Macrons Erfolg, Deutschlands Schwäche

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In Frankreich gibt es "gute Wirtschaftsnachrichten", garniert werden sie mit einem kritischen Blick auf Deutschlands Kurzsichtigkeit

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Macron macht wieder gute Schlagzeilen. Die Arbeitslosigkeit in Frankreich ist gesunken. Die Statistiker notieren nun eine Arbeitslosenquote von 8,5 Prozent der Erwerbsbevölkerung (ohne das Übersee-Département Mayotte). Auf das "Mutterland" in Europa (France métropolitaine) bezogen steht sie bei 8,2 Prozent. Die absolute Zahl wird dort mit rund 2,4 Millionen Arbeitslosen angegeben.

Das ist im Vergleich mit Deutschland, die bei 5 Prozent liegt, eine nach wie vor weitaus höhere Arbeitslosenquote. Aber es zeigt sich ein Trend, der Macrons Politik zugeschrieben wird. Die Quote ist die niedrigste seit 2008 und sie sinkt - zwar langsam, aber stetig: mit 0,2 Punkten seit Jahresbeginn und mit 0,6 Punkten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und eben schon den dritten Viermonatszeitraum nacheinander, wie die Zahlen des nationalen Instituts für Statistik und Wirtschaftsstudien (Insee) darlegen.

Als Indizien für eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik werden aufgeführt, dass sich die Situation besonders bei den Jüngeren unter 25 Jahren verbessert habe (um 0,6 Prozentpunkte im Vergleich zum vorhergehenden Trimester und um 1,5 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahreswert), wie auch dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen, wenn auch sehr geringfügig zurückgegangen ist - um 0,1 Prozentpunkte im Vergleich zum vorigen Viermonatszeitraum und um 0,4 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Die absolute Zahl derjenigen, die seit mehr als ein Jahr Arbeit suchen, steht bei 900.000. Auch bei der Ausgabe von unbefristeten Arbeitsverträgen würde sich eine erfreuliche Entwicklung abzeichnen, heißt es in Berichten.

Diese geringfügigen Verbesserungen können durch wirtschaftliche Krisen zwar schnell zunichte gemacht werden, dennoch feiern die Regierung und Medien, die mit ihr sympathisieren, nun den Erfolg der Politik der "République en Marche". Die Probleme, die sich mit den Gelbwesten-Protesten aufgetan haben, sind erstmal wieder außer Sichtweite.

Seit Beginn der Amtszeit Macrons sei die Zahl der Arbeitslosen um 300.000 gesunken und die Arbeitslosenquote ist von 9,6 Prozent auf 8,5 Prozent gefallen, die "entschiedene und kohärente Vorgehensweise" der Regierung bei den Reformen zum Arbeitsrecht und der Ausbildung trage Früchte, erklärte freudig Arbeitsministerin Muriel Pénicaud.

Die Glaubwürdigkeit Macrons

Die Finanzzeitung Les Echos, die Macrons Wirtschaftspolitik unterstützt, schließt sich diesen Erklärungen an und hebt hervor, dass Macron und seiner Regierung dies gelungen sei, obwohl die Wirtschaft nur sehr langsam wachse. Herausgehoben wird, dass Macron auf gutem Weg sei, sein Ziel, die Arbeitslosenquote am Ende der fünfjährigen Amtszeit auf 7 Prozent herunterzuschrauben, sogar schneller zu erreichen. Die neuen Zahlen würden die Glaubwürdigkeit dieses Ziels bestätigen.

Politisch ist das bedeutsam, weil Macrons Vorgänger das Versprechen gemacht hatte, man solle seinen Erfolg am Rückgang der Arbeitslosigkeit messen. Der Ausgang ist bekannt und das nicht eingelöste Versprechen spielte dabei eine wichtige Rolle. Der Sender BMTV widmete den neuen Arbeitslosenzahlen vom statistischen Amt eine Diskussion darüber, ob Macron seine Wette gewinnt.

Kritiker: "Die Zahlen sind geschönt"

Indessen weisen Kritiker auf ein Phänomen hin, dass in Deutschland schon länger Gegenstand von Diskussionen über Arbeitslosen-Zahlen ist, nämlich die Frage, was die schönen Zahlen verbergen. Ganz ähnlich wie hierzulande wird angemerkt, dass Arbeitssuchende häufig in Ausbildungsprogrammen untergebracht werden und sich die Beschäftigungsqualität der Arbeitsplätze geändert habe wie auch die Bezahlung und der Kündigungsschutz. "Prekarisierung der Beschäftigung ("précarisation de l’emploi") ist hier das Stichwort für eine Erosion, die in den Erfolgsmeldungen nicht auftaucht.

