Nach 24 Jahren: GIMP-Fork soll unliebsamen Namen überwinden

Weil ihnen der Name GIMP unangenehm ist, starten eine Handvoll abtrünnige Entwickler des Grafikprogramms nun das Gegenprojekt Glimpse.

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Nach 24 Jahren: GIMP-Fork soll unliebsamen Namen überwinden

GIMP ist eins der bekanntesten Open-Source-Programme.

(Bild: Fabian A. Scherschel)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Fabian A. Scherschel

Das GNU Image Manipulation Program (GIMP) ist eine der Erfolgsgeschichten der Open-Source-Szene. Es wird weitläufig als brauchbare, kostenlose Alternative zur Bezahlsoftware Photoshop gehandelt und gilt als eines der besten Desktop-Programme unter Linux. Mit den jüngsten Versionen wird GIMP sogar langsam seinen Ruf los, eine schreckliche Bedienoberfläche zu haben. Nun gibt es schon seit über zwanzig Jahren Nutzer, die sich an der Abkürzung GIMP, die seit langem als de facto Name des Programms fungiert, stören. Denn ein "gimp" oder "gimp suit" ist die englische Bezeichnung für den bei einigen BDSM-Praktiken üblichen Ganzkörperlatexanzug. Eine Fork, also ein Klon der Software unter der Führung neuer Entwickler, soll diesen von manchen empfundenen Makel nun endlich beheben, wie es scheint.

Die neue Variante der Software heißt Glimpse und sie ist aus einer Diskussion auf Gitlab hervorgegangen (archivierter Link; die Original-Diskussion wurde gelöscht), wo der Quellcode des GIMP-Projektes verwaltet wird. Dort hatte Entwickler Christopher Davis vorgeschlagen, den Namen des Programms zu ändern, da der bisherige Name zu viel Geschichte habe. "Die aktuell gebräuchlichsten Version des Wortes gimp ist eine ableistische Beleidigung", so Davis. Damit spielt der Entwickler wohl darauf an, dass der Begriff "gimp" im Englischen ebenfalls so etwas wie "Krüppel" bedeutet und in der Regel als Schimpfwort verwendet wird. Diese umgangssprachliche Bedeutung ist aber im heutigen Sprachgebrauch weit weniger verbreitet, als Davis zu suggerieren scheint. "GIMP gibt keinerlei Hinweis darauf, wozu man diese App benutzen würde und es ist schwer, etwas zu bewerben, was sonst eher als Beleidigung oder als Sexpraxis verstanden wird", so Davis weiter.

Eine weitere Entwicklerin namens Leonora Tindall unterstützte in der Diskussion den Vorschlag von Davis. Sie habe GIMP bereits zweimal verschiedenen Lehrstätten als Photoshop-Alternative empfohlen und es sei nur deswegen nicht zum Einsatz gekommen, weil der Name nicht Klassenraum-tauglich sei. Andere an dem Open-Source-Projekt beteiligte Entwickler sprachen sich gegen eine Namensänderung aus. Es sei dumm die über Jahrzehnte erarbeitete Bekanntheit des namens GIMP nun plötzlich aufs Spiel zu setzen. Wie viele öffentliche Debatten dieser Art driftete auch diese Diskussion schließlich in eine unschöne Schlammschlacht ab. An diesem Punkt entschied sich ein Oracle-Mitarbeiter namens Bobby Moss dazu, das Fork-Projekt Glimpse ins Leben zu rufen.

Gegenüber der britischen IT-Nachrichtenseite The Register begründet Moss seine Entscheidung wie folgt: "Ich fand die Argumente durchdacht und gut vorgebracht, da ging es weniger um die Anstößigkeit des Namens als darum, das Programm möglichst gut zu vermarkten. Zuerst dachte ich, das würde nur so ein kleines Nebenprojekt meinerseits werden, aber dann zeigten sich Leute sehr interessiert. Jetzt hat es sich in dieses neue Ding entwickelt, an dem ich selbst, Christopher Davis und eine Frau namens Clipsey beteilligt sind." Das Glimpse-Team will weiterhin die Upstream-Bibliotheken des GIMP-Projektes nutzen und schlagen vor, sowohl an das eigene Projekt, als auch an GIMP zu spenden, wenn man sie unterstützen will. Neben der Namensänderung will man später auch die Benutzeroberfläche grundsätzlich verändern und verbessern. Wenn GIMP mit Version 3 seine Benutzerobefläche auf GTK 3 umstellt, will man die Gelegenheit nutzen und eigene größere Änderungen angehen. Bis dahin will das Team hauptsächlich die Änderungen des GIMP-Projektes in das eigene Programm einpflegen.

Aus Sicht alteingesessener Mitglieder der Open-Source-Gemeinde ist es freilich etwas verwunderlich, dass eine solche Namensdiskussion plötzlich nach knapp 24 Jahren auf einmal Fahrt aufnimmt. Abgesehen vom Timing der Aktion ist eine solche Fork natürlich ein Grundbestandteil des Open-Source-Ethos. Allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, dass politische oder soziologische Motivationen bei solchen Abspaltungen selten zum Erfolg führen. Die Erfahrung zeigt, dass bei solchen Forks meist das Software-Projekt überlebt, welches die produktivsten Entwickler hinter sich versammeln kann. Auch etablierte Namen und Marken ordnen sich in der Regel diesen Begebenheiten unter, wie der massenweise Umzug der Open-Source-Gemeinde von OpenOffice zu Libre Office vor ein paar Jahren anschaulich verdeutlicht hat. (fab)