Tunnel-Projekt unter schlechtem Stern

Ein Tunnel von Helsinki ins estnische Tallinn ist der Plan von Angry-Birds-Erfinder Peter Vesterbacka. Ob das gut geht?

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Das Vorhaben riecht stark nach einer Inspiration von dem Tech-Tausendsassa Elon Musk: Erfolgreicher Spiele-App-Entwickler will ein Mega-Bauprojekt gewissermaßen im Alleingang umsetzen. Die Rede ist von dem Angry-Bird-Erfinder Peter Vesterbacka aus Finnland. Er sorgt seit einiger Zeit für Aufsehen mit seinem Plan, die finnische Hauptstadt Helsinki mit der estnischen Hauptstadt Tallinn durch einen 103 Kilometer langen Tunnel zu verbinden. Es wäre der längste Bahntunnel der Welt. Bereits im November vergangenen Jahres berichtete Forbes über Vesterbackas Projekt. Demnach sollen Züge die zwei Städte durch den finnischen Meerbusen verbinden. Bisher fahren dort täglich Fähren hin und her. Bis zu zwei Stunden dauert eine Fahrt. Mit dem Zug soll es nach den Vorstellungen des überzeugten Finnen nur 25 Minuten in Anspruch nehmen. 15 Milliarden Euro veranschlagt Vesterbacka für den Bau, der bereits in diesem Jahr starten sollte, die Eröffnung des Tunnels kündigte Vesterbacka dann auch schon für den 24. Dezember 2024 an. Ein großes Weihnachtsgeschenk also für alle Berufspendler, die täglich zwischen den beiden Städten hin- und herfahren. Gerade sie würden sich sicherlich über die gewonnene Zeit freuen.

Vesterbackas eigens gegründete FinEstBay Area Group (FBA) zufolge beschert der Tunnel aber nicht nur einen Zeitgewinn. Der Wirtschaft der beiden Länder werde der Tunnel laut einer durch die finnische Analysefirma Taloustutkimus durchgeführten Untersuchung jeweils 300 Millionen bringen. Und für die Zeit des Baus von 2021 bis 2025 werde in Estland das Bruttoinlandsprodukt um 2,5 Prozent gesteigert, beziehungsweise um 1,1 Prozent auf finnischer Seite.

Woher das Geld für den Bau kommen soll, hat Vesterbacka auch bereits in die Wege geleitet. So meldete das Portal des Senders YLE im März, dass die Finanzierung ein chinesischer Investor übernehme, der sich auch für die Belt and Road Initiative in China verantwortlich zeichnet. Ausführen soll das Projekt China Railway Group Limited (CREC). Geplant ist neben dem Tunnel außerdem eine Insel, die durch die Aushebungen im Meerbusen aufgeschüttet werden soll. Auch dafür hat Vesterbacka weitere Pläne: Büros sollen dort entstehen, zudem soll die Insel als Sammelstelle für Baumaterialien dienen.

Die Kooperation mit chinesischen Partnern kommt nicht von ungefähr, so plant der Angry-Birds-Chef, Helsinki mit dieser Verbindung zum "Tor zu China" zu machen. So benötige man von dort nach China nur einen Sechs- bis Acht-Stunden-Flug. Angebunden an das von der EU geplante Projekt Rail Baltica, das Nordeuropa besser mit Zentraleuropa verbinden soll, soll Helsinki damit eine prädestinierte Stellung bekommen.

So weit, so ambitioniert. Die EU indes hält sich mit Begeisterung für das Tunnel-Projekt zurück. Dort setze man, wie es in einem Bericht bei Spiegel Online heißt, eher auf sorgfältige Planung. Und auch das estnische Wirtschaftsministerium ist skeptisch in puncto Finanzierung. Eine erste von der EU finanzierte Machbarkeitsstudie kam zwar laut Süddeutsche Zeitung zu dem Ergebnis, dass der Tunnelbau grundsätzlich möglich sei. Doch eine Studie macht noch keinen Tunnel, gerade dann nicht, wenn geologische Vorraussetzungen, etwa vor der estnischen Küste, Probleme bereiten könnten.

Peter Vesterbacka und seine FBA lassen sich davon nicht beirren. Das wird besonders bei einem Klick auf die Homepage der Gruppe deutlich: Auf der Hauptseite läuft ein Countdown, der bis zur Tunneleröffnung herunterzählt. Außerdem lassen sich im Shop-Bereich bereits Tickets für die Zugfahrt kaufen – Single 50 Euro, Return 100 Euro, eine Jahreskarte (quasi eine BahnCard 100) gibt es für 1.000 Euro.

Nun ist es nicht unüblich, dass es bei Bauprojekten in solcher Größenordnung Unkenrufe und Zweifler gibt. Allerdings scheinen hier buchstäblich noch viele Baustellen ungeklärt zu sein. Angefangen bei Zweifeln, ob die Finanzierung tatsächlich gesichert ist, hin zu umwelttechnischen Fragen: Lohnen sich die durch die Zugfahrten reduzierten umweltbelastenden Emissionen anstelle der heutigen Fähren (wobei schon jetzt mit der "Megastar" – angetrieben von LNG und Dieselöl – ein emissionsvermindertes Schiff unterwegs ist) gegenüber dem massiven Eingriff in den Lebensraum von Tieren und Pflanzen im Meer? Berater und Eisenbahn-Historiker Jan-Erik Wiik bezweifelt zudem die Profitabilität des Projekts. Er vergleicht den finnisch-estnischen Tunnel mit dem Ärmelkanal. Dieser habe sich erst nach 25 Jahren rentiert, obwohl er sehr viel mehr Fahrgäste als zunächst erwartet hatte – zudem sei die Verbindung zwischen Calais und Dover auch um die Hälfte kürzer. Alles in allem steht der FinEst-Tunnel eher unter einem schlechten Stern. Vesterbacka wird sich davon aber – ganz Elon Musk-Style – nicht aufhalten lassen.

(jle)