Von der richtigen Größe

So lange uns Biotechniker nicht mit Mikrofingern ausstatten können, bleibt der Mensch das Maß aller Gadgets.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Peter Glaser

In vielen Bereichen lassen sich Grenzen nur noch in immer kleineren Einheiten verschieben. Im Sport verlagern sich Leistungsspitzen immer weiter hinters Komma, in Zehntel- oder Hundertstelsekunden. Computerchips folgen dem Mooreschen Gesetz, wonach sich der Miniaturisierungsgrad vulgo die Komplexität der integrierten Schaltungen alle anderthalb Jahre verdoppelt. Auch in ihrer äußeren Form sind digitale Geräte inzwischen in Millimeterregionen angekommen – immer flachere Tablets, leichtere Notebooks, dünnere Smartphones, Mini-Beamer, etc.

Vom PC, dem wuchtigen Tischgerät, wird Abschied genommen. Der erste Taschenrechner, den Texas Instruments 1971 auf den Markt brachte, konnte die vier Grundrechenarten und wog mehr als ein Kilo. Ein bonbonbunter iMac aus dem Jahr 2000 war knapp 16 Kilo schwer, seine Bildröhre fast 50 Zentimeter tief. Ein iPad von 2010 hatte 140 Gramm, war 9,3 Millimeter dünn und um Größenordnungen leistungsfähiger als die Vorläufer.

Gerätebezeichnungen wie "Nano", "Lumia" ("Licht") oder "Air" weisen die Richtung: die Dinge möchten mikroskopisch werden oder sich vollständig in Luft oder ein Leuchten auflösen. Allerdings würden sie dadurch in materieller Form unbedienbar werden. Mancher Ingenieur mag darunter leiden, dass der menschliche Körper nicht imstande ist, Schritt mit den technischen Möglichkeiten zu halten und sich Zuarbeit etwa von Bioingenieuren wünschen, die Körperteile auch dem Kleinstdesign avantgardistischer Gadgets anpassen mögen. Der Platz, den eine menschliche Fingerspitze braucht, um einen Knopf zu drücken, und sei es ein virtueller Knopf auf einem Touchscreen, ist derzeit allerdings noch nicht beliebig verkleinerbar.

Sprachsteuerung hat zwar im Haushalt Fuß zu fassen begonnen, wird aber auch auf absehbare Zeit auf solche Reservate beschränkt bleiben – man stelle sich etwa ein Abteil in der Bahn vor, in dem eine Kakophonie gleichzeitiger Sprachanweisungen zu hören ist. Als in den Siebzigerjahren die ersten Armbanduhren mit Taschenrechnerfunktionen und Minitastatur aufkamen, wurde dazu eine Art Zahnstocher mitgeliefert, der die Bedienung ermöglichen sollte (und meist innerhalb kürzester Zeit verloren ging). Seither wogt ein Kampf, der nun in eine entscheidende Phase tritt.

Erst schoss die Miniaturisierung über's Ziel hinaus, auf manchen Fernbedienungen mußte man bereits die Fingernägel zu Hilfe nehmen, um in der Knöpfchenschar noch ein einzelnes Bedienungselement zu treffen. Eine gestalterische Konterrevolution führte dann dazu, dass wichtige Tasten wieder größer wurden – statt Downsizing, der immer weiteren Verkleinerung, hieß es nun Rightsizing. Das ganze spielte sich in virtueller Form gleichermaßen auf den Bildschirmen ab, wo winzige Buttons mit dem Mauspfeil zu erjagen waren. Ein interessanter Akkordeon-Effekt läßt sich bei Smartphones beobachten, die mal größer, mal kleiner und damit jeweils unterschiedlich handlich werden. Tastenfelder und Knöpfchen sind längst von vollflächigen Displays verschluckt und virtualisiert worden.

Schon lange werden im übrigen Systeme entwickelt, die Bildschirminhalte auf eine beliebige Fläche projizieren können und mit denen man fast wie gewohnt interagieren kann. Eine Infrarotkamera, unauffällig an der Decke oder andernorts untergebracht, erkennt, wohin ein Finger oder eine Hand zeigt und welche Gesten sie ausführt (inzwischen auch: was die Hände unterschiedlicher Personen gleichzeitig an Anweisungen orchestrieren). Die Hand fungiert als Maus, und statt einer tatsächlichen Tastatur gibt es eine ebenfalls auf die gewünschte Fläche geworfene Tastatur aus Licht. Die Hardware verabschiedet sich langsam, alles Gerätehafte beginnt sich in den Hintergrund zurückzuziehen. Für das, was man als Nutzer vorhat, genügt ein smarter Hauch von Licht.

(bsc)