Das Internet feiert 50. Geburtstag: Von normalen Usern, Dot-Coms und guten Geschäften

Vor 50 Jahren begann die Geschichte des Internet, vor 25 Jahren der immense Erfolg. Auf die große Blase folgte das richtige Geschäft.

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Das Internet feiert 50. Geburtstag (Teil II): Ein Blick auf die Fortsätze

(Bild: Zuse)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Auf den Tag genau vor 50 Jahren begann ein Computerprojekt, aus dem sich schlussendlich das Internet entwickelte. Nach der ersten Folge über die Anfänge in der Ursuppe der Digitalisierung geht es jetzt um die Entwicklung des Netzes als Basis der modernen Gesellschaft. Das, was heute gerne Neuland genannt wird, ist auch schon satte 25 Jahre alt. Ein persönlich gefärbter Rückblick.

50 Jahre Internet

Das Internet hat viele Geburtstage - ebenso wie viele Väter und Mütter. Der 29. Oktober aber zählt für viele, die dabei waren, und für viele, die später an der Weiterentwicklung arbeiteten, zu einem entscheidenden Datum: die erste Kommunikation zwischen zwei Rechnern glückte. Aus diesem Anlass: Mehrere Blicke auf Geschichte, Entwicklungen, Abschweifungen und Zustand des Netzes der Netze.

Im Jahre 1995 zog sich in den USA die National Science Foundation (NSF) aus der Finanzierung der vernetzten Forschung zurück und das aus dem ARPANET hervorgegangene NFSNet wurde als Internet endgültig kommerzialisiert. Vorher waren die ersten gewerblichen Hytelnet- und Gopher-Angebote allerdings absolut erfolglos, genau wie die erste bezahlte Werbung für ein Leichtbier namens Zima im Usenet unter alt.zima Anfang 1993, doch zwei Ereignisse waren so etwas wie das Wetterleuchten, das vom großen Umbruch flackerte: Im April 1993 erhielten Tim Berners-Lee und Robert Cailliau die Genehmigung, ihre libWWW kostenlos zu verteilen.

Und am 5. März 1994 spammten Martha S. Siegel und Laurence A. Center in 6000 Newsgroups des Usenet mit Werbung für ihre Anwaltskanzlei, die Hilfe bei der US-amerikanischen Greencard-Lotterie versprach. Ein Jahr später erschien ihr Bestseller "How to make a fortune on the information highway" (deutsch etwas plumper: Profit im Internet). Beide Ereignisse mögen denkbar weit auseinander liegen, doch beide brachten genau das, was man heute gerne als Disruption bezeichnet und feiert.

Mit dem WWW-Server und dem mit ihm aufkommenden Hypertext-Prinzip eröffnete sich ein völlig neuer Informationskanal, der anders als etwa das im Stil einer Bibliothek mit einem Informationskatalog bzw. Karteikasten aufgezogene Hytelnet, weil einfach mit Verlinkungen erforscht werden kann. Das Wachstum des WWW war enorm: Im April 1994 wurden rund 1000 Webserver gezählt, im April 1995 waren es bereits 40.000. Auf der anderen Seite wurde das gemütliche Netz der Nerds und Programmierer demontiert. Mit dem Spam von Canter & Siegel wurde das gute Benehmen im Internet für obsolet erklärt. Die Anwälte mokierten sich über starrköpfige Individuen, die da glauben, "dass Cyberspace eine Gemeinschaft mit eigenen Gesetzen, Regeln und Arten des Benehmens sei. Bitte glauben Sie das nicht! Es gibt keine Gemeinschaft!"

Die Konsequenz ist schlicht und wird von Canter & Siegel endlos variiert. Der Information Superhighway ist dafür da, um Geld zu verdienen. "Lassen Sie uns anfangen!", schließt das erste Kapitel des Buches.

Um mit dem Internetkommerz anzufangen, musste erst einmal die Kundschaft im Netz, auf dem Information Superhighway oder der European Data Autobahn unterwegs sein. Im Jahre 1994 waren die deutschen Unterhaltungs-Zeitschriften voll mit wie-mach-ich-das-Artikeln, die erklärten, wie man auf die "Infobahn" (so der Stern) kommt und dann bei J.F. Lehmanns Bücher über C++ und HTML bestellt – die Fachbuchhandlung ging am 1. März 1993 online (unter www.Germany.eu.net/shop/JFL), ein Jahr vor der Gründung von Amazon.

Sehr beliebt waren auch die was-brauche-ich-Artikel: Soll es T-Online zu 8 DM im Monat plus 10 Pfennig pro Internet-Minute sein oder AOL für 9,90 DM im Monat (zwei Stunden kostenlos, jede weitere Stunde 6 DM bei eingeschränktem Internet-Zugriff)? Oder darf es Compuserve sein? 14 DM im Monat mit fünf kostenlosen Stunden, jede weitere 6 DM, dafür aber Zugriff auf das gesamte Usenet? Dazu brauchte man noch einen Rechner und ein Modem, die Vernetzung über ein Smartphone lag noch in weiter Ferne und das Internet of Things gab es nur in der Science Fiction, etwa in Ubik, einem Roman von Philipp K. Dick. In der Story hält eine intelligente Wohnungstür den Protagonisten auf, weil er nicht die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Türen gelesen hat.

In der Realität pflasterten AOL, Compuserve und T-Online die Zeitschriften mit CDs für den schnellen Start ins Internet zu. Daneben versuchten sich noch etablierte Computerfirmen wie Microsoft (mit MSN), IBM (mit OS/2) oder Apple (mit eWorld), ein Bein in die Tür des browsenden Konsumenten zu bekommen.