Wie auch die mit Argumenten und Statistiken unterlegte Kritik, wie sie von "alternativen Ökonomen" vorgebracht wird, nicht groß ins Schaufenster nicht weniger Medien gehoben wird. Sie präsentieren Macron nach der Krise mit den Gelbwesten wieder als Hoffnungsträger, der mit seinem Kurs, der sich auf die Interessen der Unternehmer konzentriert, erfolgreich ist. Wenn nun Ökonomen wie Guillaume Duval behaupten, dass die Arbeitslosenquoten bei genauerem Hinschauen keine Erfolgsmeldung sind, so passt das nicht in diese PR-Arbeit.

Duval behauptet zum Beispiel, dass sich viele wegen der Erfolglosigkeit der Ausbildungsprogramme und Frustrationen über die Bürokratie nicht mehr als arbeitssuchend melden und somit aus der Statistik herausfallen. Dem gehen die großen Medien erstmal nicht nach.

Deutschlands Wirtschaft "strukturell obsolet"

Dafür gab es diese Tage einige Kommentare, die angesichts der Rezession in Deutschland den Misserfolg der Merkelschen Wirtschaftspolitik analysierten. Artikel, in denen der exportlastigen und auf Sparen bedachten Wirtschaftspolitik auf der anderen Seite des Rheins Fehler vorgehalten wurden, gab es in der Vergangenheit schon einige.

Da war auch Ärger zu spüren, da die schwächere Wettbewerbsfähigkeit der französischen Unternehmen mit der deutschen Lohnpolitik in Zusammenhang gebracht wurde, und sich die Deutschen mit ihren Vorgaben zum Schuldenmachen aus französischer Sicht wie Lehrmeister aufspielten.

Dennoch war den kritischen Analysen noch eine Bewunderung für das deutsche Modell anzumerken. Die ist jetzt weg. Deutschlands Wirtschaft sei strukturell obsolet angelegt und nimmt auch schnell keine Fahrt mehr auf, statuiert der Ökonom Patrick Artus in der bereits erwähnten Finanzzeitung Les Echos. Er ist auch mit diesem Bild nicht allein. "Warum der Motor der deutschen Wirtschaft abgewürgt ist", ist eine Analyse bei Le Monde überschrieben. Das öffentlich-rechtliche Radio France Inter meldet Ende der goldenen Jahrzehnts in Deutschland - immerhin sachte mit einem Fragezeichen am Ende.

Für Patrick Artus gibt es dagegen kein Fragezeichen. Deutschland habe sich zu sehr auf den Export von Autos und Maschinen verlassen und habe sich damit in große Abhängigkeit vom Welthandel und insbesondere vom Markt in China gebracht. Auch sei durch die zuletzt gestiegenen Löhne Wettbewerbsvorteile flöten gegangen, die Produktivität steige nicht mehr, die hohen Preise für die hochspezialisierten Exportgüter finden nun mit den Änderungen auf den Märkten nur mehr wenig Abnehmer.

Die höheren Löhne könnten so nicht lange gehalten werden. Deutschland müsse sich auf eine strukturelle Neuorientierung gefasst machen in der Dimension, wie sie der frühere Kanzler Schröder unternommen habe. Für eine bestimmte Zeit werde sich das Land in einem Quasi-Nullwachstum befinden. Der Exportüberschuss, von dem Deutschland zehrte, habe Europa überdies sehr geschadet.

Die wirtschaftliche Flaute, so der Experte bei Les Echos, werde bald zutage bringen, dass die Vollbeschäftigung in Deutschland längst eine Illusion war, weil die Unternehmer "die nötigen Anpassungen" aufgeschoben haben.

In Le Monde geht die Analyse nicht ganz so harsch vor. Auch dort wird auf den oft genannten Einbruch der Erfolgsgeschichte der deutschen Autohersteller verwiesen, den Exportüberschuss des früher bewunderten Merkel-Modells und die Zurückhaltung bei den Investitionen im eigenen Land.

Angemerkt wird, dass Frankreich schon früher auf den Binnenkonsum geachtet habe.

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