Verbundwerkstoff aus Tabak

Tabakpflanzenzellen lassen sich zu einem festen Material verarbeiten – ähnlich wie Kunststoff und Holz –, das nach dem Gebrauch biologisch abbaubar ist.

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Verbundwerkstoff aus Tabak

(Bild: Alex Plesovskich / Unsplash)

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Unsere Abhängigkeit von Kunststoffen ist ein großes Umweltproblem. Denn sie werden aus Erdöl hergestellt und enden in der Regel auf einer Mülldeponie oder in einer Verbrennungsanlage. Beide Entsorgungsarten sind nicht nachhaltig. Umweltfreundlicher wären Biokompositwerkstoffe, doch deren Entwicklung ist nicht einfach, weil biologischen Matrices die Festigkeit für die meisten technischen und strukturellen Anwendungen fehlen. Deshalb basieren die meisten biologisch abbaubaren Kunststoffe ebenfalls auf einer Matrixstruktur, die der von Erdöl entlehnt ist.

Zwar lässt sich etwa der Naturstoff Holz zu einem Material verarbeiten, dessen Eigenschaften an jene von Stahl und Keramik herankommen. Allerdings sind die dafür nötigen Chemikalien ebenfalls nicht umweltfreundlich. Deshalb suchen Forscher weltweit nach Methoden, mit denen sich Pflanzen zu nachhaltigen Bioverbundwerkstoffen verarbeiten lassen, deren Materialeigenschaften es mit denen von verarbeitetem Holz und konventionellen Kunststoffen aufnehmen können.

Ein Forscherteam um Eleftheria Roumeli am California Institute of Technology hat nun Zellen der Tabakpflanze zu einem solchen enorm starken Material mit den mechanischen Eigenschaften von Holz zu verarbeitet, wie sie auf dem frei zugänglichen Portal ArXiv schreiben. "Die Steifigkeit und Festigkeit dieser Materialien übertrifft die von handelsüblichen Kunststoffen. Gleichzeitig sind sie vollständig biologisch abbaubar."

Das Herstellungsverfahren ist unkompliziert. Das Team kultivierte Zellen der Tabakpflanze (Nicotiana tabacum) in einer flüssigen Suspension im Labor. Einige der Zelllinien, wie die BY-2-Linie, können sich in Suspension innerhalb einer Woche 100-fach vermehren. Roumeli und Co. geben zwar nicht an, welche Zelllinie sie verwenden, doch BY-2-Zellen erscheinen angesichts der Literaturliste des Artikels wahrscheinlich.

Jede Zelle hat eine Zellwand, die durch Mikrofibrillen aus Proteinen und Zellulose verstärkt ist. Die Zellwand umschließt das wässrige Zytoplasma, verschiedene biomolekulare Maschinen etwa zur Energieverarbeitung, und schließlich den Zellkern. Nach der Kultivierung erntete das Team die Zellen und komprimiert sie in einer wasserdurchlässigen Abdruckform, damit die in ihnen enthalten Flüssigkeit entweichen kann. "Während der Kompression diffundiert Wasser durch die Zellwand der Pflanze und das Zellvolumen wird allmählich reduziert", schreiben die Forscher. Insgesamt verlieren die Zellen bei diesem Prozess 98 Prozent ihres Gewichts.

Anschließend erwärmte das Team das dehydrierte Material. Das bewirkt bei den Mikrofibrillen einen Phasenübergang und die Bildung von kristallinen Strukturen. "Das entstehende Material ist ein Biokomposit, das aus einer heterogenen Mischung von natürlich synthetisierten Biopolymeren besteht", so Roumeli und Co.

Darüber hinaus ist es auch bemerkenswert schwer. Das Team untersuchte seine mechanischen Eigenschaften und verglich es mit denen von Nadelhölzern wie Kiefer, Harthölzern wie Pappel, Eiche und Walnuss sowie mit jenen von kommerziellem Sperrholz und sogenannte mitteldichte Holzfaserplatten (MDF). Die Forscher verglichen das Material auch mit synthetischen Kunststoffen ähnlicher Dichte wie Polystyrol, Polypropylen und Polyethylen niedriger Dichte.

Das Ergebnis: "Die mechanische Leistung unserer Biokomposite ist vergleichbar mit der von handelsüblichen Holz- und Kunststoffen", schreiben Roumeli und Co. "Sie übertreffen alle in der Literatur angegebenen Werte für Materialien aus Pflanzenzellen, Myzel oder Hefematrices." Das Team machte das Material sogar noch fester, indem es ihm während der Herstellung Karbonfasern hinzufügte. Weitere Additive können das Biokomposit zudem leitfähig oder magnetisch machen.

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Eine wichtige Frage für die Nachhaltigkeit ist, wie sich dieser Werkstoff am Ende seiner Lebensdauer zersetzt. Schließlich könnte die Verarbeitung Biopolymere hervorbringen, die sich nicht nur schwer zersetzen.

Um das herauszufinden, wie nachhaltig das neue Material ist, vergruben Roumeli und Co ihre Proben zusammen mit etwas gewöhnlichem Holz in Erde. Beide Proben gewannen zunächst an Gewicht, indem sie Wasser aus dem Boden aufnahmen.

Aber dann zersetzten sich beide auf natürlichem Weg. "Der nachweisbare Massenverlust durch den biologischen Abbau der Biokomposite beginnt drei Wochen nach der Inkubation, bei Naturholz geschieht es etwa nach sieben Wochen", so das Team. "Wir beobachteten einen fast vollständigen biologischen Abbau des Biokomposits nach 14 Wochen."

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