Anschlag in Halle: US-Techriesen wollen Verbreitung des Täter-Videos verhindern

Facebook, Google, Microsoft und Twitter haben ein Krisenprotokoll aktiviert. Eine Hash-Datenbank soll es unmöglich machen, das Halle-Video hochzuladen.

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Anschlag in Halle: US-Techriesen wollen Verbreitung des Täter-Videos verhindern

(Bild: MemoryMan / Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Das in Ego-Shooter-Manier gedrehte Live-Video des Anschlags auf eine Synagoge und einen Döner-Laden in Halle vom Mittwoch soll sich nicht viral über große Internetplattformen verbreiten können. Das "Global Internet Forum to Counter Terrorism" (GIFCT), das Facebook, Google, Microsoft und Twitter 2017 gegründet haben, hat nach eigenen Angaben noch am gleichen Tag ein einschlägiges "Vorfallprotokoll" in Gang gesetzt. Das Gremium betonte: "Wir entfernen aktiv den von dem Täter erstellten Inhalt mit Bezug auf die Attacke."

Laut der Mitteilung haben die Mitglieder des Forums auch Hashwerte des Videos gebildet, um Merkmale daraus wie Farben oder Bilder automatisiert erkennen zu können. Diese Kennungen würden in einer gemeinsamen Datenbank geteilt, damit die Aufnahmen des Täters auf den angeschlossenen Diensten nicht hochgeladen beziehungsweise sofort wieder gelöscht werden könnten. Die beteiligten Konzerne versichern, dass sie im engen Austausch untereinander stünden. Gemäß der Intention des Forums werde man weiter daran arbeiten, "die Online-Verbreitung gewalthaltiger und extremistischer Inhalte zu unterbrechen".

Dem vermutlichen Halle-Täter Stephan B. gelang es nach von ihm zunächst beklagten Problemen mit einer schwachen Mobilfunkverbindung, über sein Smartphone Aufnahmen aus einer Kamera an seinem Kevlarhelm 35 Minuten lang auf die zu Amazon gehörende Plattform Twitch zu streamen. Fünf Zuschauer verfolgten das blutige Geschehen mit zwei Toten live, rund 2200 sollen es dort im Nachhinein angesehen haben, bevor es der Betreiber nach einer halben Stunde löschte.

Ein Link auf das Video verbreitete sich zunächst über rechtsgerichtete Kanäle des Messenger-Dienstes Telegram, der dem GIFCT nicht angehört. Nutzer riefen B. dort rasch im Jargon des rechtsextremen Milieus zu einem "Heiligen" aus. Er selbst bezeichnete sich während der Übertragung mehrfach als "Loser", da seine anscheinend selbstgebaute Schusswaffe wiederholt Ladeprobleme hatte und es ihm nicht gelang, die gesicherte Tür zu der angegriffenen Synagoge während einer Jom-Kippur-Feier aufzuschießen sowie deutlich mehr Menschen zu töten.

Mit seinem ganzen Vorgehen und der Live-Aufnahme versuchte der Täter offensichtlich, an den Anschlag auf Muslime in der neuseeländischen Stadt Christchurch vom März anzuknüpfen und ein weltweites Publikum zu erreichen. Er stellte sich auf Englisch als "Anon" vor, was typisch ist für Nutzer von Message-Boards wie 4chan oder 8chan. Im Anschluss leugnet er vor seiner Jagd auf Juden und Passanten den Holocaust, verbreitet anti-semitische sowie neonazistische Verschwörungstheorien und beschuldigt den Feminismus für den "Rückgang der Geburtenraten im Westen" verantwortlich zu sein. Dazu kommt im Stil des Christchurch-Schützen ein "Manifest" mit ähnlichen Inhalten.

Mehrere Regierungen und Online-Plattformen hatten im Mai als Reaktion auf das Morden in Neuseeland einen Appell für den gemeinsamen Kampf gegen Extremismus im Netz unterzeichnet. Darauf aufbauend verständigten sich große Internetkonzerne im Rahmen des "EU-Internet-Forums" am Montag mit der EU-Kommission auf ein freiwilliges "Krisenprotokoll". Neben den GIFCT-Mitgliedern wollen demnach auch Dropbox, JustPaste.it und Snap auf einen Reaktionsmechanismus setzen, um zu verhindern, dass sich terroristische und extremistische Inhalte online massiv ausbreiten. Dabei geht es etwa um den Austausch von URLs, audio-visueller Mediendateien sowie zugehöriger Metadaten auf freiwilliger Basis "in Echtzeit". (jk)