in Steve Wozniak und Steve Jobs Fans, die ihn im Apple I und späteren Modellen einsetzten. Unter Commodores Führung entwickelte Chuck Peddle den PET 2001. Außerdem kam der Prozessor im VC 20, Plus 4 und C16 (je als 7501 oder 8501) zum Einsatz; dazu in weiteren Ausführungen im C64 (6510) und C128 (8502). Ataris 400- und 800-Serie hatten ebenfalls einen 6502 als Prozessor. Später kam im Nintendo NES mit dem Ricoh 2A03 ein 6502-Derivat zum Einsatz. Als Keyboard-Controller schaffte er es als 6570 unter anderem sogar bis in den Amiga.

Dabei war der 6502 keine Technikrevolution. Er verfügte nur über drei interne Register, weniger Befehle, hatte nur eine Versorgungsspannung von +5V (im Gegensatz zur 8080-CPU mit +5V/-5V/+12V) und war somit einfacher zu fertigen. Und anstelle eines 16-Bit-Indexregisters verwendet der 6502 zwei 8-Bit-Index-Register, deren Wert im Speicher aufaddiert wird auf eine vorgegebene 16-Bit-Adresse.

Mehr Infos

Erschienen: Juni 1975
Neupreis: 25 Dollar
Taktfrequenz: 20 kHz bis 2 MHz, je nach Modell
Adressraum 65536 Byte (16 Bit)
Transistoren: ca. 3510
Strukturgröße: 8000 nm (21 mm²)
Datenbusbreite: 8 Bit, ALU 8 Bit

3 verwendbare 8 Bit - Register
- X - Index
- Y - Index
- Akkumulator

3 Interruptarten
- BRK - Software-Interrupt
- NMI - Non Maskable Interrupt
- IRQ

Befehle: Insgesamt 56
Zyklen je Befehl: ca. 3
Adressierungsmodi: 13
Spannung: +5 V

Innovativ am 6502 war die erste Verwendung einer zweistufigen, rudimentären Pipeline-Architektur – waren nur interne Schaltschritte erforderlich, konnte bereits der nächste Befehl aus dem Speicher geholt werden. Allerdings war es noch keine echte Pipelinearchitektur mit Überlappung von Lese- und Schreibzugriffen mehrerer Befehle. Außerdem enthielt der Prozessor bereits einen integrierten Taktgenerator, was nur noch ein externes Taktsignal erforderlich machte. Zudem war sein Befehlssatz fast orthogonal, d. h. Adressierung, Datentyp und Opcode waren fast beliebig kombinierbar.

Durch seinen günstigen Preis nahm der 6502 das Geschäftsmodell der Platzhirsche Motorola und Intel ins Visier. Starke Konkurrenz bekam er kurze Zeit später durch den ebenfalls sehr erfolgreichen Z80, der vor allem durch seine Abwärtskompatibilität zum 8080 punktete. Da MOS nach der Übernahme mit der Produktion von Chips für Commodore ausgelastet war, wurden zwar unzählige Spezialvarianten des 6502 entwickelt, aber kein echter Nachfolger, bis 1983 die Firma WDC mit dem W65C816S-Prozessor einen kompatiblen 16-Bit-Nachfolger auf den Markt brachte, der es immerhin, wiederum abgewandelt, bis ins SNES schaffte. Chuck Peddle hingegen verließ Commodore 1980.

Heutzutage kann man dem 6502 schematisch beim Werkeln zuschauen oder sogar als 65C02 wieder neu erwerben. Neben die Herzen vieler 8-Bit-Fans hat es der 6502 auch in die Nerdkultur geschafft. In der Comicserie Futurama (Staffel 2, Folge 4) taucht im Gehirn von Roboter "Bender" der Schriftzug 6502 auf.

Und im Film Terminator wird im HUD-Display des österreichisch-amerikanischen Cyborgs ein 6502-Assembler-Programm gezeigt. Filmemachern sollte eigentlich klar sein, dass Nerds ganz genau hinschauen ... (mawi)