US-Justizministerium sucht mit allen Mitteln, Assange wegen Spionage anzuklagen

Nachdem Manning trotz monatelanger Beugehaft standhaft bleibt, soll nun offenbar der noch im Gefängnis sitzende Stratfor-Hacker Hammond die notwendige Aussage liefern

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Das US-Justizministerium scheint zu fürchten, dass Chelsea Manning (früher Bradley Manning) nicht gegen Julian Assange aussagen wird. Mit einer kurzen Unterbrechung sitzt sie seit März in Beugehaft, weil sie sich weigerte, eine Aussage in einem Verfahren gegen Julian Assange und WikiLeaks vor einer Grand Jury zu machen. Die Anklage gegen Assange war zufällig im November 2018 bekannt geworden (USA planten geheime Anklage gegen Julian Assange. Man arbeitete an ihr, damit Großbritannien ihn ausliefert).

Manning hatte 2010 geheime Dokumente des Pentagon an WikiLeaks weitergegeben. Furore machte besonders ein Video "Collateral Murder", das zeigt, wie US-Soldaten lachend aus einem Apache-Hubschrauber auf Zivilisten und Journalisten schießen und sieben töteten. Dazu kamen die Mitteilungen amerikanischer Botschaften (cablegate), die Afghan War und Iraq War logs oder Dokumente über Guantanamo. Manning wurde 2013 u.a. wegen Spionage und Hilfe für den Feind, worauf die Todesstrafe stehen kann, zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt und von Barrack Obama im Januar 2017 begnadigt.

Das US-Justizministerium hat schließlich in der letzten Anklageschrift im Mai doch Assange wegen Spionage angeklagt, nämlich wegen unerlaubten Erhalts und Verbreitung geheimer Informationen und Verschwörung zum Hacken in geheim eingestufte Dokumente und Kommunikation. Knackpunkt ist, dass er es Manning in einer Verschwörung ermöglicht habe, mit dem Knacken eines Passworts in die geheimen Pentagonrechner einzudringen. Die Mithilfe von Assange am Hacken wäre der Knackpunkt der Anklage und würde Assange grundsätzlich von einem Journalisten unterscheiden, der wie andere Bürger auch durch den Ersten Verfassungszusatz geschützt ist, wie gerade ein Gericht in New York bestätigte (Gerichtsurteil: WikiLeaks ist durch den Ersten Verfassungszusatz geschützt)..

Um diese Mitwirkung zu belegen, wurde Manning in Beugehaft genommen, andere wie Daniel Domscheit-Berg oder Jacob Applebaum wurden unter erpresserischen Bedingungen aufgefordert, sich vernehmen zu lassen. US-Bürger tun sich da schon schwerer, wie man an Chelsea Manning sieht, während David House sich 2018 gegen Immunität vernehmen ließ, was aber offenbar nicht ausreicht.

Während Manning weiter erpresst wird und jetzt pro Tag 1000 US-Dollar Strafe zahlen soll, die sie in Beugehaft verbringt, scheint die Staatsanwaltschaft nun zu glauben, dass sie ihren Willen nicht brechen kann, unter dem Druck Belastendes gegen Assange zu sagen oder zu erfinden. Daher wurde nun wahrscheinlich auch der Stratfor-Hacker Jeremy Hammond zur Vernehmung vor einer Grand Jury in Virginia gegen seinen Willen nach Virginia verlegt. Es dürfte dieselbe Grand Jury sein, die auch Mannings Widerstand zu brechen sucht.

Stratfor Global Intelligence ist eine Newssite über Geopolitik und Geheimdienste. Hammond war Mitglied der Gruppe LulzSec und wurde wegen eines Hackerangriffs auf Stratfor 2011 im Jahr 2013 zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt. Er hatte, was er zugab, gehackte Emails an WikiLeaks weitergegeben und 60.000 Kredikarteninfos geklaut, mit denen er als eine Art Robin Hood Geld an Stiftungen und Hilfsorganisationen überwies. Geholfen hatte ihm bei dem Hack ein "Hackerkollege", der auch FBI-Informant war, also ein V-Mann. Er wurde also vermutlich zu der Tat angestiftet.

Hammond sitzt weiter seine Gefängnisstrafe ab, ein gutes Opfer, um mit ihm einen Deal zu machen. Eigentlich hätte er gute Chancen gehabt, schon Ende des Jahres freizukommen, aber genau das dürfte nun zum Druckmittel werden. Er wurde bereits nach Virginia verlegt, um dort vor der Grand Jury vernommen zu werden. Natürlich wieder geheim, was der Grund ist, warum Manning sich weigert, dort auszusagen.

Großbritannien wird ausliefern, die Zeit tickt, Beweise für eine Anklage vorzulegen

Das US-Justizministerium kann sich ziemlich sicher sein, dass das eng verbündete Großbritannien, auch ein Five-Eyes-Mitglied, aus politischen Gründen, die mit dem Brexit noch stärker wurden, Assange ausliefern werden - es sei denn, dass die Brexit-Gegner eine Kehrtwende einleiten. Obgleich Donald Trump von den WikiLeaks-Veröffentlichungen profitiert hat, scheint seine Regierung nun deutlich härter als die Obama-Regierung gegen Assange vorzugehen. Ob das Trumps Wille ist, muss dahingestellt bleiben, es ist für den Kämpfer gegen die Medien wohl nicht wichtig genug.

Man muss bei all den Anstrengungen des Justizapparats vermuten, dass an Assange ein Exempel statuiert werden soll, um alle abzuschrecken, zu Whistleblowers über Themen zu werden, die die nationale Sicherheit bzw. die von der Regierung als erklärte nationale Interessen gehen. Mit einer lebenslänglichen Verurteilung von Assange oder gar der Todesstrafe würde man auch die Pressefreiheit bedrohen und einschränken, weil dann jeder riskieren müsste, dasselbe Schicksal zu erleiden.

Assange ist Opfer einer harten Repressionspolitik und wusste schon, warum er sich in de Botschaft Ecuadors vor dem Zugriff der USA flüchtete. Menschen wie Chelsea Manning müsste dringend mehr Anerkennung und Unterstützung zukommen: Sie halten trotz übler Konsequenzen das Gewissen aufrecht, dass ein Deal nicht alles ist, was zählt, sondern dass es auch darum geht, Werte des Rechtstaats und der Demokratie zu verteidigen.

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