Bitrauschen: Transistor-Wettrüsten bei Prozessoren und Patentstreit

Xilinx protzt mit gewaltigen Transistormengen, Huawei zieht mit einem eigenen KI-Chip an der Nvidia Tesla vorbei. Bei ARM gibt man sich offen und Globalfoundries verklagt TSMC.

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Bitrauschen: Transistor-Wettrüsten bei Prozessoren und Patentstreit
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Inhaltsverzeichnis

Satte 35 Milliarden Transistoren quetscht Xilinx auf das Silizium-Die des kommenden FPGA Virtex UltraScale+ VU19P. Das ist der Rekordwert für einen „normalen“ Prozessor, also einen Logikchip. Bei DRAM lassen sich Transistoren zwar noch dichter packen, aber die Silizium-Dies sind kleiner, sonst würden sie zu teuer. Mit Die-Stapeln und Chiplets bekommt man jedoch viel mehr Transistoren in ein Bauelement – und dann gibt es noch Spezialkonstruktionen, die komplette Wafer nutzen, etwa im Heidelberger BrainScaleS-Computer oder beim KI-Monster von Cerebras mit 400.000 Rechenkernen aus 1,2 Billionen Transistoren.

Mit 35 Milliarden Transistoren hält Xilinx‘ Virtex UltraScale+ VU19P derzeit den Transistor-Rekord – abgesehen von Chiplet-Designs.

(Bild: Xilinx)

Einen dicken Chip kündigte auch Huawei an, nämlich den Ascend 910 aus der 7-nm-Fertigung mit EUV-Lithografie. Der soll als KI-Beschleuniger wohl nicht zufällig genau doppelt so schnell rechnen wie die Nvidia Tesla V100 und spielt auch kohärent (per CCIX) mit künftigen ARM-Serverprozessoren zusammen. 16 ARM-Kerne für allgemeine Aufgaben stecken ebenfalls im Ascend 910. Im Hinblick auf die aktuellen US-Sanktionen gegen China erwies es sich dabei als hellsichtig, dass der japanische ARM-Besitzer SoftBank schon 2018 die China-Sparte von ARM in eine unabhängige Tochter mit 51 Prozent chinesischen Eigentümern abspaltete.

ARM zeigt außerdem mehr Transparenz: Man legt nun CPU-Bugs offen, nach Intels Vorbild der „Specification Updates“ als „Errata“ verniedlicht. ARMs Software Developer Errata Notice (SDEN) für den Cortex-A76 alias Neoverse N1 listet 60 Fehler auf – die meisten davon sind aber in jüngeren Kern-Versionen geflickt. Hintergrund der neuen Offenheit dürfte sein, dass die mächtigsten Server-Käufer darauf drängen, also Cloud-Giganten wie Amazon, Google und Facebook. Alle stecken bekanntlich Unsummen in die Entwicklung eigener Sicherheitschips, die sie teilweise sogar offenlegen – und dazu passt dann ein „Closed Source“-Hauptprozessor mit unbekannten Bugs ziemlich schlecht.

Beim Thema Offenlegung liegt der Gedanke an Intels mysteriöse Management Engine (ME) nahe, die Intel mittlerweile Converged Security and Management Engine (CSME) getauft hat. Auch hier scheint der Druck auf Transparenz zu wachsen, auf Open-Compute-, Open-Source- und Firmware-Konferenzen hört man jedenfalls von Intel immer häufiger konziliante Töne. Da die ME/CSME aber bei vielen Chipsätzen auch deren konkreten Funktionsumfang festlegt und somit letztlich den Verkaufspreis – das Die eines Z370, B350 und Q370 ist identisch –, wird Intel wohl nie die gesamte Firmware offenlegen, die ein solcher Platform Controller Hub (PCH) ausführt.

PCI Express 4.0 wird bei Intel zum Treppenwitz: Nachdem man sich dabei nach Jahren als PCIe-Vorreiter zuerst von IBM und dann von AMD überholen lassen musste, spricht Intel nun von PCIe 5.0. An Pilotkunden liefert man demnach schon erste 10-nm-FPGAs von Typ Agilex, von denen es künftig welche mit PCIe 5.0 geben soll. „Überholen ohne einzuholen“ nannte man das einst in der DDR. Noch 2019 will Intel jedenfalls PCIe-4.0-Chips bringen – aber nicht etwa neue Xeons, sondern zunächst den KI-Prozessor Nervana NNP-T. In diesem stecken aber keine hauseigenen Transistoren, sondern er hat 16-nm-Technik von TSMC unter der Haube.

Schwachen Trost zieht Intel vielleicht aus dem Umstand, 2019 wieder Halbleiter-Branchenprimus zu werden – trotz sinkender Einnahmen. Doch nachdem Samsung 2017 vorbeizog, schrumpfte hier der Umsatz deutlich, weil die SDRAM- und Flash-Preise fallen. Das wiederum freut Hardware-Käufer, eine 1-TByte-SSD gibts derzeit für 100 Euro.

Zwischen den Auftragsfertigern TSMC – dem größten der Welt – und Globalfoundries (Nummer 3) ist unterdessen ein Streit um Patentrechte ausgebrochen: Globalfoundries hat die taiwanische TSMC verklagt und will den Import von Apple-, Nvidia- und auch Qualcomm-Chips in die USA sowie nach Deutschland unterbinden lassen. TSMC weist die Vorwürfe zurück. Branchenkenner vermuten, dass das US-Unternehmen Globalfoundries (mit arabischen Eignern) noch immer mit Verlust arbeitet und die „America first“-Stimmung in den USA für sich nutzen will, um die Einnahmen etwas aufzupolieren.

Eine bizarre Entscheidung fällte Microsoft: Kurz bevor im Januar 2020 die Sicherheitsupdates für Windows 7 auslaufen, sollen PC-Spiele nun doch auch unter Windows 7 noch DirectX 12 nutzen können, falls Programmierer sie dafür anpassen. Wieso sich das noch lohnt, bleibt Microsofts Geheimnis. Zwar ist Windows 7 noch auf mehr als 30 Prozent aller Windows-Rechner im Einsatz, aber eher in Firmen als bei Gamern. Für bestimmte Windows-7-Installationen kann man jedoch bis 2023 noch Extended Security Updates (ESU) bekommen.

Dieser Artikel stammt aus c't 20/2019. (ciw)